Die Zeitenwende in der Steiermark ist seit Donnerstagvormittag auch formell vollzogen, Mario Kunasek wurde von Bundespräsident Alexander Van der Bellen als Landeshauptmann angelobt.
Die erste blau-schwarze Koalition wird Donnerstagnachmittag dann auch bereits ihre erste Landesregierungssitzung abhalten.
Caritas-Chefin wird wachsam beobachten
Er wisse, dass "ganz Österreich auf diese Regierung blickt", hatte Kunasek nach seiner Wahl im Landtag betont. Vor allem Institutionen aus dem karitativen Bereich wollen ob des FPÖ-ÖVP-Regierungsprogramms wachsam sein: "In einigen Bereichen werden wir die nächsten Schritte sehr genau beobachten“, hält Nora Tödtling-Musenbichler, Präsidentin der Caritas Österreich und Caritasdirektorin in der Steiermark, fest.
Das betreffe vor allem Asyl und Integration, aber auch den Umgang mit armutsgefährdeten Menschen: "Die Wortwahl in manchen Kapiteln des Regierungsprogrammes macht mich betroffen. Der Fokus auf Maßnahmen gegen Sozialmissbrauch schürt Misstrauen und Skepsis gegenüber Armutsbetroffenen", kritisiert die Caritas-Chefin.
Die wichtigsten Punkte des Koalitionspaktes
Doch was steht nun in dem 130 Seiten dicken Arbeitsübereinkommen, dem FPÖ und ÖVP den Titel "Starke Steiermark. Sichere Zukunft" gaben? Der KURIER hat die wichtigsten Punkte.
Asylsystem: Anwesenheitskontrolle mit Fingerabdruck
Im Asylwesen planen FPÖ und ÖVP massive Änderungen:
- Die Grundversorgung soll an - eine erst zu errichtende - "Landesagentur" ausgelagert werden. Ziel ist laut Koalitionsprogramm, "möglichst geringe Kosten im Rahmen der Grundversorgung" zu haben.
- Heime für Asylwerberinnen und Asylwerber sollen mit Fingerabdruckscannern ausgestattet werden, das diene der "täglichen Anwesenheitskontrolle". Außerdem wird eine Art nächtliche Ausgangssperre geprüft, die als "Anwesenheitspflicht in Heimen zwischen 22 und 6 Uhr" umschrieben wird.
- Bei minderjährigen Geflüchteten soll es eine "medizinische Altersfeststellung" geben.
- Statt Bargeld ist eine "Bezahlkarte" vorgesehen - und das Verbot, in (billigeren) Sozialmärkten damit einzukaufen. Auch für den Kauf für Alkohol und Tabakwaren werde diese "Sachleistungskarte" gesperrt, heißt es.
Sozialsystem: Hilfe erst bei Mindestaufenthalt im Land
Auch Sozialleistungen sind in vielen Bereichen Landessache, an der Schraube will Blau-Schwarz ebenfalls drehen.
- Finanzielle Wohnunterstützung ist künftig an "Mindestaufenthalt, Deutschkenntnisse und Erwerb von Versicherungszeiten" geknüpft.
- Das Land will Programme zur "Integration von Asylwerbern" nicht fördern.
- Für den Bezug von Sozialhilfe werden Deutschkenntnisse zur Bedingung; wie genau das ablaufen soll, geht aus dem Koalitionspapier nicht hervor.
- Volle Sozialunterstützung soll nur erhalten, wer zumindest fünf Jahre legal im Land ist.
- Die Landesregierung plant einen "Erhebungsdienst zur Bekämpfung von Sozialbetrug".
- Die Höchstsätze der Sozialhilfe für "kinderreiche Familien" werden gesenkt.
Bildungssystem: Deutschpflicht im Schulhof
In den Schulen geht die Koalition den Weg über die Hausordnungen, um Deutschpflicht zu verankern.
- Ist Deutsch die allgemeine Unterrichtssprache, soll das "auch in den Pausen" so bleiben: Deutsch als Schulsprache soll in den jeweiligen Hausordnungen niedergeschrieben werden.
- Kinder, die im letzten Kindergartenjahr "mangelnde Sprachkenntnisse" zeigen, müssen ein "verpflichtendes Vorschuljahr zum Erlernen der Unterrichtssprache" absolvieren
Wohnsystem: Aus für die Leerstandsabgabe
Hier finden sich zahlreiche Überschriften ( z. B. Modell junges Wohnen Steiermark oder Bekenntnis zum Eigentum), aber nur wenige Details.
- Konkret ist Blau-Schwarz im Punkt der erst vor zwei Jahren von Schwarz-Rot eingeführten Leerstandsabgabe - sie wird wieder gestrichen.
- Die ebenfalls 2022 beschlossenen Zweitwohnsitzabgabe wird evaluiert
- Geprüft werden soll die "Wiedereinführung der Zweckwidmung von Wohnbaugeldern".
Landesabgabe: Zuschlag zur ORF-Gebühr wird gestrichen
- 4,70 Euro pro Monat zahlte bisher jeder steirische Haushalt zusätzlich zur Haushaltsabgabe von 15,30 Euro, die an den ORF fließt, als Landesabgabe. Sie wird gestrichen.
Gesundheitssystem: Stopp des Projekts Leitspital Liezen
Das Wahlkampfthema Leitspital Liezen, auch Klinikum Stainach genannt, hat es ebenfalls in das Arbeitsübereinkommen geschafft.
- Das Leitspital Liezen - ein Neubau in Stainach-Pürgg im Ennstal - wird gestoppt, bis zum zweiten Quartal 2025 soll ein Alternativprojekt vorliegen.
- Ähnlich wie in Niederösterreich wird ein Corona-Fonds eingerichtet, in der Steiermark allerdings "Corona- bzw. Krisenresilienzfonds" genannt. Er sieht die Refundierung jener Strafen vor, die von steirischen Verwaltungsbehörden während der Pandemie verhängt wurden. Allerdings soll das nur für jene gelten, deren Rechtsgrundlage später vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurde.
Gesellschaftssystem: Betteln wird wieder verboten
2013 hat der Verfassungsgerichtshof das allgemeine Bettelverbot aufgehoben, das von einer SPÖ-ÖVP-Landesregierung eingeführt wurde. FPÖ und ÖVP nehmen die Bettelei nun aber wieder ins Visier.
- Wie in Nieder- oder Oberösterreich sollen es eine Verordnungsermächtigung für die Gemeinden geben, um "sektorale Bettelverbotszonen" festlegen zu können. Diese könnten, so steht es im Koalitionsabkommen, die "unmittelbare Umgebung von Haltestellen, Schulen, frei zugängliche Bankomaten oder Gaststätten" betreffen.
- Auch ein nicht näher definiertes "Haus-zu-Haus-Betteln" soll unter Strafe gestellt werden
- In der Steiermark soll ein Sicherheitsbeirat installiert werden, zudem auch eine Dokumentationsstelle gegen den "politischen Islam".
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