Alle wollen alles am 23.: Ein Nobelbezirk rüstet sich fürs Weihnachtsessen
Das letzte Mal ausschlafen, konnte Pajo Babic vor drei Tagen. Seit Mittwoch läuft das Geschäft des Obst- und Gemüsehändlers schon auf Hochtouren. Die Schicht beginnt um halb drei Uhr morgens und endet um Mitternacht. Wochenende gibt es nicht – jedenfalls bis zu den Feiertagen. Alles für die Kundschaft, die zu Weihnachten frischen Vogerlsalat und Kipfler-Kartoffeln in rauen Mengen braucht. Vorbestellen müssen sie nichts. „Nach über zwanzig Jahren kennt man seine Kunden“, sagt Babic. In- und auswendig.
Die Verkaufsschlager am Sonnbergmarkt
Er verkauft seine Bio-Spezialitäten am Sonnbergmarkt in der Obkirchergasse in Wien, Döbling. Ein kleines Grätzl, wo Fisch, Fleisch, Gemüse und Delikatessen in höchster Qualität zu haben sind. Die Stammkunden wissen das und sind bereit, dafür Schlange zu stehen. „Der ärgste Tag ist der 23. Dezember“, verrät Vesna Micic vom Fleischhauer Sonnberg, der gleich am Markt anschließt. „Es bildet sich eine Kolonne noch bevor wir aufsperren.“
Pute, Ente, Rindslungenbraten und natürlich das Bio-Gansl vom Schinner-Bauern in Niederösterreich darf auf den Festtafeln nicht fehlen. 25,90 Euro kostet das Kilo, aber „so ein Gansl kann schon viereinhalb Kilo wiegen“, sagt Micic. Und für eine große Gruppe braucht man überhaupt gleich drei. „Zu Weihnachten spart keiner“, sagt sie und ergänzt, dass die hiesige Kundschaft generell nicht die sparsamste ist.
Unglaubliche 700 Vorbestellungen verbucht sie im diesjährigen Weihnachtsgeschäft – mindestens. Wobei sie auch immer Reserven hat, für Spätentschlossene, „die erst am 24. Dezember merken, dass ja heute Weihnachten ist.“ Danach ist die Theke aber leergeräumt.
Dieses Mitdenken für die Kundschaft kennt auch Georg Gutfleisch direkt gegenüber. Er verkauft seit 35 Jahren Fisch, Wild und Geflügel. Heuer überreichte er das Zepter an Ksenya Barajev, die aus einer Fischhandel-Familie stammt und zuvor in einem Geschäft in Kaisermühlen tätig war. „Die Kunden sind hier anders, aber kaufen tun sie alle das Gleiche“, spricht sie aus Erfahrung. Nämlich Karpfen, der lange Zeit rückläufig war, erinnert sich Gutfleisch.
Jetzt ist er wieder im Trend – aber entgrätet und „grundeln“ darf er natürlich auch nicht. Auch Thunfischsteaks, Saibling und Branzino sind beliebt, aber kommen nicht gegen den guten alten Kabeljau an. „Auf 600 Kilo Kabeljau kommen 50 Stück Wolfsbarsch“, sagt Gutfleisch und heißt eine Kundin mit Nachname und Titel willkommen, die gerade sein Geschäft betritt.
Fischbeuschel für den Heiligen Abend soll es sein. „Ich brauche da aber Ihren Rat dazu“, sagt sie, den sich auch direkt bekommt, Rezepttipps inklusive. Gekauft hat sie dann nichts. Sie soll zu Weihnachten wiederkommen. Dann ist für sie alles vorbereitet und die Wartezeit hält sich laut Gutfleisch auch in Grenzen. „Bei uns geht es schnell, maximal mit dreißig Minuten muss man am 24. Dezember rechnen.“
Für die reibungslose Abwicklung zieht die Kundschaft, wie bei der Post, Tickets. Das ist üblich hier und wird auch bei Haug Delikatessen so gehandhabt. 90 Tickets waren es im Vorjahr, berichtet Philipp Haug. Für heuer erwartet er einen ähnlichen Zustrom.
Ausgaben: Von sechs Euro bis zum Monatsgehalt
„Trüffel, Kaviar und Foie gras (Gänseleber, Anm.) sind die weihnachtliche Dreifaltigkeit der Delikatessen“, sagt Haug. Dazu ein Champagner, Cava und Crémant kauft hier kaum jemand. Der größte Renner ist seit einigen Jahren aber eine Süßspeise.
Der italienische Panettone. Nicht nur, weil er so schön verpackt ist und sich als Geschenk eignet, auch wegen seiner Vielseitigkeit. Es gibt ihn in Pistazie, Schokolade, Amarena, der klassische Christstollen kann mit seinen Rosinen da nicht mithalten. „Wir verkaufen sicher 300 Panettone in dieser Saison, aber nur 20 Christstollen“, sagt Haug. „Dabei haben wir einen extra Guten gefunden.“
Was ein durschnittlicher Einkauf im Delikatess-Laden kostet? „Wir haben Kunden, die zwei Baguettes um sechs Euro kaufen und dann gibt es welche, die lassen ein Monatsgehalt hier“, so der Inhaber.
Am Sonnbergmarkt läuft also das Geschäft. Um die Nachfrage zu bedienen, sind die Händler seit Tagen rund um die Uhr im Einsatz. „Wir müssen uns rüsten“, sagt Obst- und Gemüsehändler Pajo Babic. Schließlich würden die Kunden nicht nur für Weihnachten und Silvester einkaufen. Sondern auch für die Tage dazwischen. Selbst, wenn diese dann im Zweitwohnsitz verbracht werden.
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