Nach dem Tod der Legende: Was den Mythos Maradona ausmacht

Diego Maradona died at age 60
An die "Hand Gottes" klammern sich in der Corona-Zeit nicht nur die Fußballfans. Sporthistoriker Müllner erklärt, was Maradona so besonders macht.
Von Uwe Mauch

Warum haben Diegos Fans ihrem Idol jeden Exzess, jede Eskapade gnadenlos verziehen, warum trauert nicht nur die argentinische Fußballwelt um ihre Nummer 10? Diese Fragen beschäftigen auch den Wiener Sporthistoriker Rudolf Müllner. Das außergewöhnliche Narrativ von Maradona ergibt sich für ihn aus mehreren Strängen, wie er in der 42. Episode der KURIER-Nachspielzeit erklärt:

  • Der soziale Aufstieg

Da ist zunächst die soziale Aufstiegsstory vom ungebildeten südamerikanischen Kind, dem es mithilfe seines fußballerischen Talents gelingt, aus der Armut seiner Familie auszubrechen. Diese reicht jedoch für Müllner nicht aus, "um die Welt-Ikone Maradona zu erklären". Denn auch von seinem Landsmann und Nachfolger als Nummer 10 im Weltfußball – Lionel Messi – wird Ähnliches berichtet.

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  • Die Eskapaden

"Dazu kommt eben noch das spezielle Karma von Maradona", betont der Sporthistoriker. "Seine Eskapaden hatten eine Dimension, die für Normalverbraucher nicht vorstellbar ist. Dagegen ist Messi abseits des Fußballplatzes eine taube Nuss." Maradona hat über vier Jahrzehnte verlässlich für Schlagzeilen gesorgt, nicht nur in der Sportberichterstattung.

  • Das Gegenkonzept

Jenen, die den Fußball lieben, diente der als Kicker außergewöhnlich kreative, intuitive Diego bis zuletzt "als Gegenkonzept zum modernen verwissenschaftlichten Laptop-Fußball, der jede Faser des Spiels rational ordnet und auf den Endzweck ausrichtet".

  • Das Göttliche

Diegos Tod hätte in Argentinien und in seiner zweiten Heimat Neapel auch in jedem anderen Jahr für Mega-Trauer gesorgt. Dass sich jetzt aber auch Menschen, die sonst absolut nichts mit Fußball am Hut haben, von der Todesnachricht spontan berührt zeigen, führt Rudolf Müllner auf eine allgemeine Sehnsucht zurück: "In einer desaströsen globalen Gesundheitskrise, in der das Vertrauen in die Wissenschaft schwindet, kommen die Hinweise auf das Göttliche eines Fußballers nicht von ungefähr." Die viel zitierte "Hand Gottes", die de facto einen durch TV-Bilder belegten Betrug beschreibt, bedient auch den Wunsch nach Transzendenz.

Am Ende, sagt der Historiker, wird das Narrativ vom genialen Diego überleben. Dem durch Drogen schwer gezeichneten Abgott werde man vergeben.

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