Vater einer Hamas-Geisel: "Sie kamen frei, ihr Vater nicht. Das ist schwer zu verstehen"
Samstag, 7. Oktober 2023. Das Handy von Gilad Korngold klingelt. Es ist sein Sohn: „Vater, ich habe eine Pistole, schütze die Bunkertüre und passe auf, dass niemand hineinkommt.“ Das war das letzte Mal, dass er Kontakt mit seinem Sohn Tal Shoham (39) hatte, einem israelisch-österreichischen Staatsbürger, der eigentlich mit seiner Familie im Norden Israels lebt.
Während Korngold mit seinem Hund spazieren war, stürmten islamistische Terroristen der Hamas den Kibbuz Beeri, metzelten viele seiner Bewohner nieder. Verschleppten unter anderem Tal, dessen Ehefrau und die zwei Kinder, damals acht und drei Jahre alt.
Ende November kamen Frau und Kinder im Zuge eines Abkommens im Tausch gegen zahlreiche Hamas-Terroristen frei. Doch auch für sie sollte der Albtraum weitergehen: Seit fast einem Jahr ist Tal in den Händen der Hamas – und die Aussichten auf ein neues Abkommen sind gering. Gilad Korngold kämpft und hofft weiter – weil er keine andere Möglichkeit habe, wie er im KURIER-Interview – wenige Stunden vor dem iranischen Raketenangriff auf Israel – sagte.
KURIER: Es ist nun fast ein Jahr her, dass Hamas-Terroristen Ihren Sohn entführt haben. Haben Sie noch Hoffnung, dass er zurückkehren wird?
Gilad Korngold: Ich habe keine andere Wahl. Ich muss weiter hoffen können, und das ist nicht leicht. Es ist nicht wie vor einem Jahr. Wir wissen nun, was ihm alles passieren kann. Er wird irgendwo fünfzig Meter unter der Erde festgehalten. Ohne Sonnenlicht, ohne frische Luft, ohne gutes Essen. Und selbst ein starker Mensch wie mein Sohn lebt in einer solchen Situation in großer Gefahr. Aber wir brauchen die Hoffnung – und mit „wir“ meine ich seine beiden Kinder, seine Frau, meine Familie. Ich muss auch für sie stark sein – und ich muss sagen, das ist extrem schwierig.
Wie können Sie einander Kraft spenden? Wie gehen Ihre Enkelkinder, die ja auch einige Wochen in den Händen der Hamas waren, mit der Situation um, dass ihr Vater nicht bei ihnen ist?
Wir haben den Kibbuz, in dem alles vor einem Jahr passiert ist, verlassen, leben nun seit fast einem Jahr in einem Hotel. Wir schauen, dass sie jeden Tag draußen und beschäftigt sind. Sie wissen genau, was mit ihrem Vater passiert ist – schließlich ist ihnen dasselbe passiert. Vor allem Navel, der jetzt immerhin neun Jahre alt ist. Wir reden viel mit ihnen über die Situation. Natürlich geht es ihnen extrem schlecht. Sie weinen viel. Und sie verstehen vor allem nicht, dass uns niemand dabei hilft, ihren Vater freizubekommen. Sie kamen frei, ihr Vater nicht – das ist für sie als Kinder schwierig zu verstehen.
Wie viel Hoffnung setzen Sie in Ihre Regierung? Glauben Sie an ein weiteres Abkommen zur Befreiung der rund hundert Geiseln?
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