Am Sonntag griff das Verbot der chinesischen Social-Media-Plattform in den USA - bis Donald Trump es am Montag via Dekret wieder aufhob. Wie es jetzt weitergeht.
Für die rund 170 Millionen Tiktok-Nutzer in den USA begann der Sonntag enttäuschend: Die von ihnen im Schnitt 51 Minuten pro Tag genutzte Social-Media-App war tatsächlich nicht mehr verfügbar.
Der Konzern hinter Tiktok hatte die Frist verstreichen lassen, die ihm vom US-Kongress auferlegt worden war, um die Plattform an eine US-amerikanische Firma zu verkaufen - und war somit gezwungen, seine Dienste in den USA einzustellen.
Doch die außergewöhnliche Situation währte nur kurz. Schon am Sonntagabend war Tiktok wieder verfügbar, in einer Nachricht bedankten sich die Betreiber der Plattform für "die Bemühungen von US-Präsident Trump". Der unterzeichnete tags darauf, unmittelbar nach seiner Amtseinführung, ein Dekret, mit dem er die Tiktok-Sperre faktisch außer Kraft setzte.
Was ist da genau passiert? Und wie geht es nun weiter? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Warum wurde Tiktok für kurze Zeit verboten?
Tiktok - offiziell ein singapurisches Unternehmen - steht über seinen chinesischen Mutterkonzern ByteDance, der teilweise dem chinesischen Staat gehört, unter dem Einfluss Pekings. Aufgrund der Rechtslage in China kann die Regierung somit auf die persönlichen Daten aller Tiktok-Nutzer zugreifen - damit gefährdet die App aus Sicht beider US-Parteien die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten.
In einem Gesetz haben Republikaner und Demokraten im Vorjahr gemeinsam den 19. Jänner als Stichtag für einen Verkauf von Tiktok festgelegt. Bis dahin musste der Konzern zumindest Verhandlungen über den Verkauf der Plattform an eine US-amerikanische Firma belegen können.
Da Tiktok das nicht konnte, wurde die Plattform in den USA verboten.
Um sich nicht strafbar zu machen, stellte Tiktok also am Sonntagvormittag den Betrieb in den USA ein. Versuchten Nutzer, die App zu öffnen, erwartete sie folgende Nachricht:
Diese Nachricht erschien am Sonntag für US-amerikanische Tiktok-Nutzer:
"Ein Gesetz zur Sperrung von Tiktok ist in den USA in Kraft getreten. Das bedeutet leider, dass du Tiktok im Moment nicht verwenden kannst. Glücklicherweise hat Präsident Trump bereits angedeutet, dass er mit uns an einer Lösung arbeiten wird, sobald er im Amt ist."
"Ein Gesetz zur Sperrung von Tiktok ist in den USA in Kraft getreten. Das bedeutet leider, dass du Tiktok im Moment nicht verwenden kannst. Glücklicherweise hat Präsident Trump bereits angedeutet, dass er mit uns an einer Lösung arbeiten wird, sobald er im Amt ist."
Doch der Konzern wartete Trumps Amtsantritt gar nicht ab - nach nur 14 Stunden war Tiktok in den USA plötzlich wieder verfügbar. Auch diesmal bedankten sich die Betreiber in einer Nachricht an alle Nutzer namentlich bei Donald Trump. Darin heißt es:
Am Sonntagabend war Tikok für Nutzer in den USA plötzlich wieder verfügbar. Bei der ersten Nutzung sahen sie diese Nachricht:
"Danke für deine Geduld und Unterstützung. Dank Präsident Trumps Bemühungen ist Tiktok wieder zurück in den USA! Du kannst weiterhin all die Dinge kreieren, teilen und entdecken, die du an Tiktok so liebst."
"Danke für deine Geduld und Unterstützung. Dank Präsident Trumps Bemühungen ist Tiktok wieder zurück in den USA! Du kannst weiterhin all die Dinge kreieren, teilen und entdecken, die du an Tiktok so liebst."
Offensichtlich fand noch am Sonntag eine Absprache zwischen dem Konzern und dem designierten US-Präsidenten Trump statt. Dass sich Tiktok trotzdem entschied, seine Dienste zu reaktivieren, bevor Trump seine Unterschrift unter das Dekret setzen konnte, stellt eigentlich einen Rechtsbruch dar - dieser wird aber wohl nicht verfolgt werden.
Hat Trump das Tiktok-Verbot also einfach wieder aufgehoben?
Nein, das ist nicht ganz richtig. Ein Dekret, auf englisch Executive Order, ist im Grunde eine Dienstanweisung an US-Beamte. Trump hat also am Montag mithilfe eines solchen Dekrets das Justizministerium angewiesen, das Gesetz, in dem das Tiktok-Verbot festgelegt ist, 75 Tage lang nicht mehr durchzusetzen.
Das sei genug Zeit, um "eine politische Lösung" zu finden, hatte Trump schon in der Vorwoche erklärt. Am Montag deutete der neue US-Präsident dann an, dass damit nicht zwingend ein Verkauf des US-Geschäfts von Tiktok gemeint sei. Er könne sich auch ein sogenanntes "Joint Venture" vorstellen, so Trump.
Das heißt, dass Tiktok gemeinsam mit einem US-amerikanischen Konzern eine Tochterfirma gründen könnte, die den Betrieb der Plattform in den USA übernehmen würde. In anderen Ländern, etwa in China, müssen ausländische Firmen immer Joint Ventures mit einheimischen Unternehmen gründen, wenn sie sich dort niederlassen wollen.
Wer könnte Tiktok kaufen?
Donald Trump selbst erklärte am Montag, "jede reiche Person" habe ihn wegen einer möglichen Übernahme von Tiktok angerufen.
Auf der Gegenseite ist die Entscheidung allerdings zutiefst politisch. Tiktok kann sein US-Geschäft ohne Zustimmung des chinesischen Mutterkonzerns ByteDance nicht abstoßen; ByteDance wiederum kann ohne Erlaubnis der chinesischen Regierung nicht zustimmen. Und die hat einen Verkauf eigentlich lange ausgeschlossen.
Donald Trump wollte eine "politische Lösung" für den Tiktok-Streit finden, blitzte aber vor dem Höchstgericht ab. Nun soll die chinesische Seite einen möglichen Abnehmer vorgeschlagen haben: Trumps Vertrauten Elon Musk (rechts).
Demnach könnte Musks Social-Media-Konzern X (ehemals Twitter) den laufenden Betrieb von Tiktok in den USA übernehmen oder die US-Tochterfirma in regelmäßiger Absprache mit der Tiktok-Führung in Singapur gemeinsam führen.
Das wäre auch für Musks Imperium attraktiv, schließlich generiert Tiktok deutlich größere Werbeeinnahmen auf seiner Plattform als X. Künftig könnten Werbekunden Pakete auf beiden Apps angeboten werden.
Warum sollte China Tiktok an Elon Musk verkaufen wollen?
Hohe chinesische Beamte sollen dem Plan aus zwei Gründen nicht abgeneigt sein: Zum einen ist Musk mit seinem Automobilkonzern Tesla seit Jahren in China aktiv und unterhält gute Beziehungen zur Partei-Elite; beim Besuch des chinesischen Machthabers Xi Jinping in San Francisco saß Musk 2023 etwa bei einem Abendessen an dessen Tisch.
Zum anderen erhoffen sich Chinas Strategen über ein gutes Verhältnis zu Elon Musk mehr Einfluss auf Donald Trump nehmen zu können. Der hatte China schon im Wahlkampf mit harten Importzöllen gedroht, eine Lösung des Tiktok-Streits über einen seiner Vertrauten könnte die Beziehung verbessern, so die Überlegung.
Es ist aber völlig unklar, ob der Multimilliardär Musk sich Tiktok überhaupt leisten könnte. Alleine die US-Tochterfirma dürfte zwischen 40 und 50 Milliarden Dollar wert sein. Zum Vergleich: Als Musk 2022 Twitter kaufte, bezahlte er für dessen weltweites Geschäft 44 Milliarden Dollar.
Musk ist zwar mit einem geschätzten Vermögen von 434 Milliarden US-Dollarlaut Forbes der reichste Mann der Welt, zahlt aber noch immer enorme Kredite ab, die er für den Twitter-Kauf aufnahm.
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