Seit Jahrzehnten war Rebecca Horn einer der Stars der Kunstszene. "Sie ist die Grande Dame der deutschen Kunst, das weibliche Pendant zu Gerhard Richter", sagte Bettina M. Busse anlässlich der von ihr 2021 kuratierten großen Werkschau im Bank Austria Kunstforum Wien. Sie versammelte Ikonen der jüngeren Kunstgeschichte, aus Klavieren oder Schreibmaschinen gefertigte kybernetische Objekte, deren Zauber man sich kaum entziehen konnte. Nun ist Rebecca Horn 80-jährig gestorben.
"Hauchkörper als Lebenszyklus" hieß eine der letzten Ausstellungen von Rebecca Horn 2018 im Lehmbruck Museum, Duisburg. Dort bewegten sich in einem Bronze-Abdruck ihrer Schuhe taumelnd zwei meterhohe filigrane Messingstäbe, ohne von der Stelle zu kommen. Nach einem Schlaganfall 2015 saß Horn im Rollstuhl. Doch ihrer Kunst hatte sie Leben eingehaucht, sie war häufig in Bewegung. Ganz buchstäblich.
Nähe zur Arte Povera
Bei vielen Arbeiten sorgen Bewegungsmelder dafür, dass sich, kaum kommt man in ihre Nähe, Pfauen-, Straußen- oder Rabenfedern zu spreizen und Buchseiten zu flattern beginnen. Kleine Hämmer geben Klopfzeichen, Tanzschuhe vollführen Spitzentänze, Schreibmaschinen klappern und verspritzen Tinte, Gewehre und Pistolen nehmen einander ins Visier und verschießen "Blut". "Les Amants" (1991) etwa heißt eine Konstruktion, die eine Mischung aus Champagner und Tinte an die Wand sprüht. Für Aufsehen sorgt der raumfüllende "Schildkrötenseufzerbaum" (1994), aus dessen motorgetriebenen Kupfertrichtern klagende Stimmen tönen.
Es sind Objekte, deren Materialien ihre Nähe zur Arte Povera nicht verleugnen, denen aber mittels der Kunst der Feinmechanik magische Kraft verliehen wird. "Die Bewegung ist immer ansprechend und fungiert für viele als Eye Catcher", analysierte Busse Horns Erfolgsrezept. "Gleichzeitig lässt sie dem Betrachter viel Freiheit. Sie ist eine große Anregerin der Fantasie, ohne oberflächlich zu sein. Diese Mischung ist einzigartig."