Die Wien-Wahl findet heuer an einem geschichtsträchtigen Datum statt. Am 27. April ist es genau 80 Jahre her, dass die provisorische Staatsregierung unter Karl Renner im bereits befreiten Wien die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnete.
SPÖ, ÖVP und KPÖ erklärten die Republik Österreich für „wiederhergestellt“ und den „Anschluss“ an das Deutsche Reich für „null und nichtig“.
Die demokratische Republik und damit Österreich wurde wiedergeboren.
Ein halbes Jahr später, am 25. November, wurde die erste freie Wahl nach dem Krieg abgehalten. Die Diktatur hatte ihre Spuren hinterlassen: Menschen, die schon über 30 Jahre alt waren, hatten in ihrem ganzen Leben noch nie gewählt.
„Für die Menschen war diese Wahl eine Hoffnung. Sie haben auch eine Chance darin gesehen, man hat sehr überzeugt gewählt. Viele durften und konnten davor gar nicht wählen“, sagte Christian Rapp, Wissenschaftlicher Leiter des Hauses der Geschichte im Museum Niederösterreich in St. Pölten anlässlich des 75-Jahr-Jubiläums. Man habe „das Gefühl gehabt, dass man mit dieser Wahl Weichen stellen konnte, für das Land und für einen selber“.
Die Wahlbeteiligung lag bei 94 Prozent.
Sinkende Euphorie
Die Wahleuphorie ist nach Jahrzehnten mit freien Wahlen leider etwas abgeklungen. Bei der Nationalratswahl im vergangenen Jahr gingen nur 77,7 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl – immerhin mit leichtem Anstieg im Vergleich zur Nationalratswahl von 2019. Bei der Europawahl machten allerdings nur 56,3 Prozent der Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch.
Die Wahlbeteiligung bei der Wienwahl wird sich wohl dazwischen einpendeln, vor fünf Jahren lag sie bei 65,3 Prozent.
Dabei ist Wählen „zwar nicht das einzige, aber doch ein sehr machtvolles demokratisches Instrument für Bürgerinnen und Bürger“, sagt Demokratieexpertin Stefanie Fridrik im KURIER-Interview. Es sei auch die direkteste Form, seine eigene Entscheidung in das politische System einzubringen und die politische Landschaft damit aktiv zu beeinflussen. Das Gefühl der Machtlosigkeit, dass die eigene Stimme eh nichts ausrichten kann, stimmt dabei nicht. Gerade auf Bezirksebene machen oft einzelne Stimmen den Unterschied, welche Partei auf Platz 1 landet.
Wer nicht wählen geht, gibt also die Verantwortung ab und muss dementsprechend damit leben, dass andere mitbestimmen, wer zukünftig die Entscheidungen trifft.