Wien-Wahl schon am 27. April: Ludwig will "bis zum Sommer stabile Verhältnisse"

Seit Donnerstag verdichteten sich die Hinweise immer weiter, nun ist es fix: Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und sein Regierungspartner Christoph Wiederkehr (Neos) gaben bekannt, dass die Wien-Wahlen bereits am 27. April und nicht - wie ursprünglich geplant - im Oktober stattfinden werden.
Der vorgezogene Wahltermin war auch Thema bei der Klausur der Wiener Stadtregierung, die mit den Ergebnissen um 14 Uhr vor die Presse trat.
Gesundheit als Schwerpunkt
Im heurigen Jahr habe sich die Regierung das Gesundheitswesen als Themenschwerpunkt vorgenommen. Das "hohe Niveau" in Wien solle nicht nur aufrechterhalten, sondern auch ausgebaut werden, erklärte Ludwig in seinem Statement.
Es gebe große Herausforderungen durch die demografische Entwicklung, hinzu komme, dass eine neue Bundesregierung kommt. Der Wiener Bürgermeister teilt den Appell der Ärztekammer, dass im Gesundheitswesen nicht gespart werden dürfe.
In Wien soll ein umfassendes Modernisierungsprogramm kommen - mit einem Ausbau des niedergelassenen Bereichs, zu dem auch Primärversorgungszentren im Stadtgebiet gehören. Mehr als 16.000 Pflegekräfte sollen bis 2030 ausgebildet werden, derzeit seien rund 5.000 schon in Ausbildung.
Prävention und medizinischer Fokus auf Frauen und Mädchen
Ein Schwerpunkt soll auch bei der Präventionsmedizin und bei der medizinischen Betreuung von Mädchen und Frauen gesetzt werden.
Zudem werde in die Modernisierung von Kliniken investiert. Konkret sollen bis 2030 erst 3,3 Milliarden und bis 2040 dann rund 5,4 Milliarden Euro für sieben Standorte fließen. In den Kliniken in Favoriten, Hietzing, Ottakring laufen schon Vorbereitungen, teils sind sie schon im Bau. Es gelte, hier gut zu planen, denn "es sind Milliardenbeträge, die da fließen", sagte Ludwig.
Ludwig betonte auch, dass der niedergelassene Bereich ausgebaut werden müsse, um Spitäler zu entlasten. In den Wiener Bezirken gibt es derzeit 55 regionale Gesundheitszentren, davon sind 45 in der gemeinsamen Regierungszeit von SPÖ und Neos entstanden, davon 18 Primärversorgungszentren.
Bis 2030 sollen mindestens 29 neue regionale Gesundheitszentren errichtet werden, davon 18 weitere Primärversorgungszentren.
Die erwähnten 16.000 Pflegekräfte, die man neu einbringen will ins Gesundheitssystem, bedeuten laut Ludwig eine Verdoppelung der bisherigen Ausbildungsmöglichkeiten. Zudem sollen die entsprechenden Räumlichkeiten beim Campus der FH Wien ausgebaut werden.
Zur Gesundheit in Wien gehöre auch Sport - der Bürgermeister kündigte Schwerpunkte bei der Infrastruktur sowie einen Ausbau an Radwegen an.
Ludwig will "stabile Verhältnisse"
Freilich wurde auch die vorgezogene Wien-Wahl thematisiert. Die Zweite Republik befindet sich an einem Scheideweg, sagte Ludwig. "Es ist erstmals möglich, dass ein Politiker der FPÖ ins Bundeskanzleramt einzieht. Umso wichtiger ist es, dass Wien eine weltoffene Stadt und eine des Zusammenhalts ist."
Wien stehe auf der Seite der Bevölkerung, betonte er Bürgermeister, der dem Koalitionspartner heute vorgeschlagen hat, die Wahl auf den 27. April vorzulegen.
"Wir können damit sicherstellen, dass wir in Wien stabile Verhältnisse haben, und ersparen der Bevölkerung einen langen Wahlkampf", so Ludwig. Ein Großteil des Regierungsübereinkommens sei bereits abgearbeitet, einige Punkte seien noch offen. "Die heutige Klausur sei ein gutes Beispiel, dass wir gut miteinander arbeiten. Und ich bin überzeugt, dass wir bis zum Wahltag gemeinsam noch weitere Projekte umsetzen", so Ludwig.
"Wir arbeiten bis zum Schluss", betonte dann auch Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr an Ludwigs Seite. Er hob hervor, dass auch Klima-Maßnahmen für die Stadt auf der Agenda stehen. Den früheren Wahltermin tragen die Neos mit, auch er sei der Meinung, dass es angesichts dessen, was im Bund droht, jetzt stabile Verhältnisse in der Stadt brauche.
"Pflegekräftemangel als Problem abhaken"
Im Anschluss daran präsentierte Stadtrat Peter Hacker noch einen Teil seiner Präsentation bei der Klausur:
Zur Ausgangslage: 2019 war das berühmte Jahr der "Patientenmilliarde" der damaligen türkis-blauen Regierung, sagte Hacker. Seither ist die Versorgung im Bereich der niedergelassenen Kassenärzte zurückgegangen. Minus acht Prozent macht der Rückgang in Wien aus - einer Stadt, in der die Bevölkerung in diesem Zeitraum um 2 Prozent gewachsen ist.
Die Spitalsversorgung ist aber gestiegen - Patienten strömen dorthin, obwohl sie nicht hinmüssten. "Das darf nicht verwundern." Die Spitäler stehen unter Druck - auch durch "Gastpatienten" aus den anderen Ländern.
Welche Strategie soll nun folgen? Hacker führt noch einmal die Punkte im Detail aus, die Ludwig schon erwähnt hatte: Erstens Modernisierung der Spitäler, zweitens den Ausbau der regionalen Gesundheitszentren und drittens mehr Ausbildungsplätze für Pflegekräfte.
Hacker ist bei Letztem recht zuversichtlich: "Wir werden gegen Ende des Jahrzehnts das Problem Pflegekräftemangel abhaken können." Eine Initiative werde es brauchen beim Nachwuchs an Ärzten, den es dringend brauche - hier sei aber der Bund gefragt. Er erinnert daran: Die Ausbildung eines Arztes dauert rund zwölf Jahre, hier sei heute eine Entscheidung notwendig.
"Frauenrechte nicht verhandelbar"
Stadträtin Kathrin Gaál, zuständig für Wohnbau, sprach dann noch über "Zukunftsprojekte" im Zusammenhang mit Gesundheit. Etwa das Frauengesundheitszentrum "FEM Med" in Floridsdorf oder das "Quartier an der Schanze", wo auch Gesundheitseinrichtungen angesiedelt werden sollen - Ärzte, Apotheken, Orthopädiegeschäfte. "Sozialer Wohnbau ist mehr als nur ein Dach über den Kopf. Wir schauen, dass wir die Bedürfnisse der Menschen befriedigen."
Im Bund besteht für Gaál, die in Wien auch für Frauenpolitik zuständig ist, Grund zur Besorgnis. Sie erinnert an Aussagen der FPÖ, wonach "Frauenhäuser Familien zerstören", die Herdprämie in Salzburg oder die Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen. Sie versichert: "Wir werden ganz sicher nicht zulassen, dass ihre Selbstbestimmung eingeschränkt wird. Das sei ins Stammbuch geschrieben: Frauenrechte sind definitiv nicht verhandelbar."
Neuauflage von Rot-Pink?
In der Fragerunde ging es dann vorrangig um den Wahltermin - und weniger um die Klausur.
Bei der Frage, ob sie nach der Wahl weiter zusammenarbeiten wollen, legten sich Bürgermeister Ludwig und sein Vizebürgermeister Wiederkehr nicht fest. "Wir haben ein sehr gutes Verhältnis, inhaltlich wie persönlich. Es liegt am Wähler, zu entscheiden, welche Möglichkeiten es dann aufgrund des Ergebnisses gibt", antwortete Ludwig.
Und Wiederkehr sagte: "Wir haben viel voran gebracht als Fortschrittskoalition. Unser Ziel ist es als Neos, so stark zu werden, dass es sich wieder ausgehen wird."
Was strategische Vorteile eines früheren Wahltermins betrifft, ließen sich beide nicht in die Karten schauen - bzw. wiesen sie zurück, dass es überhaupt derlei Überlegungen gab.
Hätte man strategisch gehandelt, hätte sich für die SPÖ etwa die Zeit nach dem 1. Mai - dem sozialdemokratischen Hochfest - angeboten, meinte Ludwig. Und betonte: "Wir haben das Interesse, noch vor dem Sommer eine stabile Stadtregierung zu haben, das ist die Verantwortung für die Wiener Bevölkerung, die wir wahrnehmen."
Auch für Wiederkehr war es "keine taktische Entscheidung, sondern eine inhaltliche: Was ist wichtig für ein weltoffenes Wien?" Es gelte, schnellstmöglich wieder Klarheit zu schaffen, denn Wahlkämpfe seien eine Zeit großer Unklarheit.
Die Entscheidung, den Wahltermin vorzuverlegen, habe man heute gemeinsam getroffen, erklärten Ludwig und sein Bürgermeister. Die Verabschiedung vor den Kameras fiel dann auch recht freundschaftlich aus: "Du Christoph, danke, gell", sagte der Bürgermeister mit immer noch eingeschaltetem Mikrofon zu seinem Vize.
Unterdessen kündigte die Wiener ÖVP von Karl Mahrer eine eigene Pressekonferenz für 16 Uhr an.
"Wien als Gegenmodell zum Bund"
Schon einigen Stunden vor der angekündigten Pressekonferenz haben sich Ludwig und Wiederkehr per Instagram-Video an die Öffentlichkeit gewendet.
Die Zweite Republik stehe vor einer Zeitenwende, da erstmals ein FPÖ-Politiker ins Bundeskanzleramt einziehen könne, sagte Ludwig. "In Wien sind wir ein Gegenmodell zu dem, was auf Bundesebene geschieht." Man wolle keinen monatelangen Wahlkampf in der Stadt, sondern noch vor dem Sommer klare Verhältnisse, so der Bürgermeister.
Man wolle darum dem Gemeinderat den vorzeitigen Wahltermin vorschlagen. - betroffen sind davon Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahl, die in Wien traditionell immer gemeinsam über die Bühne gehen.
Freiheit und Zusammenhalt würden Wien ausmachen, aber genau das sei in Gefahr, ergänzte Wiederkehr. Nicht nur die FPÖ wurde angegriffen, sondern auch die ÖVP. Diese würde ermöglichen, dass die Blauen im Bund in Regierungsverantwortung kommen.
"Das ist ein Sturm, der aufzieht", prognostizierte Wiederkehr. Medienvielfalt werde angegriffen, es sei zu erwarten, dass Wien finanziell ausgeblutet werde. "Wo ein Sturm aufzieht, muss man sturmfest sein", so der Vizebürgermeister.
Opposition ortet "Gutsherrenmanier" und "Verunsicherung"
Eine Aussendung der Wiener ÖVP ließ nur wenige Minuten auf sich warten. "Den Wahltermin einfach zu ändern, nur weil der politische Wind gerade günstig steht, zeigt, wie selbstverständlich die SPÖ in Gutsherren-Manier Wien für ihre eigenen Zwecke vereinnahmt“, erklärte Landesgeschäftsführer Peter Sverak. Den einzigen Vorteil einer Wahlvorverlegung sah er darin begründet, "dass Wien möglichst rasch von der Handlungsunfähigkeit der NEOS befreit wird und die Karten so neu gemischt werden".
"Gerade jetzt, wo auf Bundesebene kein Stein auf dem anderen bleibt, verursacht das abrupte Ende von Rot-Pink bei den Wienerinnen und Wienern noch mehr Verunsicherung", meinte auch Judith Pühringer, Spitzenkandidatin der Wiener Grünen. "Bei SPÖ und Neos gilt offenbar: Parteitaktik vor Verantwortung. " Sie mutmaßte zudem, dass das Ende von Rot-Pink daran liege, dass sich die Stadtregierung bei einigen "Baustellen" nicht einigen konnte, "etwa bei der Leerstandsabgabe, der Zweitwohnsitzabgabe, dem nicht beschlossenen Klimagesetz oder der noch fehlenden Nachbesetzung der Bildungsdirektion"
FPÖ "erfreut"
"Erfreut" zeigte sich hingegen Wiener FPÖ-Landesparteiobmann Dominik Nepp über die Vorverlegung der Wien-Wahl. „Jeder Tag früher ist ein gewonnener Tag für Wien". Man brauche "endlich wieder Fairness für jene Wiener, die jeden Tag hart arbeiten und unsere Gesellschaft tragen, aber auch für jene, die aufgrund der wirtschaftlichen Lage unschuldig in Not geraten sind sowie für Pensionisten, die ein Leben lang hart gearbeitet haben."
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