Zeit für schwarze Selbstreflexion

Chancellor and head of Peoples Party Karl Nehammer leaves after a meeting with Austrian President Alexander Van der Bellen in Vienna
Die beiden künftigen „großen“ Koalitionsparteien sind in einem eher deplorablen Zustand. Der Neustart wird schwer
Martina Salomon

Martina Salomon

Die Verhandlungsteams stehen. Die FPÖ wird nicht mitregieren, Grün wohl eher auch nicht. Am Montag sind die Parteichefs wieder in der Hofburg zum Rapport. Nicht wirklich nötig, weil ohnehin alles auf Schwarz-Rot-Pink hinausläuft. Also „alles gut“, wie so gerne (und so inflationär) gesagt wird?

Eher nicht. Rot und Schwarz sind in einem deplorablen Zustand. Die SPÖ, weil man Andreas Babler auch parteiintern für den Falschen an der Spitze hält. Die ÖVP, weil sie jede Kontur verloren hat und in ihrer Kernkompetenz – der Wirtschaft – versagt hat. Ja, man kann sich natürlich auf die extraordinären Zeiten (Pandemie! Krieg samt Energiekrise! Hochwasser!) und auf einen Koalitionspartner ausreden, der Vernünftiges torpediert hat. Aber die Bilanz ist dennoch traurig.

Daher wäre es auch für die Kanzlerpartei hoch an der Zeit für Selbstreflexion. Der Teuerungsausgleich hat zwar die Kaufkraft erhalten, aber die Inflation zu stark befeuert, wir befinden uns in einer gefährlichen Wirtschaftsflaute. Und nun sind auch die Schulden höher, als die Maastricht-Kriterien erlauben, während sich Mr. Nice Guy Magnus Brunner nach Brüssel verabschiedet. Natürlich ist an dieser Misere unter anderem auch der stotternde deutsche Wirtschaftsmotor samt dem Abwürgen der Auto(zuliefer)industrie schuld, aber nicht nur. Österreich ist ein Magnet für Sozialhilfebezieher, aber immer weniger für Leistungsträger. Ja, daran sind auch EU und EuGH schuld (zuletzt mit einem skandalösen Urteil, das quasi allen Afghanen automatisch Asyl schenkt, es müssen nur die Frauen zuerst kommen). Aber es gibt auch Integrationsversagen. Das sollte die Bundesregierung (und auch ruhig das Wiener Rathaus) zugeben: Das Wegschauen wurde als Toleranz kaschiert, während sich islamistische Ideologien, Randale und Überforderung im Bildungswesen ausbreiten. Man jubelt darüber, dass wenigstens ein Drittel der nach Österreich geflüchteten Ukrainer arbeitet. Aber in Großbritannien oder den Niederlande sind es über 50 Prozent. Da läuft so viel schief!

Die Kanzlerpartei muss auch klar machen, dass sie das Signal der Wähler verstanden hat, die Herbert Kickl zur Nummer eins gemacht haben. Gleichzeitig sollte die ÖVP plausibel erklären, warum sie die (Russland-freundliche, Verschwörungstheorie-affine und viel zu aggressive) FPÖ für weniger regierungsfähig hält als die Babler-SPÖ, die ihrerseits irre(ale) Forderungen wie die 32-Stunden-Woche und neue Steuerfantasien schleunigst einpacken müsste.

Die nächste Koalition muss den Menschen Hoffnung geben – und gleichzeitig die Wahrheit sagen: Ein Sozialparadies wie unseres kann nur durch Leistung finanziert werden. Der Sozialpopulismus der abgehenden Regierung ist abgewählt worden. Wissen das eh alle Beteiligten?

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