Libellen: Wo die schillernden Insekten hinsteuern

Die Südliche Mosaikjungfer leidet unter dem Klimawandel.
Libellen sind Akrobaten der Lüfte. Mit zwei unabhängig voneinander beweglichen Flügelpaaren können sie Geschwindigkeiten bis zu 40 km/h erreichen, die Richtung abrupt ändern, rückwärts fliegen oder still schwebend verharren. Kleinlibellen verfügen – anders als Große – zudem über ein Gelenk am Körper, das die Tragflächen bei Bedarf nach hinten klappt. Das feine Geäder ist übrigens individuell wie ein Fingerabdruck.
„In Österreich gibt es aktuell 78 Libellenarten, zwei davon lassen sich im Sonnenschein auch bei niedrigen Temperaturen blicken. Sie überwintern als geschlechtsreifes Insekt“, sagt Andreas Chovanec. Seine Begeisterung für die Sympathieträger und seine Expertise bringt er als Präsident in die Österreichische Gesellschaft für Entomofaunistik, ÖGEF, ein. Der Verein, der sich der Erforschung von Insekten in bestimmten Ökosystemen verschrieben hat, feiert dieser Tage sein 25-jähriges Bestehen. Dabei zählen Libellen hinter u.a. Schmetterlingen und Käfern bei den Publikationen zu den Top 10 Themen.

Eine Gemeine Winterlibelle sitzt gut getarnt auf einem Stängel.
Zwei heimische Libellenarten sind winterhart
„Die Gemeine Winterlibelle hat ein Frostschutzmittel im Blut. An warmen Tagen taut sie auf und macht sich auf die Jagd“, beschreibt Chovanec die Besonderheit der vergleichsweise häufigen Art. Wie alle anderen heimischen Odonata reagiert der schlanke Überflieger höchst sensibel auf Umwelteinflüsse. Befindet sich ein Gewässer in gutem Zustand, siedeln sich die Bioindikatoren bunt und zahlreich an. Naturferne Lebensräume dagegen meiden sie.
Nicht nur Wasserqualität, Verbauung bzw. Rückbau beeinflussen das Gleichgewicht im Ökosystem, auch der Klimawandel sorgt laufend für Verschiebungen. Während die Westliche Keiljungfer vor 25 Jahren nur um die Bodensee heimisch war, vergräbt die gelb-schwarze Großlibelle nun ihre Eier auch im Sediment oberösterreichischer Fließgewässer.
Das hellblaue Saphierauge wiederum, dessen Larven sich von kleinen Wassertieren ernähren, kam Hierzulande zunächst nur äußerst selten vor. Mittlerweile sind die gestreiften Sechsfüßer in den Monaten Juni bis September weit verbreitet unterwegs.
Insekten sind die artenreichste Tiergruppe auf dem blauen Planeten. Derzeit ist etwa eine Million Kerfen bekannt, das entspricht mehr als 60 Prozent aller Spezies. Libellen machen mit 6.403 global erfassten Arten nur eine kleine Gruppe aus.
In Österreich sind geschätzt 40.000 Insektenarten heimisch. Je rund 10.000 zählen zu den Fliegen und Mücken und den Hautflüglern (inkl. 700 Wildbienen-Arten). Es folgen Käfer und Falter mit jeweils mehreren tausend Vertretern. Immerhin rund 345 Insektenarten leben ausschließlich zwischen Boden- und Neusiedler See.
Im Verein ÖGEF arbeiten auch nicht-professionelle Mitglieder
„Wir wissen viel zu wenig darüber, wie sich der Klimawandel auf die Fauna auswirkt“, sagt Chovanec und begrüßt die Mitarbeit nicht-professioneller Taxonomen, die den Verein bei der Neubeschreibung von Arten und bei der Dokumentation bekannter seit Anbeginn unterstützen.
Fest steht, dass Tiere, die jetzt häufiger in Österreich gesichtet werden, nicht automatisch Gewinner der Erderwärmung und deren Folgen sind. Manche Art erweitert durch Wanderschaft ihr Habitat Richtung Norden.
Die Österreichische Gesellschaft für Entomofaunistik (www.oegef.at) ist ein gemeinnütziger Verein, der Insekten und deren Lebensräume wissenschaftlich erforscht und aktiv schützt.
Jährlich beschreibt die ÖGEF etwa 18 neue Arten für Österreich, 60 Prozent tragen Nicht-Profis bei.
Durch Öffentlichkeitsarbeit soll das Verständnis für diese Tiergruppe verstärkt werden; die Zeitschrift „Beiträge zur Entomofaunistik“, eine Buchreihe, ein Fachblatt für Ameisenkunde sowie Vorträge, Symposien und Exkursionen helfen dabei.
Die Zusammenarbeit mit anderen insektenkundlichen Organisationen sowie dem Naturhistorischen Museum Wien ist eng. Heuer feiert die ÖGEF ihr 25-jähriges Bestehen. Neue Mitglieder sind willkommen.
Ohne ausreichend Niederschlag verliert etwa die Südliche Mosaikjungfer in ihrer angestammten Heimat den Wettlauf gegen die Zeit. Trocknen Gewässer im Jahreslauf früh aus, kann sich die blau-schwarz gemusterte Edellibelle nicht vollständig vom Ei über die Larve zur Imago entwickeln. Die Südliche Binsenjungfer ist so auf der Roten Liste der Libellen als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft. Arten, die auf Moore angewiesen sind, schwinden mit den Feuchtwiesen. Sie sind klare Verlierer des Klimawandels.
Offen ist, welche Rolle der Klimawandel und invasive Arten spielen
„Die ÖGEF hilft dabei, zunehmend Wissen über die Biodiversität zu bekommen“, sagt Chovanec und hebt die Funktion des Vereins als Bindeglied zwischen akademischen und nicht akademischen Insektenkundlern hervor. Doch es gibt noch viel zu tun. Offen ist etwa die Frage, welche Rolle invasive Arten spielen.

Die Grüne Flussjungfer konnte sich erholen.
Die ungebetenen Gäste, die aufgrund der milden Winter nun ständig zwischen Boden- und Neusiedler See leben, könnten bei der Aufteilung von Ressourcen ortsansässige Libellenarten bzw. -individuen verdrängen. Es geht um Nahrung, Eiablagemöglichkeiten und Plätze in der Sonne.
Die Gemeine Winterlibelle nützt jetzt jeden wärmenden Strahl. Gut getarnt sitzt sie am stehenden Gewässer und wartet als erwachsenes Insekt auf den Frühling. Ein Startvorteil. Die Konkurrenz muss sich im kommenden März erst zur Imago entwickeln, um den Kreislauf der Natur in Gang zu halten.
Kommentare