Dabei sind die Vorteile der geplanten Reform offensichtlich: Das Leitspital wäre nicht nur moderner und besser ausgestattet als die bisherigen Kleinspitäler, aufgrund der höheren Fallzahl ließe sich zudem eine wesentlich bessere Versorgungsqualität bei geringerem Personalaufwand erreichen.
Die lokale Bevölkerung überzeugen solche Argumente nicht. Trotz der zentralen Lage des neuen Spitals und der geplanten Errichtung von Gesundheits- bzw. Facharzt-Zentren an den alten Standorten wehrt sie sich - im Tandem mit Lokalpolitik und FPÖ - vehement gegen die Spitalsschließungen. In Form einer schallenden Ohrfeige für die ÖVP bei der Landtagswahl.
Ein Vorgang mit Signalwirkung weit über die Steiermark hinaus: Schon jetzt wird das heikle Thema Spitalszusammenlegungen bei aller medizinischen und ökonomischen Notwendigkeit von der Politik mit spitzen Fingern angefasst. Das zeigen etwa die jüngsten Debatten in Niederösterreich. Angesichts der Lehren aus der Steiermark-Wahl befürchtet der Wiener Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer, dass sich in Zukunft überhaupt kein Politiker mehr getrauen werde, überfällige Spitalsreformen anzugehen.
„Die Debatte um die Schließung von Kleinstspitälern gibt es an sich schon ewig“, schildert der Experte. „Etwa um jenes in Bad Aussee, welches dann aber doch vor Wahlen immer wieder gerettet wurde.“
Kleinspitäler mit Qualitätsmängeln
Für ihn sind die Mini-Krankenhäuser an der Peripherie nicht mehr zeitgemäß. „Sie sind nicht einmal für Jungärzte interessant, die dort aufgrund der niedrigen Patientenzahl nichts lernen können, dafür aber sehr lange Arbeitszeiten haben.“
Vielmehr würden die dortigen Qualitätsmängel immer wieder für Negativ-Schlagzeilen sorgen. Erschwerend kommt hinzu: „Wegen der intransparenten Datenlage in Österreich können die kleinen Spitäler sehr leicht behaupten, dass sie erstklassige Leistungen erbringen.“
Parallelbetrieb kann Ängste nehmen
Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom IHS ortet ein zentrales politisches Versäumnis, das nicht nur den aktuellen Fall des Leitspitals Liezen betreffe. Bei derartigen Umstrukturierungen ist vorgesehen, dass anstelle des geschlossenen Spitals die niedergelassene Versorgung ausgebaut wird – etwa in Form von Facharzt-Zentren zur Versorgung leichterer Probleme, die ohnehin im Spital fehl am Platz sind.
„Idealerweise sind diese neuen Strukturen schon mehrere Jahre vor der Spitalsschließung in Betrieb. Die Patienten können sich dann davon überzeugen, dass durch die Schließung des Krankenhauses keine Nachteile entstehen.“ Doch das passiere meistens nicht, weshalb die Bevölkerung auf die geplante Schließung mit Verunsicherung reagiere.
Der Grund: Der über mehrere Jahre laufende parallele Betrieb verursacht vorübergehend erhebliche Mehrkosten. „Wir haben im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen eine eigene Finanzierung für diese Übergangsphase vorgeschlagen, doch daraus wurde leider nichts“, sagt Czypionka.
Auch er ortet massive Qualitätsprobleme, die sich aufgrund der geringen Fallzahlen in den Kleinspitälern ergeben würden. Um sie vor dem Zusperren zu retten, seien bei bestimmten Eingriffen die Mindestfallzahlen in Österreich sogar deutlich niedriger angesetzt als in anderen Ländern.
Wirtschaftsfaktor Spital
Doch warum ist dann den Menschen so wichtig, dass es ein Spital in ihrer Gemeinde gibt? Die viel beschworene wohnortnahe Versorgung könne es laut Pichlbauer nur bedingt sein: „Mit dem Leitspital Liezen würden sich die Anfahrtswege nur um zehn bis 15 Prozent verlängern.“
Vielmehr gehe es laut Experten um die regionale Wertschöpfung, die sich mit einem Krankenhaus erzielen ließe. „Man denke nur an die Lebensmittel-Zulieferer. Aus Sorge vor wirtschaftlichen Einbußen wehren sich die lokalen Bürgermeister gegen die Schließungen – mit dem vorgeschobenen Argument, die Versorgung der Patienten würde leiden.“
Ländern Spitäler wegnehmen
Bereits im Vorfeld der Gemeinderatswahlen in Niederösterreich steht im Jänner wohl die nächste hitzige Debatte um Spitalsschließungen an. „Diskussionen um so große Strukturfragen müssen aber außerhalb der Tagespolitik geführt werden“, wünscht sich Pichlbauer.
Am Ende eines „sachpolitischen Schulterschlusses“ könnte stehen, dass die Länder die Kompetenz für die Spitäler an den Bund abgeben. „Natürlich ist das schwer. Die Spitäler sind einer der wenigen Bereiche, in denen die Länder noch Macht haben. Man müsste ihnen dafür eine andere Spielwiese geben.“
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