Busse für die freigelassenen Strafgefangenen stehen bereit. In den Krankenhäusern Israels wird die Aufnahme der freigelassenen Geiseln vorbereitet. Doch die weitere Durchführung des Abkommens mit einem zweiten, vielleicht auch dritten Austausch wird im Abkommen nur als Zielvorgabe erwähnt. Ohne genaue Wegbeschreibung.
„Es zerreißt mich“
Darüber soll erst nach 16 Tagen verhandelt werden. Ab Sonntag sollen alle paar Tage drei Geiseln freikommen. Jeder Schritt ist immer wieder gefährdet und auf beiden Seiten lauern Kräfte, die das Abkommen ablehnen und bedrohen. So war in Israel die Freude über eine baldige Freilassung groß. Aber auch getrübt. Nicht alle Geiseln kommen sofort und zusammen frei. Nicht einmal alle Angehörigen wissen genau, wer wann ausgetauscht wird.
Ruth Strum weiß, dass ihr Sohn Yair in den nächsten sechs Wochen frei kommen soll. Sein Bruder Eytan aber steht nicht auf der Liste. „Es zerreißt mich und ich werde der Regierung keine Ruhe lassen, bis auch die letzte Geisel zurückkehrt.“
Ein nahezu identisches Abkommen lag bereits im Mai 2024 vor. Es scheiterte daran, dass der Premier auf eine Präsenz der israelischen Armee im Gazastreifen beharrte. Diesmal ist eine vollständige Räumung nach 42 Tagen kein Problem mehr. Fast acht Monate Krieg sind seit Mai vergangen. Mit Gefallenen Soldaten und Kämpfern, getöteten Geiseln und Zivilisten. Für die Hamas steht letztlich nur die Fortsetzung des Krieges mit der totalen Vernichtung Israels und absoluter Friedensverweigerung auf dem Programm.
Schwache PA
Doch auch die Politik Netanjahus basierte in den letzten Jahrzehnten auf weitgehender Realitätsverweigerung. Um die Anerkennung eines palästinensischen Staates zu vermeiden, ließ er die Stärkung der Hamas im Gazastreifen zu. Um die mit der Hamas verfeindete palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Westjordanland zu schwächen. Die PA ist jetzt tatsächlich zu schwach, am „Tag nach dem Krieg“ die Macht im Gazastreifen zu übernehmen.
Internationale Hilfe, vor allem der westlich orientierten arabischen Staaten, wird ausbleiben. Denn ein unabhängiger palästinensischer Staat zeichnet sich nicht einmal theoretisch am Horizont ab. Darum ist schon die erste Stufe des Abkommens mit Hindernissen übersät. Eine zweite Stufe ist noch nicht ausgehandelt.
Hamas erstarkt
Schon jetzt gelingt es der neuen Hamas-Führung mit neuen Bewaffneten ihre Reihen wieder zu stärken. Der Hunger und die Sorgen um ihre Familien treibt junge Männer in die Arme der Hamas. Doch die wirkliche Kraft der Hamas liegt in ihrem ungebrochenen Einfluss auf die Verwaltung des Streifens. Ihre Vertreter sitzen in den Rathäusern, den Sozialbehörden, in den Krankenhäusern und Schulen. Amtsträger, ohne die auch in den verbliebenen Ruinen Gazas nichts laufen kann. So könnte die PA zwar mit internationaler Hilfe eine neue Regierung bilden. Was aber die bestehenden Verwaltungsstrukturen nicht überflüssig machen wird. Im Hintergrund – aber deutlich spürbar – wird die Hamas weiter Einfluss ausüben.
Israels Hardliner setzen ihre Hoffnung indes auf den Machtwechsel im Weißen Haus. Von Trump erhoffen sie sich sogar freie Hand bei der Errichtung von Neusiedlungen im Gazastreifen. Doch alle Signale aus Washington deuten darauf hin, dass die neue Regierung keine neuen Kriege will. Die Rede ist vielmehr von einer Ausweitung des Verteidigungsbündnisses mit den arabischen Golfstaaten.
Netanjahu dürfte dies bereits zur Kenntnis genommen haben. Er dankte am Mittwoch Trump für die Hilfe bei den Verhandlungen zum neuen Abkommen. Trumps Antwort: „Meine Regierung steht voll und ganz bereit, weitere Siege für die USA sicher zu stellen.“ Für die USA. Nicht unbedingt für Israel.
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