Wien wählt früher: Die Strategie hinter dem neuen Termin

Seit Mittwochabend verdichteten sich die Hinweise auf vorgezogene Wien-Wahlen immer weiter, nun ist es fix: Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und sein Regierungspartner Christoph Wiederkehr (Neos) gaben bekannt, dass die Wien-Wahlen bereits am 27. April und nicht – wie ursprünglich geplant – im Oktober stattfinden werden.
Damit werden die Wienerinnen und Wiener genau am 80. Jahrestag der Zweiten Republik zu den Urnen schreiten. Da die Bekanntmachung darauf abzielte, die FPÖ als Gefahr darzustellen, dürfte das Datum nicht willkürlich gewählt worden sein.
Doch Geschichtsbewusstsein und das Liebäugeln mit dem außergewöhnlichen Datum, das man Historiker Ludwig durchaus zutrauen kann, wird kaum der einzige Grund für den Schritt gewesen sein. Der KURIER hat sich in der Stadtpolitik auf Spurensuche begeben.
Wien-Wahl: "Aufgelegter Elfmeter"
Von einem „aufgelegten Elfmeter“ spricht ein Funktionär. Denn die geplanten Sparmaßnahmen von FPÖ und ÖVP werde breite Schichten und vor allem die Arbeitnehmer treffen.
Hört man sich in der SPÖ um, sind es vor allem die relativ guten internen Umfragewerte, die letztlich zur Vorverlegung geführt hätten. Nachdem die Wiener SPÖ zwischenzeitlich schon auf 35 bis 37 Prozent abgesackt war, könnte aktuell sogar wieder ein Vierer vor dem Ergebnis stehen. Zum Vergleich: 2020 kamen die Roten bei Ludwigs erstem Antreten als Bürgermeister auf 41,6 Prozent (+2 %) (siehe Grafik).

Gleichzeitig zeigen Umfragen, dass knapp 60 Prozent der Wiener eine blau-türkise Regierung unter einem Kanzler Herbert Kickl ablehnen. Daten, die erhoben wurden, noch bevor die massiven Sparpläne der beiden Regierungsverhandler bekannt wurden. All das will Ludwig nun nutzen, um sich als Anti-Kickl zu positionieren. Und das – auch darum die Vorverlegung – noch bevor die Grünen sich in dieser Rolle etablieren können, wie es ein Wiener Genosse schildert. Denn die Erfahrung der vergangenen Wahlgänge zeigt: Zugewinne kann die SPÖ mittlerweile fast nur mehr auf Kosten der Grünen machen, während unzufriedene FPÖ-Wähler kaum anzulocken sind.
Eine Rolle dürfte zudem die auch in Wien angespannte Budget-Situation spielen. Wie berichtet, könnte das Defizit für 2025 statt wie erwartet 2,2 Milliarden 3,8 Milliarden Euro ausmachen. Offensichtlich will die SPÖ der Opposition möglichst wenig Zeit geben, aus dieser Misere Kapital zu schlagen.
Die FPÖ stapelt tief
Bei der FPÖ gehe es darum, jetzt wieder, wie noch unter Parteichef Heinz-Christian Strache, in ein Bürgermeister-Duell hineinzukommen, sagt ein blauer Stratege zum KURIER. Dass man an die größten Erfolge anschließen wird können (30,8 Prozent bei der Wien-Wahl 2015), glaubt man freilich selbst nicht. Das wäre – wenn überhaupt – nur bei Zustandekommen der Dreierkoalition gegen Kickl auf Bundesebene möglich gewesen. Dann hätte man Ludwig als „Mastermind“ hinter diesem wohl sehr fragilen Bündnis voll attackieren können. Jetzt stapelt man aber tief und gibt „alles über 20 Prozent“ als Wahlziel aus.
Sollte die SPÖ am 27. April aber schwach abschneiden, hätte das zur Folge, dass sich wie zuletzt im Bund ohne Einbindung der FPÖ keine Zweierkoalition mehr ausgeht. Kein besonders verlockendes Szenario für die Roten.
Schlechte Chancen für die Grünen
Sollte Ludwig das 2020er-Ergebnis halten, geht es zu zweit weiter. Entweder mit den Neos oder mit der ÖVP. „Letzteres hängt davon ab, wer dort das Sagen hat“, so ein Genosse. Gut könne Ludwig mit einer von Parteichef Karl Mahrer und Wirtschaftskammer-Präsidenten Walter Ruck dominierten Partei. Unwahrscheinlicher werde so ein Bündnis, wenn in der ÖVP die Sebastian-Kurz- und FPÖ-affine Gruppe rund um Klubchef Markus Wölbitsch tonangebend sei. Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) hat jedenfalls auch ein Wort mitzureden. Die Koalition SPÖ–Neos hat in den vergangenen fünf Jahren weitgehend reibungslos funktioniert. Die gemeinsame Bekanntgabe des Termins sei ein eindeutiges Bekenntnis zur „Punschkrapferl“-Koalition, was Ludwig – nach eigener Aussage mit einem sehr guten Gedächtnis ausgestattet – durchaus goutieren könnte.
Die Grünen haben aktuell schlechte Chancen, in die Regierung zu kommen. In der Partei ist man dennoch optimistisch. Aus der Krise im Bund hätten sie sich schließlich weitgehend herausgehalten und hoffen, dass sie als Stabilitätsfaktor nicht nur die Stammklientel, sondern auch neue (oder verloren gegangene) Wähler überzeugen können.
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