Etwas mehr als 239.000 irreguläre Einreisen in die Europäische Union verzeichnete die europäischen Grenzschutzagentur Frontex im Vorjahr 2024. Damit ist die Zahl der Grenzübertritte ohne gültige Papiere so niedrig wie zuletzt im Jahr 2021. Im Vergleich zu 2023 sind die Zahlen um 38 Prozent zurückgegangen, hieß es am Dienstag in einer Erklärung.
Der hohe Rückgang erklärt sich vor allem dadurch, dass im Vergleichsjahr 2023, nach drei Jahren Corona-Pandemie und Einreisebeschränkungen, die Zahlen vergleichsweise besonders stark angestiegen sind, nämlich so stark wie seit 2016 nicht mehr. Damals war von rund 380.000 irregulären Grenzübertritten die Rede.
Erfolgreiche Abkommen?
Der Rückgang der Zahlen ist laut Frontex vor allem auf einen Einbruch der Ankünfte über das zentrale Mittelmeer und die westlichen Balkanrouten zurückzuführen. 2024 kamen 59 Prozent weniger Menschen über das Mittelmeer nach Europa (in absoluten Zahlen waren es 66.766 Menschen), auf der Balkanroute betrug der Einbruch sogar 78 Prozent (in absoluten Zahlen 21.580 Menschen).
Die FAZ zitiert den Exekutivdirektor von Frontex, Hans Leijtens, der besonders das Abkommen mit Tunesien als wichtigen Faktor für den Rückgang auf der zentralen Mittelmeerroute nennt. 2023 schloss die EU ein Abkommen zur Eindämmung von Migration und dem Schlepperwesen mit Tunesien, das etwa die Unterstützung der tunesischen Küstenwache vorsah. Die Zusammenarbeit ist umstritten, dem tunesischen Präsidenten Kaïs Saïed werden schwere Menschenrechtsverstöße vorgeworfen.
Den Rückgang auf der Westbalkanroute führt der Frontex-Direktor auf die verschärfte Visumpolitik zurück. So hat etwa Serbien eine Visapflicht für indische Staatsbürger eingeführt, die zuvor ohne Visum nach Serbien einreisen durften, und auf dem Landweg weiter in die EU gelangt sind. 2022 waren Inder überraschenderweise die zweitgrößte Gruppe Asylansuchender in Österreich.
Migrationsexpertin Judith Kohlenberger von der WU Wien gibt zu bedenken, dass sich durch das Abkommen mit Tunesien "das Sterben vom Mittelmeer in die Sahara verlagert hat." Im Vorjahr wurde dokumentiert, dass die tunesische Polizei Migranten zwar davon abhält, auf Booten Richtung Europa abzulegen, diese jedoch in abgelegene Wüstengegenden aussetzt. Ähnlich habe nicht nur die geänderte Visapolitik Serbiens zum Rückgang der Zahlen beigetragen, so Kohlenberger, "sondern auch das repressive Vorgehen der serbischen Grenzpolizei."
Mehr Flüchtlinge auf Atlantik-Route
Gestiegen sind hingegen die Ankünfte von Menschen über die westafrikanische Route: Die Kanarischen Inseln verzeichneten einen Anstieg der Ankünfte um 18 Prozent auf fast 47.000, die höchste Zahl seit Beginn der Datenerfassung durch Frontex im Jahr 2009.