Brünn: Alte Wasserspeicher als neuer Lost Place
Der Herr aus Wien holt tief Luft und trällert mit geübter Stimme kurz los, verstummt dann abrupt. Die Stoppuhr läuft. Das Echo macht sich in der weiten, unterirdischen Halle breit, kriecht in die Ecken, wird von den strammen Betonsäulen zurückgeschleudert. Über eine halbe Minute ist der Widerhall zu hören. Gut. Aber Rekord ist das keiner. Man habe hier schon ein sechsundfünfzig Sekunden langes Echo gemessen, sagt die Stadtführerin. Etliche Meter tief unter Brünn stehend.
Seit 2024 für die Öffentlichkeit zugänglich
Die südmährische Stadt mit rund 400.000 Einwohnern ist für die mittelalterliche Festung Spielberg oder die Villa Tugendhat aus den 1930er-Jahren bekannt. Doch seit Kurzem hat Brünn ein neues Touristen-Highlight: die alten, unterirdischen Wasserspeicher. Die drei Tanks wurden in den Jahren 1874, 1894 und 1917 erbaut, zwei aus Ziegel, der dritte aus Beton (mit zwei Kammern).
Vergleichbares gibt es in Europa eigentlich kaum, nur die Yerebatan-Zisterne in Istanbul (der „Versunkene Palast“) ist der Inbegriff einer solchen Sehenswürdigkeit.
Hier in Brünn ist der Zugang unauffällig. Tvrdého, Hausnummer 15, eine unscheinbare Grasfläche in einem kleinen Park. Spezielle Kunst- und Musikevents (wegen der Akustik) und Filmdrehs finden hier schon seit einiger Zeit statt, nun kann jeder die ehemaligen Wasserspeicher, die nun leer sind, besuchen.
Wie es zum Bau der Tanks kam
Die historisch entscheidenden Gründe für den Bau sind schnell erklärt: Die Bevölkerung wuchs im 19. Jahrhundert sprunghaft an, Kaiser Franz Joseph I. ließ das Jahrhunderte alte Festungssystem abreißen, um mehr Platz zu schaffen. Zuverlässige Wasserversorgung mit Leitungen und Reservoir war unabdingbar, Hygiene wurde wichtiger.
Man fühlt sich wie im Film
Thomas Docwry, ein englischer Unternehmer, gewann die Ausschreibung, nach seinem Entwurf wurde der erste Tank gebaut, very British mit Backstein (Bild). Das Geniale: Der Boden ist nicht flach, sondern besteht aus runden Gegenböden. All dies trägt zu räumlichen Illusionen bei, man stolpert fast wie in einem „Harry Potter“- oder „Sherlock Holmes“-Film.
Die Wasserspeicher sind von 10 bis 18 Uhr geöffnet (außer montags). Eintritt umgerechnet 14 Euro, diverse Ermäßigungen, Kinder uns 6 gratis.
Die Stadt: Klassiker sind das Alte Rathaus, die Villa Tugendhat und der Krautmarkt. Das Jazzfest Brno findet von März bis Mai statt. Weitere Events auf gotobrno.cz.
Für Gourmets bietet Brünn von Fine Dining über Bierstuben bis zu Kaffeehäusern sehr viel. Tipp: die Weinbar "Kohout Na Vine" im Haus der Kunst.
Auch Tank Nummer zwei ist aus Backstein errichtet, wirkt ähnlich. Die Führerin zeigt auf schwärzere Wände – so hoch stand das Wasser. Damals spiegelten sich die Ziegelbögen im Wasser, für die Arbeiter musste es gruselig wirken, als seien die Hallen unendlich groß. Taschenlampen braucht man heute keine, die kühlen Tanks sind schwach beleuchtet.
Und im dritten hört man ja vielleicht sogar ein Echo aus der Vergangenheit.
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