In Deutschland wurde in den vergangenen Tagen intensiv darüber berichtet: In mehreren deutschen Städten wurden bei Abwasseranalysen Rückstände von Polioviren entdeckt.
Laut Robert Koch-Institut (RKI) wurde genetisches Virusmaterial bisher in Proben aus Klärwerken in insgesamt sieben Städten – darunter München, Bonn, Köln und Hamburg – gefunden.
In Österreich werden Abwässer nicht routinemäßig auf Polioviren getestet, sagte der Virologe Andreas Bergthaler von der MedUni Wienam Freitag im "Morgenjournal" auf Ö1. Allerdings: Würde man dies tun, würde man wohl fündig werden. "Ich gehe davon aus, dass man welche findet. Ich gehe nicht davon aus, dass Österreich da so viel anders ist als Deutschland", so der Virologe.
Virusreste sind Schluckimpfstoff-abgeleitete Polioviren
Vermutet wird, dass es sich bei den Erregerrückständen um Schluckimpfstoff-abgeleitete Polioviren handelt. Was heißt das? Bei den entdeckten Erregern handelt es sich nicht um den Wildtyp des Poliovirus, der das Krankheitsbild der Kinderlähmung (Poliomyelitis) verursacht. Gefunden wurden vielmehr alte Impfstämme.
Bis Ende der Neunziger wurde die Impfung gegen Polioviren in Deutschland und auch Österreich per Schluckimpfung verabreicht. Viele Menschen können sich noch daran erinnern: Der Impfstoff wurde auf ein Stück Zucker getropft und oral eingenommen. Damals wurden auf diese Weise abgeschwächte, vermehrungsfähige Lebendviren verabreicht. Heute wird in Österreich und ganz Europa ein anderer Impfstoff mit abgetöteten Erregern klassisch per Nadel injiziert.
In anderen Regionen der Welt, etwa in Asien oder Afrika, wird die – an sich hochwirksame – Schluckimpfung allerdings noch eingesetzt. "Sie ist sehr effektiv, jedoch können die abgeschwächten Impfviren wieder ausgeschieden werden und sich genetisch so verändern, dass sie andere Menschen infizieren und eine symptomatische Erkrankung hervorrufen können", heißt es vonseiten des RKI dazu. Die abgeschwächten Impfviren können von Geimpften bis zu sechs Wochen lang ausgeschieden und verbreitet werden.