Auf der Suche nach einer Koalition: Parteichefs zum Rapport beim Bundespräsidenten
"Ich will Klarheit für Österreich." Alexander van der Bellen hat nach der Nationalratswahl vorerst keiner Partei einen Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Mit der FPÖ habe es einen Wahlsieger gegeben, mit dem offenbar keine der anderen Parteien regieren wolle, so der Bundespräsident: "Meine Damen und Herren, eine klassische Pattsituation."
Sondierungsgespräche, die von vornherein zum Scheitern verurteilt seien, würden das Land nicht weiterbringen, darum erteilte van der Bellen den Chefs der drei stimmenstärksten Parteien den Auftrag, im Vorfeld "verlässlich zu klären", welche Zusammenarbeit vorstellbar wäre.
Die Gespräche haben mittlerweile stattgefunden, das Patt ist geblieben. Heute, Montag, findet der nächste Akt der Regierungsfindung in der Hofburg statt und wird in drei Szenen ausgespielt. Der Bundespräsident empfängt getrennt die Vorsitzenden von FPÖ, ÖVP und SPÖ, um auszuloten, wie eine künftige Koalition aussehen könnte. Den Auftakt macht der Chef der Freiheitlichen, Herbert Kickl um 13:30 Uhr, gefolgt von ÖVP-Obmann Karl Nehammer um 15:00 Uhr. Den Abschluss macht SPÖ-Chef Andreas Babler um 16:30 Uhr.
Viel schlauer dürfte man seit den bilateralen Gesprächen jedoch nicht geworden sein. Nehammer und Babler wollen unverändert nicht mit Kickl koalieren. Somit kommt eigentlich nur eine Zusammenarbeit zwischen Volkspartei und Sozialdemokraten in Frage.
Um eine bequeme Mehrheit im Nationalrat zu haben, bräuchten ÖVP und SPÖ einen dritten Partner, denn sie haben künftig gemeinsam nur 92 der 183 Mandate im Nationalrat. Die besseren Karten haben dabei aus jetziger Sicht die Neos. Die Partei stünde bereit, kündigte Parteichefin Beate Meinl-Reisinger mit den Worten "Wir können, aber wir müssen nicht" an. Ob ÖVP und SPÖ die Neos als dritten Partner in eine Koalition holen, sei deren Entscheidung: "Aber es ist die Chance, Reformen auf breiterer Basis anzugehen."
Van der Bellen muss sich heute überlegen, ob er diesmal einen Regierungsbildungsauftrag erteilt oder erneut zu Parteigesprächen bittet. Dass sich der Bundespräsident diesbezüglich bereits heute Montag äußert, ist eher unwahrscheinlich.
Mit FPÖ "kein demokratischer Staat zu machen"
Am Freitag fand das Treffen zwischen FPÖ-Chef Herbert Kickl und SPÖ-Parteivorsitzendem Andreas Babler statt. Annäherung brachte es keine. Babler schloss im Anschluss einmal mehr eine Koalition mit den Freiheitlichen kategorisch aus. Das knapp 30-minütige Gespräch habe weder seine Meinung noch die Meinung seiner Partei zu Kickl und zur FPÖ geändert, stellte der SPÖ-Chef fest. Diese lautet: Mit der gesamten FPÖ, unabhängig von der Person Herbert Kickl, sei "kein demokratischer Staat zu machen". "An dem Tag, an dem eine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ vorstellbar wäre, wäre die FPÖ nicht mehr die FPÖ", so Babler.
Die FPÖ sieht’s gelassen: "Wir hatten keine Erwartungen an das Gespräch und er hat uns darin nicht enttäuscht", so Generalsekretär Michael Schnedlitz.
Blaue Hand zur ÖVP bleibt ausgestreckt
Bereits am Dienstag trafen ÖVP-Chef Karl Nehammer und FPÖ-Chef Kickl aufeinander. Einmal mehr betonte der ÖVP-Parteichef danach, dass sich an seiner Haltung gegenüber Kickl auch nach der Wahl nichts geändert habe. "Ich werde als Bundeskanzler genauso wenig wie als Bundesparteiobmann den Steigbügelhalter für Herbert Kickl machen". Das sei "keine Frage der Sympathie zwischen uns beiden, es ist nicht die Frage, ob der eine den anderen mag". Es gehe um die Frage "des politischen Tuns", und da habe Kickl in der Vergangenheit oft bewiesen, "dass er nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen", sagte Nehammer, und führte dessen Auftreten während der Covid-19-Pandemie ins Treffen.
Kickl kritisierte tags darauf, dass ein noch immer "beleidigter" Nehammer dieselbe "Wahlkampfrhetorik" verwende wie vor der Wahl, betonte aber: "Unsere Hand bleibt ausgestreckt." Denn inhaltliche gebe es viele Schnittmengen mit der ÖVP, so Kickl.
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