Selbstversuch: Was passiert, wenn man sich auf eMail-Betrüger einlässt

Symbolbild
"Liebe Elisabeth, danke, dass du mir helfen willst. Liebe Grüße, Werner."
Höflich und in gutem Deutsch formuliert, landete jüngst diese eMail im Postfach. Allerdings hat die Sache einen Haken: Im Bekannten-, Verwandten- und Freundeskreis gibt es niemanden namens "Werner".

Der angebliche "Werner" braucht Geld
Für die Polizei ist "Werner" dagegen kein Unbekannter, auch wenn er real gar nicht existiert: Hinter dem vermeintlichen Bekannten in angeblicher Notlage steckt eine der vielen Betrugsmaschen, die via eMail oder Whatsapp-Nachrichten Geld herauslocken wollen.
Unter Phishing oder Love Scams ist diese Form des (Internet)Betruges bekannt. "Am besten ist es, auf so ein Mail gar nicht zu reagieren und schon gar nicht auf irgendwelche Links zu klicken", betont Fritz Grundnig, Sprecher der Landespolizeidirektion Steiermark.
Email-Betrug: Antwort an "Werner"
Die KURIER-Redakteurin konnte aber nicht widerstehen und ließ sich auf eine Konversation mit dem armen Mann ein, der klagte, dass er in Indien sei und seine Tasche verloren habe: "Da war alles drin, was ich täglich brauche: Reisepass, Krankenkassenkarte, Ausweis und eine VISA-Karte."
Sie ahnen, was nun kommt?
"Ich wollte dich fragen, ob du mir 900 Euro leihen kannst. Ich warte auf deine Antwort."
Wie gelangen aber Betrüger, die oftmals auch in Callcentern im Ausland sitzen, an die Mailadressen ihrer potenziellen Opfer?
Email-Adressen im Darknet verkauft
Einfacher als gedacht, warnt die Exekutive: Wer sich in sozialen Medien anmeldet, gibt dort eine eMail-Adresse preis. Wer an Gewinnspielen teilnimmt oder für einen Newsletter anmeldet, ebenso.
Betrüger können diese Daten absaugen, die auch im Darknet verkauft werden. Die Mailadresse einer Journalistin ist berufsbedingt verbreitet.

"Werners" Mail
Scam erkennen: Ein einziger Buchstabe
Der Absender in "Werners" Bettelpost war zudem gut imitiert: Es existiert tatsächlich ein Werner H., der ab und an (ernst gemeinte) Presseaussendungen verschickt. Allerdings gibt es einen Unterschied in der Mailadresse, der so winzig ist, dass er nicht auffällt, ohne bewusst danach zu suchen – ein einziger Buchstabe war im Scam-Mail anders. Dessen Betreff ("Reise") war so harmlos, dass das betrügerische Mail durch den Spamfilter rutschte.
Aber zurück zu "Werner", der nur auf eine mitfühlende „Wie konnte das denn passieren?“-Reaktion aus Österreich gewartet zu haben schien. Nach dem höflichen "Danke" kam er direkt zur Sache: "Moneygram ist die beste Möglichkeit. Das versendete Geld wird bei einer Moneygram-Agentur in bar eingezahlt."
Und wiederholte, er brauche 900 Euro.
Das wäre deutlich mehr als die durchschnittliche Schadenssumme von 400 Euro, die bei Love-Scams verursacht werden, wie eine Studie des Kuratoriums für Verkehrssicherheit im Vorjahr ergab: Demnach haben rund 350.000 Österreicherinnen und Österreicher schon einmal Geld an solche Betrüger überwiesen, 1,5 Millionen wurden zumindest einmal kontaktiert.
Von einer vermeintlichen Versandbenachrichtigung bis zum „Hallo, Mama“-Whatsapp am Mobiltelefon – die Methoden der Betrüger sind vielfältig.
Enkel-, Neffen-, Kindertrick: Ob mittels Textnachricht („Papa, ich habe mein Handy verloren“ ) oder Anruf von einem vermeintlichen nahen Verwandten („Ich hatte einen Unfall und brauche Geld“) – diese Betrugsversuche zielen auf emotionale Bindung der Opfer ab.
Love Scams: Die Täter nehmen meist über soziale Medien oder Mails Kontakt auf. Die Ausformung variiert. der Schmäh ist immer gleich: Erst wird virtuelle Freundschaft geschlossen, bald eine Beziehung vorgegaukelt – und letztlich Geld für eine Notlage verlangt, z. B. für eine Operation.
Offiziell anmutende Informationen: Wer bekommt nicht gern Geld von Behörden zurück? Diesen Hebel nützen Betrüger, wenn sie Nachrichten versenden, die angebliche Rückerstattungen von Finanzamt oder Krankenkasse ankündigen. Gleichzeitig fordern sie Bankdaten der Opfer an.
Gewinne: Auf gefälschten Profilen bekannter Firmen in sozialen Medien locken Betrüger mit Gewinnspielen oder Freikarten. Wer dort seine Kontodaten eingibt, hat aber verloren.
Angezeigt wird selten, oftmals auch aus Scham und meist erst bei Rekordschadenssummen wie etwa jener Pensionistin aus Niederösterreich, die 130.000 Euro verlor: Das Geld hat sie einem gewissen "Philippe" in Etappen überwiesen, aus Liebe und aus Einsamkeit.
Tatsächlich haben die Täter "am meisten Erfolg bei allein stehenden Personen, die froh über Kontakt sind“, bestätigt Polizeisprecher Fritz Grundnig.
Die Chance, Betrüger auszuforschen ist dagegen gering: "Wir können nur mit Prävention arbeiten und die Leute bitten, auf ihren Hausverstand zu setzen und solche Mails einfach zu löschen."
"Werner" meldet sich nicht (mehr)
"Werner" indes ist seit einiger Zeit schreibfaul. Vielleicht waren ihm die Fragen nach "Marie", seiner Frau, zu persönlich. Oder die nach seiner eigenen Kontonummer.
Wer jetzt glaubt, Betrüger ausgetrickst zu haben, irrt: "Jetzt wissen die Täter, dass die Mailadresse aktiv ist", warnt Polizist Grundnig.
Der nächste "Werner" kommt bestimmt.
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