Kollegin auf OP-Tisch festgebunden: Freisprüche für 4 Pfleger
Der Prozess gegen vier Krankenpfleger, die eine Arbeitskollegin Ende Februar 2023 im Landeskrankenhaus Hall in Tirol auf einem Operationstisch fixiert und dort rund 15 Minuten festgehalten haben sollen, sind am Donnerstag am Landesgericht Innsbruck vier Freisprüche ergangen.
Im Zweifel sei zugunsten der Angeklagten entschieden worden, sagte Richter Paul Menardi. Diese hatten sich wegen Freiheitsentziehung, schwerer Nötigung und schwerer Körperverletzung verantworten müssen. Die in Frage stehende Übung mitsamt der Fixierung mache an sich Sinn, führte Menardi in der Urteilsbegründung aus. Das Opfer habe sich zudem freiwillig auf den Operationstisch begeben.
"Nicht jede Sauerei ist strafrechtlich relevant"
Die Angeklagten seien daher zu Beginn zu Recht von der Einwilligung der Frau ausgegangen. Diese habe sie zwar in weiterer Folge widerrufen, jedoch sei nicht klar, auf welche Weise sie dies getan habe. „Dass sie es von Anfang an sagte, dass sie es nicht will, lässt sich nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen“, sagte der Richter. „Es war eine Sauerei, aber nicht jede Sauerei ist strafrechtlich relevant“, schloss Menardi.
Operation geübt - Situation entglitten
Bereits am ersten Verhandlungstag Anfang Juni hatten die Pfleger und deren Verteidiger auf „nicht schuldig“ plädiert. Damals gaben die Anwälte der vier Beschuldigten an, dass im Vorfeld besprochen worden sei, eine "komplexe Operation, beziehungsweise die damit verbundene Lagerung üben zu müssen". Von einem "bewussten, geplanten Zusammenwirken" oder gar einer strafrechtlich relevanten Tat könne damit auch gar keine Rede sein.
Die Frau habe jedenfalls gewusst "dass diese Operation geübt werden muss", führte damals auch der Erstangeklagte in seiner Einvernahme aus. Es habe zudem eine "heitere, ausgelassene Stimmung geherrscht", die erst dann gekippt sei, als Fotos von dem mutmaßlichen Opfer in der knienden Position angefertigt worden seien. Ein Angeklagter räumte ein, dass die Situation entglitten sei und die Aktion "überschießend" gewesen sein könnte.
Die Staatsanwältin betonte hingegen, dass die Frau mehrmals gesagt habe, dass man sie losbinden solle. Die psychiatrische Sachverständige Gabriele Wörgötter attestierte ihr darüber hinaus eine "Anpassungsstörung" und hielt fest: "Fakt ist, dass die Frau vorher gesund genug war, um ihren Alltag und Beruf problemlos zu bewältigen". Nun sei sie "vorerst arbeitsunfähig", habe Angst und leide unter einer depressiven Störung.
Dass, wie bereits im Juni thematisiert, zuvor aber ein kollegiales und zum Teil sehr lockeres Verhältnis zwischen den vier Angeklagten und dem mutmaßlichen Opfer vorherrschte, kam auch am nunmehrigen zweiten Verhandlungstag wieder zur Sprache. "Sie haben sehr oft miteinander Späße gemacht", erklärte eine als Zeugin einvernommene Reinigungskraft, die das Geschehen im Operationssaal zuerst durch ein Fenster beobachtet hatte. Sie und ihr Nichterscheinen war übrigens ausschlaggebend dafür, dass der an sich für September angesetzte zweite Verhandlungstag auf Oktober verschoben wurde.
"Ich hörte zuerst von allen Beteiligten lautes Lachen", sagte die Zeugin zu Richter Paul Menardi. Im Operationssaal, in dem sich später schließlich befand, habe sich die Stimmung dann aber geändert: "Sie hat nicht mehr gelacht und wollte schließlich den Hüftgurt lösen." Begleitet worden seien diese Versuche mit ihrer Äußerung "Ich kann nicht, ich kann nicht". Dennoch habe sie nicht gedacht, dass die Frau wirklich in Not war: "Sie hat nicht geschrien und auch nicht um Hilfe gerufen".
"Wollte nur noch weg"
Dem widersprach die Frau in ihrer kontradiktorischen Einvernahme vehement. "Ich habe geschrien und wollte ab einem gewissen Punkt einfach nur noch weg", erklärte sie. Für sie sei es außerdem "zu überhaupt keinem Zeitpunkt ein Spaß gewesen". Ursprünglich sei sie zwar "durchaus freiwillig" auf den OP-Tisch gestiegen, weil sie ihren Ex-Kollegen glaubte, dass sie die spezielle Lagerung für eine anstehende Operation tatsächlich "üben müssen", habe dann aber rasch bemerkt, dass man "mich verarscht".
Gekippt sei die Situation schließlich endgültig, als Fotos von ihr gemacht worden sind und ihre Hose "bemalt" wurde. "Das war alles einfach so entwürdigend", gab das mutmaßliche Opfer unter Tränen zu Protokoll.
Besonders die "Kombination von Fixierung, Fotos und Bemalung der Hose" sei für sie besonders schlimm und belastend gewesen. Auch sei eine solche Übung in dieser Form gar nicht üblich: "Man übt zwar natürlich Positionen und Lagerungen, aber dann gibt es keine Fixierung und es sind Vorgesetzte mit dabei".
Befragt nach einem teils "allzu heiteren Umgang" mit ihren Kollegen und einem etwaigen "rauen und derben Humor" ihrerseits führte sie aus, dass es lediglich harmlose Scherze und unschuldige Neckereien gegeben habe. "Derbe Witze" habe es hingegen nie gegeben, außerdem könne keine Rede davon sein, dass sie einem Kollegen - wie von einem von diesen angegeben - in den Schritt gefasst oder ihm eine Massage angeboten habe.
Die vier Angeklagten im Alter von 48, 45, 50 und 31 Jahren sollen laut Staatsanwaltschaft im Februar letzten Jahres ihre Arbeitskollegin unter dem Vorwand, die Lagerung für eine Operation zu üben, bäuchlings kniend mit gespreizten Beinen mit Klettgurten auf einem OP-Tisch festgebunden haben. Trotz ihrer wiederholten Aufforderung sie loszumachen, soll sie erst losgebunden worden sein, nachdem der Drittangeklagte mit einem Edding-Stift einen Anus und eine Vagina auf ihre Arbeitshose aufgezeichnet hatte. Der Zweit- und der Viertangeklagte sollen zudem währenddessen von der Frau Fotos in dieser Position angefertigt haben.
Die vier nach dem Vorfall suspendierten Mitarbeiter hatten ursprünglich angegeben, dass es sich um einen "Scherz" gehandelt habe. Die Verhandlung ist noch bis 18.00 Uhr anberaumt.
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