Ludwig erklärte einmal mehr, dass sich eben diese Zweite Republik an einem Scheideweg befindet – weil erstmals ein Politiker der FPÖ ins Bundeskanzleramt einziehen könnte. Damit hat Ludwig auch gleich eine Frage mitbeantwortet: Wie kann er, der immer auf Sicherheit und Stabilität beharrt, frühzeitige Wahlen ausrufen, ohne seine Glaubwürdigkeit zu verlieren? Indem – im wahrsten Sinne des Wortes – die Geschichte dahinter stark genug ist. Herbert Kickl wurde von Ludwig offen als Sicherheitsrisiko eingestuft und er festigte damit seine Lieblingsrolle, die des roten Bollwerks gegen Blau. Die stabilen Verhältnisse könne man nur ohne langen Wahlkampf erhalten.
Man kann die hehren Ziele bezweifeln und nur Wahltaktik orten. Man kann hinterfragen, ob die Wiener SPÖ nicht einfach früher wählen will, weil sie einen langen Wahlkampf nicht finanzieren will oder kann. Man kann ätzen, ob Ludwig seinem Widersacher Hans Peter Doskozil zwei Tage vor der Burgenland-Wahl die Show stehlen wollte. Man kann denken, dass Ludwig, als großer Befürworter der gescheiterten 3er-Koalition, noch kürzlich als Verlierer dagestanden ist und die Flucht nach vorne deshalb auch nötig ist.
Am Ende des Tages bleibt trotzdem übrig, dass die SPÖ alle anderen Parteien, außer Erzfeind FPÖ, in Bedrängnis gebracht hat. Die Wiener ÖVP hat sich immer gegen die Kickl-FPÖ ausgesprochen, gelangt durch die Bundespartei aber in Erklärungsnot. 100 Tage, so lange dauert es bis zur Wahl, sind kurz, um die christlich-soziale (oft Kickl-kritische) Wählerschaft zu überzeugen. Die Grünen haben sich gerade erst auf ihre Spitzenkandidatin geeinigt und wären mit einem späteren Urnengang besser dran gewesen. Neos-Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr gab bei Ludwigs Statement den Adjutanten. Damit hat er gezeigt, dass die Paktfähigkeit auf Wien-Ebene stimmt, trotzdem ist die Gefahr groß, dass die Wähler den noch mächtigeren Partner anziehender finden.
Ein echtes Bürgermeister-Duell, wie es einst Michael Häupl gegen Heinz-Christian Strache ausgerufen hat, wird es nicht werden. Dafür ist Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp nicht populär genug. Das braucht Ludwig aber auch gar nicht. Er hat schließlich gleich zum Erhalt der Zweiten Republik aufgerufen.
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