Scheitert die Dreierkoalition noch? Bis in Abendstunden des Freitag steht es „Spitz auf Knopf“ zwischen ÖVP, SPÖ und Neos. Dann treten die Parteichefs nach einander vor die Presse und verkünden zumindest eine Einigung: Ein Konsolidierungspfad über sieben Jahre sei zwischen den Parteichefs fixiert worden, so Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger.
Ob dies im Rahmen eines EU-Defizitverfahrens geschehen wird oder nicht – das ist offen. Einig sind sich die Parteichefs von Türkis, Rot und Pink zudem ein Doppelbudget erstellen zu wollen (2025/2026) um das Milliardendefizit wieder in den Griff zu bekommen. Karl Nehammer spricht nach der Neos-Chefin und SPÖ-Chef Andreas Babler von einem notwendigen „Comeback für Österreich“ und davon, dass die Gespräche „sehr konstruktiv“ verlaufen seien und über das Wochenende weiterverhandelt werde. Kritische Punkte gibt es einige.
"Rote Linien" und Hanke versus Wrabetz
Zum Budget en detail: ÖVP und Neos sind bekanntlich gegen Vermögens- und Erbschaftssteuern. Die SPÖ hat sie quasi zur Koalitionsbedingung erklärt. Und trägt das medial so offensiv vor, dass man meinen könnte, die SPÖ sei im Vorwahlkampf. Wie das Lancieren einer Umfrage des parteinahen IFES-Instituts zeigt, wonach eine Mehrheit der Österreicher den Haushalt mit Vermögenssteuern sanieren wolle. Steuern für Vermögende sollten „die rote Linie aller Vernünftigen sein“, so auch die Dritte Nationalratspräsidentin Doris Bures im Standard. Oder „Erklärvideos“ zur Budgetsituation, die salopp bilanzieren: „Österreich geht pleite.“
Oberösterreichs SPÖ-Vorsitzender Alois Stöger fordert indes die ÖVP auf, 400.000 Euro Parteispenden von KTM-Chef Stefan Pierer an die Geschädigten der KTM-Insolvenz auszuzahlen.
Zu viel der Provokation?
Natürlich streite man auch, kalmiert ÖVP-Chef Karl Nehammer auf Ö1, aber: „Umso mehr jetzt die Konflikte ausgetragen und Lösungen gefunden werden, desto sicherer wird, dass die Regierung danach stabil arbeitet.“
So viel zu den offiziellen Wortspenden. Hinter den Kulissen berichtet die ÖVP, es mit „mehreren SPÖs“ zu tun zu haben. Da sei der enge Kreis rund um Andreas Babler, der links der Mitte versuche, ideologische Pflöcke einzuschlagen. Und da hätten die „gemäßigteren, vernünftigen Kräfte“ teils resigniert.
Einer davon: Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke.
„Er redet in den Verhandlungen gar nicht mehr mit“, heißt es. Den Grund dafür lieferte die Partei selbst. Von den kolportierten fünf Ministerposten, die der SPÖ zugebilligt werden, beanspruche die starke Wiener SPÖ zwei.
Das lehnten die anderen SPÖ-Länder ab. So fiel die Entscheidung zwischen Ex-ORF-Chef Alexander Wrabetz, der für die SPÖ u. a. Medien verhandelt, und Hanke auf ersteren – und damit das Animo des Finanzstadtrats, sich weiter einzubringen, in den Keller.
SPÖ sieht Machtkampf in der ÖVP
Die Erzählung von SPÖ-Verhandlern lautet so: Man habe sich in vielen Bereichen enorm kompromissbereit gezeigt, aber: „Die ÖVP ist nicht in der Realität angekommen.“ Das gelte vor allem fürs Budget. Der ÖVP-Wirtschaftsflügel beharre darauf, nur Ausgaben einzusparen und liefere hier keine konkreten, teils gar „absurde“ Vorschläge. Beispiel: Dass jeder dritte Lehrerposten nicht nachbesetzt werden soll. Die SPÖ-Interpretation: Nehammer stehe intern massiv unter Druck, es gebe einen Machtkampf um die Parteispitze.
Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer muss Forderungen der Unternehmer auch deshalb durchbringen, weil 2025 Wirtschaftskammerwahlen sind.
Für die Neos ist klar: Gehen sich keine großen Reformen aus, und dieses Szenario droht, zieht man den Gang in die Opposition vor. Im Gegensatz zu Nehammer und Babler würde Parteichefin Beate Meinl-Reisinger diesen Schritt politisch wohl überleben – eventuell sogar davon profitieren.
Der größte Profiteur eines Scheiterns, hier sind sich alle einig, wäre aber FPÖ-Chef Herbert Kickl. Innerhalb der FPÖ gibt man sich entspannt.
Das Gerücht, Kickl würde die Parteispitze verlassen, um eine FPÖ-ÖVP-Regierung mit Nehammer als Vizekanzler zu ermöglichen, wird von Freiheitlichen mit Lachen quittiert. Kickl sei der Garant, alle Wahlen zu gewinnen – und nichts garantiere der FPÖ, dass die ÖVP diesmal Wort halte. Alle erinnern sich an den Ibiza-Skandal und daran, dass die ÖVP Kickls Demission forderte. Man sei unter diesen Voraussetzungen nicht für Verhandlungen, sondern für Neuwahlen. Und die verheißen den Blauen 35 Prozent.
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