Das Schönste an Ihrem Buch ist für mich: Sie nützen den Blick in die Vergangenheit nicht für so komische Ideen wie eine homogene nationale Identitätsgeschichte. Sondern Sie entdecken eine wunderbar bunte Truppe an Vorfahren in ganz Europa. Schön, oder?
Sehr sogar. Und überraschend. Ich wusste ja nicht, was mich erwartet, als ich den DNA-Test gemacht habe. Ich habe mich sehr über diese Mischung aus Skandinavisch, Niederländisch, Britisch, Balkan, Österreichisch, Italienisch gefreut. Irgendwie meine ich auch zu spüren, dass das alles in mir lebt und tobt und seine Berechtigung haben will.
Haben Sie einen historischen Lieblingsverwandten entdeckt, einen, mit dem Sie mal einen Kaffee trinken wollen würden?
Spannend sind die natürlich alle. Aber Edward VII. hätte ich schon gerne getroffen und mit ihm gesprochen, was er sich so gedacht hat.
Dass Sie also wirklich ein entfernter Royal sind, gibt Ihrem legendären Sketch als falsche Königin Beatrix einen ganz neuen Dreh, oder?
Ja, es ist ein bisschen verrückt, wie das jetzt in meine eigene Lebensgeschichte hineinpasst, als hätte dieses Puzzleteil noch gefehlt.
Sie sind damals, 1991, bei einem Besuch der echten Königin als diese verkleidet vorgefahren – und wurden einfach eingelassen. Das wäre heute doch undenkbar!
Das wäre absolut ausgeschlossen. Die Vorstellung, das heute noch mal zu machen – man würde wahrscheinlich tatsächlich sein Leben riskieren und nicht einmal in die Nähe des Präsidentenpalasts kommen. Das ist vielleicht auch gut so!
Man zweifelt, dass derart Anarchistisches heute auf Sendung gehen könnte. Wie, finden Sie, geht es denn dem Fernsehen?
Das Fernsehen hat natürlich sehr an Bedeutung verloren. Zu meinem großen Bedauern ist es eher etwas für die älteren Semester wie mich und darüber hinaus geworden. Die Jugend ist im Internet unterwegs, in den eigenen Echokammern, was die Gefahr birgt, dass man gar keinen Blick mehr hinaus in die Welt hat. Und das war das Fernsehen ja eigentlich immer: Der Blick hinaus in die Welt, auch der Blick in die Heimat. Das fehlt mir ehrlich gesagt ein bisschen.
Gerade der Humor ist eine heiß umkämpfte Front im Kulturkampf geworden. Es gibt Comedians, die davon leben, zu behaupten, dass sie mit ihren Pointen gegen Korrektheitsdiktate ankämpfen. Ist Humor wirklich eingeschränkter?
Der Humor ist schon eingeschränkter. Aber trotzdem muss Comedy auch immer an die Grenze gehen und manchmal auch über die Grenze hinaus. Die Comedybranche ist heute viel weiter gefasst – und wird dadurch skandalöser, lauter und schriller. Ob einem die Entwicklung gefällt, muss jeder für sich entscheiden. Aber ich denke, es wird irgendwann auch wieder zu einer gewissen Normalität zurückkehren, sodass dieses ganz Schrille und ganz Extreme vielleicht weniger wird.
Extrem giftig ist ja heute auch oft die Öffentlichkeit. Als Autor aber geben Sie wahnsinnig viel von sich preis. Sie haben im neuen Buch wieder über ein tragisches Ereignis in Ihrem Leben geschrieben. Ist man da nicht zögerlich?
In Interviews rede ich ja sehr selten über den Suizid meiner Mutter oder über das, was ich jetzt geschrieben habe (Kerkeling schrieb über den AIDS-Tod seiner ersten großen Liebe, Anm.). Als Autor versuche ich, den Leser 100 Seiten lang erst mal an meine Geschichte zu gewöhnen, bevor ich dann im Tête-à-Tête mit dem Leser ans Eingemachte gehe. Und zu diesem Zeitpunkt hoffe ich, dass der Leser schon Vertrauen zu mir gefasst hat und wir das quasi im Vier-Augen-Gespräch verhandeln. Dann habe ich nicht das Gefühl, dass ich zu viel von mir preisgebe. Ich habe bisher auch nicht den Eindruck, dass das von der Presse in irgendeiner Form wirklich negativ ausgeschlachtet wurde. Sondern ganz im Gegenteil, es fühlt sich mehr an, als würde diese Ehrlichkeit honoriert. Aber ich tue es auch auf die Gefahr hin, dass es negativ ausgeschlachtet werden könnte. Dann wäre es mir aber auch egal, weil es mir wichtig ist, diese Schicksalsschläge mit Menschen zu teilen. Ich bin ja nicht der Einzige, der solche Dinge erlebt hat.
Sie sind zuletzt zu einem eindringlichen Mahner geworden, vor einem Rechtsruck, wie wir ihn auch in Österreich erleben. Auch damit exponiert man sich. Zögert man da nicht auch?
An dem Gymnasium, an dem ich war, haben wir uns als Jugendliche immer gefragt: Was hätten wir denn getan, kurz bevor die Nazis an die Macht gekommen sind? Hätten wir uns gewehrt, hätten wir den Mund aufgemacht? Wir waren uns alle nicht sicher, ob wir nicht Mitläufer gewesen wären. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir an diesem Punkt stehen. Aber wir stehen an einem verwandten Punkt. Es entwickelt sich wirklich sehr ungut für die Demokratie, sowohl in Österreich als auch in Deutschland. Und dementsprechend habe ich mich dazu entschlossen, deutlich meine Meinung zu sagen und an die Menschen zu appellieren, dass Freiheit, Demokratie und Recht hohe Güter sind, die wir immer und zu jeder Zeit verteidigen müssen.
Freiheiten, die noch gar nicht lange etabliert sind – Sie sollen am Anfang Ihrer Karriere oft unglücklich gewesen sein, weil starker privater Druck auf Sie ausgeübt wurde.
Ach, unglücklich war ich nicht, es war schwierig. Es ist ja andererseits auch so, dass solche Herausforderungen eine Persönlichkeit prägen. Ich will jetzt nicht sagen, ich möchte das nicht missen, was ich erlebt habe, weil dazu war es zu negativ. Aber es hat andererseits natürlich auch meine Persönlichkeit geprägt, und ich wäre nicht der, der ich heute bin, ohne diese Erfahrungen, auch ohne die negativen Erfahrungen. Aber von Unglück würde ich nicht sprechen wollen.
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