„Migration“
Die neuen Aktionäre müssen sich einem Eigentümerkontrollverfahren bei der Finanzmarktaufsicht unterziehen, auch die Wettbewerbsbehörde muss zustimmen. Babayev hat schon vor einigen Monaten mit Bank-Austria-Vertretern bei der FMA vorgesprochen, diese will dazu keinen Kommentar abgeben.
Der Deal ist allerdings umstritten. Der dritte Aktionär, die AVZ Stiftung der Stadt Wien (ein Relikt der Bank-Austria-Vorgängerin Zentralsparkasse), stimmte gegen die Übertragung des Kartenportfolios, die im Hauptversammlungsprotokoll „Migration“ bezeichnet wird. Auch der Betriebsrat sprach sich im Aufsichtsrat dagegen aus.
Bank Austria und RBI dürften ziemlich kostengünstig zum Karten-Portfolio kommen, das sie selbst über ihre Kunden an Card Complete vermittelt haben. Kolportiert werden rund 9 Millionen Euro.
Zweifel an Bewertung
Die AVZ zweifelt, wie man hört, die gutachterliche Bewertung des Portfolios als zu tief gegriffen an. Die Bandbreite für den Marktwert einer Kreditkarte reicht laut Branchenexperten von 10 bis 100 Euro, hier blieb man offenbar am unteren Ende der Skala.
Babayev soll inzwischen den Kaufpreis für das restliche Unternehmen kräftig nach unten gedrückt haben. Die Verhandlungen dürften mit einer Bandbreite zwischen 70 und 80 Millionen begonnen haben, derzeit liege man zwischen 50 und 60 Millionen. Fünf Jahre schon wurden Käufer sondiert, einst wurde die Card-Complete-Gruppe auf 250 bis 300 Millionen Euro geschätzt.
Babayev ist der einzige Interessent für ein Gesamtgebot. Sein Fintech hat ein Abwicklungssystem für das Geschäft mit Kreditkarten entwickelt. Worst Case wäre eine Abwicklung des vor knapp 40 Jahren gegründeten Unternehmens, was aber keiner der Beteiligten will.
Die AVZ möchte jedenfalls im Unternehmen verbleiben. Läuft der Verkauf an Babyev wie geplant, würde die Stiftung ihren Anteil leicht auf 27 bis 28 Prozent erhöhen.
Auf der Hauptversammlung wurden sicherheitshalber außerdem Kapitalmaßnahmen beschlossen. Diese sind erforderlich, damit Card Complete die Eigenkapitalauflagen für Basel IV erfüllen kann, und die Kosten der „Migration“ gedeckt werden. Die finale Aktionärsversammlung ist für Anfang Dezember angesetzt.
Im Unternehmen hat sich ein Investitionsstau gebildet, vor allem im IT-Bereich. Die Bank-Aktionäre hätten es bewusst heruntergespart, wird in der Belegschaft kritisiert. Fragt sich, ob das Geschäftsmodell noch tragfähig ist. Für die Infrastruktur gibt es spezialisierte große Anbieter, die Kartenausgabe machen die meisten Banken heute selbst.
Man wolle das eigene Kreditkarten-Issuing (Ausgabe) aufbauen und ein zentralisiertes Angebot innerhalb der Raiffeisen Bankengruppe an bieten, erklärte die RBI gegenüber dem KURIER. Die Bank Austria prüft „verschiedene Optionen, um unser Produkt- und Dienstleistungsangebot zu verbessern“.
andrea.hodoschek@kurier.at
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