23. Juli: Österreich-Ungarn stellt Serbien ein Ultimatum

23. Juli: Österreich-Ungarn stellt Serbien ein Ultimatum
Die meisten Zeitungen freuen sich über die klaren Worte an Serbien. Einzig die Arbeiterzeitung warnt.

28. Juni bis 28. Juli 1914 – ein Monat, in dem die Weichen für die Urkatastrophe des Jahrhunderts gestellt wurden. Der KURIER erinnert in seiner 31-teiligen Serie daran, was auf den Tag genau vor 100 Jahren geschah. Heute: der 23. Juli 1914, der Tag an Österreich-Ungarn Serbien ein Ultimatum stellt.

Kein Bild ziert die Titelseite der Neuen Zeitung – illustriertes unabhängiges Tagblatt. Zu wichtig ist die Botschaft, die in Riesenlettern verkündet wird: „Ein Ultimatum Oesterreich-Ungarns an Serbien.“ Serbische Offiziere und Beamte hätten sich am Attentat auf den Thronfolger schuldig gemacht, heißt es da. Deshalb sei es das gute Recht Österreich-Ungarns, Forderungen zu stellen. Etwa die, dass das Land die sofortige Einstellung jeglicher Aktionen des serbischen Untergrundes gegen die österreichisch-ungarische Monarchie garantieren solle. Zudem müsse Serbien eine gerichtliche Untersuchung des Attentats unter Mitwirkung österreichischer und ungarischer Beamter zustimmen. Das Ultimatum überreicht der k.u.k. Gesandte in Belgrad, Wladimir Giesl, am 23. Juli gegen 18 Uhr. Den Serben lässt man 48 Stunden Zeit, um darauf zu reagieren. Die meisten Zeitungen bejubeln diesen Schritt der Regierung. Das Fremdenblatt schreibt etwa: „Würden wir all dies (die serbischen Umtriebe, Anm.) hinnehmen, ohne zu gründlicher Abwehr einzuschreiten, so würden diese Agitatoren dies als ein Zeichen von Schwäche, Willenlosigkeit und Ängstlichkeit auslegen. Der Kommentar wird am Abend des 24. Juli in den meisten Tageszeitungen in voller Länge abgedruckt. Richtiggehend pathetisch wird der Allgemeine Tiroler Anzeiger: „Die Note ist eine Fanfare, weithin klingend in alle Lande.“

Prophetische Worte

Geradezu prophetisch warnt die Arbeiter-Zeitung: „Der Tag, an dem Österreich-Ungarn dieses Ultimatum stellt, wird ein Tag sein, der der österreichischen Menschheit in ewigschmerzlicher Erinnerung blieben wird. In dieser Note schimmert es vom Blut vom Blute, das vergossen werden soll.“ Zwar gesteht der Kommentator Österreich das Recht zu, auf das Attentat zu reagieren. Doch mit dem Ultimatum habe man über das Ziel hinaus geschossen: „Jede dieser Forderungen ist eine Verneinung der Unabhängigkeit Serbiens.“ Im Klartext heißt das: Das Ultimatum war bewusst so ausgelegt, dass Serbien ihm nicht vollinhaltlich zustimmen konnte. Dass dem so war, darüber sind sich Historiker heute weitgehend einig. Manfried Rauchensteiner erklärt, warum es zu diesem Ultimatum kam: „In Österreich-Ungarn war man der Meinung, dass Serbien nur mit einem Krieg beizukommen ist. Deshalb wurde das Ulitmatum so redigiert, dass es von Belgrad abgelehnt werden musste.“ Der australische Historiker Christopher Clark zeigt Verständnis für das Ultimatum: „Serbien hatte zwar zugesichert, Ermittlungen gegen die Hintermänner des Attentats einzuleiten. Doch de facto hat man die Untersuchungen schon bald eingestellt. Das konnte sich Österreich-Ungarn nicht gefallen lassen.“

Was bisher geschah

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