David Lynch ist tot: Die fünf besten Filme des visionären Träumers

David Lynch ist tot: Die fünf besten Filme des visionären Träumers
Anlässlich des Todes des Regisseurs David Lynch stellen wir Ihnen seine fünf besten Filme vor. Ein Abtauchen in surrealistische Welten, erschreckend eindringlich inszeniert.

Hollywood ist in Trauer: Der Regisseur David Lynch ist im Alter von 78 Jahren verstorben. Er galt als visionärer Außenseiter und Träumer, als Meister der menschlichen Illusion, der mit außer- und ungewöhnlicher Stilsicherheit regelmäßig den Finger in die klaffende Wunden der Bevölkerung legte. 

Lynchs präzise und eindringliche Art vermittelt bis heute ein tiefes Verständnis für die menschliche Psyche und auch mal die düsteren Seiten der menschlichen Obsession.

Mit der Serie "Twin Peaks" veränderte er nachhaltig die TV-Landschaft und bewies, dass gesellschaftskritische Unterhaltung auch einem meditativen Bewusstseinszustand, einem surrealen Traum ähneln kann. Diesem Konzept folgte er auch in seinen Filmen, stets oszillierend zwischen Mainstream und Nische, zwischen Irr- und Sinn. Es ist nicht selten, dass Lynchs Filme erst beim zweiten oder dritten oder vierten Mal wirklich erfassbar sind. Lässt man sich darauf ein, wird man mit einer Art von Eskapismus belohnt, die tiefer in der Realität verwurzelt ist, als einem lieb sein mag.

Ein Rückblick: Die 5 besten Filme von David Lynch

Mulholland Drive (2001)

Die schöne Rita (Laura Elena Harring) hat nach einem Unfall ihr Gedächtnis verloren. Sie freundet sich mit Betty Elms (Naomi Watts) an, die nach Los Angeles gekommen ist, um ein Star zu werden. Beide Frauen geraten schnell in einen surrealen Strudel verschiedener Schicksale, bei dem bald nicht mehr klar ist, was Realität und was Fiktion ist. 

"Mullholland Drive" gilt als einer der besten Filme des 21. Jahrhunderts und wird gerne als Regiemeisterwerk bezeichnet. Die Handlung mutet wie ein Puzzle an, dessen Stücke erst nach und nach zusammenpassen mögen. Eine definitiv gültige Interpretation von "Mullholland Drive" gibt es nicht, stattdessen verliert sich der Zuschauer in einem Crescendo der Suspense. Wie Somnambulismus auf der Leinwand.

Eraserhead (1977)

Lynchs allererster Spielfilm, der bereits zeigt, wohin dessen spätere Regiereise hingehen wird: Henry (Jack Nance) ist alleinerziehender Vater eines monster-ähnlichen Buben. Das belastet ihn nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Einmal mehr verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Traum und Henry hat bald mörderische Fantasien. 

"Eraserhead" ist ein durch und durch beklemmender Alptraum und ein erschreckender, aber auch effektiver Mix aus  Horror-, Fantasy-, Punk-, Body-Horror- und Science-Fiction-Film. Die verstörend-intensiven Bildwelten werden zum Synonym einer noch kargaren Seelenlandschaft. Das Filmarchiv Austria schreibt: "Eingebettet in alptraumhafte Sequenzen, verwandelt der Regisseur den menschlichen Körper in das Schlachtfeld eines Gezerres unterschiedlicher gesellschaftlicher Diskurse." 

Blue Velvet (1986)

College-Student Jeffrey (Kyle MacLachlan) kehrt in seinen kleinen Heimatort zurück, als es seinem Vater gesundheitlich schlecht geht. Er findet auf einem leeren Grundstück ein abgeschnittenes menschliches Ohr. Als er zusammen mit der süßen Sandy (Laura Dern) Nachforschungen anstellt, finden sich die beiden sehr schnell in einer düsteren Welt aus Perversionen, Lust und Kriminalität wieder, die sie ebenso anzieht als auch abschreckt. Können Jeffrey und Sandy ihre Unschuld bewahren, wenn der Teufelskreis aus Verdorbenheit sie mehr und mehr gefangen nimmt? 

Bedrohlicher Erotik-Thriller, der nicht nur die menschlichen Abgründe, sondern auch die Faszination daran erkundet. Auch die Filmmusik ist Kult.

Der Elefantenmensch (1980)

London, 1884: Im Rahmen eines Wanderzirkus wird der körperlich stark entstellte John Merrick (John Hurt) als "Elefantenmensch" dem gaffenden – und vor allem zahlenden – Publikum präsentiert. Der junge Arzt Dr. Frederick Treves (Anthony Hopkins) empfindet Mitleid mit ihm und nimmt Merrick in sein Krankenhaus auf. Bald entdeckt er die Persönlichkeit hinter dem entstellten Körper und auch die feine Londoner Gesellschaft beginnt, sich für Merrick zu interessieren, darunter die Schauspielerin Mrs. Kendal (Anne Bancroft).

Lynchs zweiter Spielfilm wurde für acht Oscars nominiert und hat bis heute nichts von seiner Faszination eingebüßt. Dass die Handlung auf wahren Ereignissen beruht, lässt das Filmereignis noch intensiver werden. Hurts und Hopkins' schauspielerische Leistung sind, das darf man sagen, exzellent, die Ausbeutung des Andersartigen geht – buchstäblich – unter die Haut. Auch für Lynch-Anfänger geeignet.

Lost Highway (1997)

Jazzmusiker Fred Madison (Bill Pullman) erwartet die Todesstrafe, da er seine Ehefrau (Patricia Arquette) ermordet haben soll. Vor der Tat fand er ein geheimnisvolles Video vor seiner Haustür. Als Fred in seiner Zelle schreckliche Kopfschmerzen bekommt, sitzt am nächsten Tag nicht mehr er, sondern der junge Pete Dayton (Balthazar Getty) im Gefängnis. Doch damit fängt das irre Verwirrspiel erst an.

"Kein Film über Schizophrenie, ein Film als Schizophrenie", analysierte Georg Seeßlen für die Viennale 2006 "Lost Highway". Das Konjunktiv wird hier zum Prinzip der Lust, eine allgemein gültige Definition nimmt sich zugunsten verschiedener Lesearten einmal mehr zurück. 

"David Lynch hat 'Lost Highway' als Sinnfalle konstruiert", schrieb Seeßlen außerdem. Und: "Es ist ein Film der Bewegungslosigkeit, der Ortlosigkeit. Es ist, als würden sich 'Eraserhead' und 'Blue Velvet' in einen endlosen Dialog verdrehen, als würde eine Filmerzählung, vom Virus der Selbstbezüglichkeit befallen, sich vor unseren Augen auflösen." Wie so oft bei Lynch gilt auch hier: Sicher ist nur, dass es keine Sicherheit gibt.

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