Noch hat er die „stille Hoffnung“, dass es doch noch zu einem Umdenken kommt. Denn der Kassenärztemangel verschärft sich immer weiter. Während die Wiener Bevölkerung seit 2010 um rund 300.000 Personen gestiegen ist, gibt es um circa 200 Kassenärzte weniger (siehe Grafik unten).
Gleichzeitig steigt die Zahl der Wahlärzte. In Rudolfsheim-Fünfhaus gab es damals etwa noch 38 Kassen-Allgemeinmediziner, jetzt sind es nur noch 27. Die Wahlärzte stiegen hingegen von neun auf 14. Besonders auffallend ist die Situation bei den Kinderärzten. Waren es 2010 noch 91 Kassen- und 76 Wahlärzte, hat sich das Verhältnis auf 65 zu 161 verschoben.
Wer kürzer warten will, muss zahlen
„Dass die Wahlärzte so rasant steigen, führt zu einer stärkeren Belastung des Mittelstandes, da man für kürzere Wartezeiten privat in die Tasche greifen muss“, sagt Ingrid Korosec, Gesundheitssprecherin der Wiener ÖVP, und wünscht sich eine „Revolution im Kassensystem“.
Auch im Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) beobachtet man die Lage mit Sorge. Vor zehn Jahren seien 900 Einwohner auf einen Kassenarzt gekommen, nun seien es 1.200 Einwohner. Um dieselbe Dichte an niedergelassenen Kassenärzten zu haben wie noch vor zehn Jahren, bräuchte alleine Wien 600 Kassenärzte zusätzlich. Dadurch verlagert sich vieles in die Spitäler. Mit der Folge, dass die Belastung für das Personal in den Ambulanzen höher und die Wartezeit für die Patienten länger werden.
Förderungen
„Die Verantwortlichen müssen für eine optimale Versorgung der Patientinnen und Patienten sorgen“, fordert Korosec. Die Bundesregierung setze Maßnahmen wie den Startbonus für neue Kassenärzte oder zusätzliche Mittel im Rahmen des Finanzausgleichs, obwohl die Kompetenzen bei ÖGK, Ärztekammer und Stadt Wien liegen, so Korosec weiter.
„Als Bundesland haben wir keine direkte Möglichkeit, in die niedergelassene ärztliche Versorgung einzugreifen“, heißt es hingegen im Büro von Stadtrat Hacker. Dort sieht man Bund, Sozialversicherung und Ärztekammer gefordert.
Allerdings könne man Förderungen bereitstellen. Für die Schaffung einer Primärversorgungseinheit (PVE) gebe es etwa 150.000 Euro, bei Kinderärzten werden Nacht- und Wochenenddienste vom Land mitfinanziert. 17 PVE und acht Kinder-PVE konnten in den vergangenen fünf Jahren schon geschaffen werden, 18 (davon drei Kinder-PVE) seien bereits in Umsetzung bzw. im Invertragnahme-Prozess.
Die Wiener Ärztekammer und die ÖGK haben indes ein Pilotprojekt ins Leben gerufen – sogenannte „Pop-Up“-Praxen. In je einer Allgemeinmedizinpraxis im 15. und 23. Bezirk sollen mehrere Ärzte gemeinsam eine Ordination bespielen. Gehofft wird, dass Mediziner dadurch zur Übernahme einer eigenen Kassenpraxis motiviert werden.
Keine rosige Zukunft
Das Problem wird sich jedenfalls nicht in Luft auflösen. In den kommenden zwölf Jahren werden 17.376 Ärztinnen und Ärzte in Pension gehen. Laut Prognosen des Rechnungshofs werden in zehn Jahren rund 18.500 Personen ein Medizinstudium beginnen; rund 15.000 davon werden es beenden. Rund 30 Prozent werden aber keinen ärztlichen Beruf ergreifen, weil sie in die Privatwirtschaft oder in die Forschung gehen.
Während also 17.000 in Pension gehen, werden nur 10.000 Ärztinnen und Ärzte nachkommen. Demnach würden in Zukunft 7.000 Mediziner fehlen. Das ist in etwa die Summe aller Kassenärzte in ganz Österreich.
Schade, findet Milla. „Ich bin seit 40 Jahren Allgemeinmediziner und habe es nie bereut. Es ist ein wunderbarer Beruf.“
Vielleicht darf er ihn ja noch länger ausüben.
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