Die Gefahr, dass genau das passiert, besteht. „Ungeklärte Abwasser, illegales Bauen, Überfischung, Lärm, Luftverschmutzung, Müll - so ziemlich jede Bedrohung, die Sie nennen können, gibt es hier“, warnt die Organisation.
Auch der Biodiversitätsexperte Daniel Bogner - ein Oberösterreicher, der seit acht Jahren als Berater für Umweltprojekte auf dem Westbalkan arbeitet und 2019 in die Ohrid-Region gezogen ist - sagt: „Im Sommer gibt es hier wahnsinnig viel Tourismus, die Kanalisation ist völlig veraltet, stammt aus den 1980er-Jahren. Für die vielen Boote gibt es außerdem keinen echten Hafen mit Infrastruktur, über die sie ihr Abwasser entsorgen könnten - das muss sich dringend ändern.“
Die Auswirkungen sind schon jetzt sichtbar: Das glasklare Wasser etwa wird allmählich trüber, es breiten sich immer mehr Algen aus. Ohrid SOS warnt zudem vor negativen Auswirkungen für die Tiere in und um den See, Fische und Vögel etwa. Die UNESCO überlegt nun, den See auf die Liste des gefährdeten Welterbes zu setzen.
Die Politik in Nordmazedonien tut laut Ohrid-SOS-Aktivisten nur wenig, um die Situation zu verbessern - im Gegenteil. Zwar seien Pläne zum Bau einer Schnellstraße und eines Skigebiets in einem Nationalpark in der Nähe eingestellt worden, diese Megaprojekte seien jedoch „einfach schrittweise durch Massenbauten ersetzt“ worden. Beim Abwassermanagement bewege sich sehr wenig.
Das Umweltministerium in Skopje hat 2021 eine Studie über die Unterschutzstellung des Ohridsees genehmigt, die auch konkrete Maßnahmen wie etwa die Verbesserung der Abwasserentsorgung oder eine Regelung des Bootsverkehrs am See fordert. Auf Basis dieser Studie hat das Umweltministerium der Regierung und dem Parlament einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der aber bis heute nicht angenommen wurde.
"Sie tun so, als würden wir nicht existieren"
Die Zusammenarbeit mit lokalen Behörden ist laut Ohrid SOS schwierig: „Sie tun so, als würden wir nicht existieren - außer, sie brauchen unsere Hilfe, um Schwierigkeiten mit dem UNESCO-Welterbezentrum aus dem Weg zu gehen.“ Dann würden die Behörden in der Regel „äußerst minderwertige“ Entwürfe vorlegen, welche die NGO dann „auf ein gewisses Kompetenzniveau“ korrigiere, um zumindest ein paar der Maßnahmen durchzubringen. Zur Umsetzung komme es nur selten. (Die Ohrider Stadtregierung hat auf eine Anfrage des KURIER nicht reagiert, Anm.)
Aktivisten wie Gjoko Zoroski haben den Umweltschutz daher selbst in die Hände genommen. Gemeinsam mit anderen Experten, darunter der Österreicher Daniel Bogner, hat sein Team einen Antrag eingereicht, wonach der Belchista Sumpf zum Naturschutzgebiet erklärt werden soll. Das würde vor allem mehr Kontrolle bedeuten: Ranger müssten dann vor Ort etwa aufpassen, dass dort niemand mehr einfach Müll deponiert. Auch den Ohrid-See selbst hätte man gern naturgeschützt.
Weitere Projekte beschäftigen sich mit der Frage, wie man den Tourismus in der Region nachhaltiger gestalten kann. Geführte Wanderungen, Radtouren, Vogelbeobachtungen - Zoroski hat viele Ideen. Die letzten Wochen hat er auch intensiv an einem kleinen Museum gearbeitet, das kürzlich eröffnet hat. Nicht nur soll es Besuchern Einblicke in die Artenvielfalt der Region geben, in der sie sich aufhalten. Es soll auch ein Zentrum für Studierende und Forscher werden, von denen viele im Zuge der allgemeinen Abwanderung ("Brain Drain"), oft in EU-Länder, das Land verlassen.
Es geht auch um Jobs
„In der ganzen Region braucht es mehr Bewusstseinsbildung im Umweltbereich, besonders, was das Müllverhalten angeht“, sagt Daniel Bogner. Außerdem wird das volkswirtschaftliche Potenzial des Umweltschutzes seiner Ansicht nach weit unterschätzt. „Viele Leute glauben, dass ein Naturschutzgebiet alle wirtschaftlichen Aktivitäten verbietet“, sagt er. Das sei Unsinn, in Wirklichkeit gehe da sehr viel: „Die EU fördert das alles ja nicht nur, um die Tiere zu schützen. Es geht auch um die Schaffung von Arbeitsplätzen, und zwar Green Jobs - in der Forschung, im Management, in der Bildung.“
Noch warten die Umweltschützer auf eine Antwort des Staates, ob der Ohrid-See und Belchista tatsächlich zum Naturschutzgebiet erklärt wird. Gjoko Zoroski hätte gern, dass es lieber früher als später passiert: „Wir sollten möglichst viele Umweltmaßnahmen umsetzen, bevor all die Touristen aus Ohrid realisieren, wie schön es hier im Feuchtgebiet ist - und es zerstören.“
Hinweis: Die Reise wurde vom Projekt „eurotours“ des Bundeskanzleramts finanziert.
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