Putin und Xi basteln eine neue Weltordnung - Erdoğan will mitmachen

Putin und Xi basteln eine neue Weltordnung - Erdoğan will mitmachen
Die Türkei ist beleidigt auf die EU und flirtet jetzt mit BRICS, einer Art Gruppentherapie für Autokraten.
Wolfgang Unterhuber

Wolfgang Unterhuber

Für den türkischen Präsidenten Recep T. Erdoğan verlaufen diese Tage durchaus gut. Am Samstag besuchte ihn der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz – der stellte ihm Waffenlieferungen in Aussicht. Zu Wochenbeginn dann verstarb Fethullah Gülen im US-Exil  – Gülen und Erdoğan waren einst Spießgesellen gewesen, später wurden sie Erzfeinde. 

Ob der „Lauf“ für Erdoğan so weiter geht, hängt von seiner Reise zum Gipfel der BRICS-Staaten im russischen Kasan ab. Erdoğan hat Interesse an einem Beitritt seines Landes zur Runde bekundet. Das hat Gewicht. Denn die Türkei ist NATO-Mitglied. 

BRICS, benannt nach den Gründungsmitgliedern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, ist ein lockerer Staatenbund, dem zuletzt Ägypten, Äthiopien, der Iran und die Vereinigten Arabischen Emirate beitraten. Es gibt jedoch keine militärischen, politischen oder ökonomischen Abkommen.

In der Substanz ist BRICS nicht mit Runden wie den G-7 zu vergleichen, bei denen demokratisch gleichgesinnte Staats- und Regierungschefs ihre Wirtschaftspolitik strategisch aufeinander abstimmen. Im Unterschied dazu handelt es sich bei  BRICS um eine Art Gruppentherapie für Autokraten mit  Hang zum Größenwahn.

Gemeinsam ist allen Potentaten der Neid auf die globale ökonomische Macht der USA. Ansonsten verfolgen sie ihre eigenen Ziele. China versucht, die BRICS-Staaten zu dominieren, was anderen Mitgliedern wie Indien und Russland sauer aufstößt. So bleiben von den BRICS-Treffen in der Regel nur pompöse, aber vage Erklärungen übrig. 

Erdoğan passt  eigentlich gut in diese Runde. Seit die Beitrittsverhandlungen mit der EU auf Eis liegen, versucht er sich als internationaler Machtpolitiker. Dabei tänzelt er gerne zwischen West und Ost. Beispiel: Die Türkei unterstützt die Ukraine, ist aber zugleich einer der größten Abnehmer russischen Rohöls.

Das außenpolitische Muskelspiel soll zudem von den internen ökonomischen Problemen ablenken. Denn da hat es Erdoğan lange Zeit ordentlich vergeigt. Sein Beharren auf der Niedrigzinspolitik ab 2021, obwohl weltweit der Inflationsdruck stieg, sorgte für eine gigantische Geldentwertung im Land. Aktuell liegt die Inflation bei knapp 50 Prozent.

Dass Erdoğan überhaupt Interesse an BRICS zeigt, hat mit seiner Frustration wegen der Beziehungen mit der EU zu tun. „Wenn ihr im Westen nicht mit mir  wollt, flirte ich halt mit den anderen“, will er damit sagen.

Der Westen sollte darauf nicht reinfallen. Wirtschaftlich gesehen würde ein BRICS-Beitritt der Türkei wenig bis gar nichts bringen. Mehr als 41 Prozent der türkischen Exporte gehen in die EU.  Erdoğan braucht also Europa. Und ob er wirklich Aufnahme im BRICS-Club findet, ist offen. 

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