Gernot Blümel: Ein Minister, der auf Wien spitzt
Der neue Hausherr im Finanzministerium hat sich viel vorgenommen. Fragen zu Budget und Steuerreform beantwortet er sachlich-routiniert. Emotionaler wird er erst beim Thema Wien. Im Herbst tritt er dort als ÖVP-Spitzenkandidat an.
KURIER: Sind Sie ein Wunderwuzzi? Minister, Regierungskoordinator, Spitzenkandidat in Wien, bald Vater – geht sich das alles aus?
Gernot Blümel: Ich nehme das einmal als Kompliment, vielen Dank. Aber niemand ist ein Wunderwuzzi. Wir haben auch unter Türkis-Blau bewiesen, dass wir sehr gerne, viel und professionell arbeiten.
Aber Sie sind ja nicht der geborene Finanzwissenschafter, und das Finanzressort ist entscheidend in der Regierung. So nebenher macht das niemand.
Nebenher macht das niemand, auch ich nicht. Ich bin Politiker, das bringe ich ein. Außerdem kenne ich das Haus schon aus den letzten Jahren in meinen verschiedenen Funktionen. Hier gibt es extrem viele gute Experten.
Böse Zungen behaupten, dass Sie das Haus ohnehin schon gemeinsam mit Ex-Generalsekretär Thomas Schmid in der Zeit Hartwig Lögers ferngesteuert haben.
Das ist sicherlich nicht richtig. Wir wären bei Weitem nicht dort, wo wir finanzpolitisch und budgetär sind, ohne die ausgezeichnete Arbeit von Hartwig Löger. Aber das ist auch immer eine Teamanstrengung, das schafft niemand alleine.
Sie sind seit 2003, wenn man Karl-Heinz Grasser mitrechnet, der 8. Finanzminister der ÖVP in Folge. Gibt es ein Motto, unter dem Ihre Budgetrede am 18. März steht?
„Verantwortung für Österreich“ trifft es ziemlich gut. Drei Dinge habe ich mir vorgenommen: auch weiterhin keine neuen Schulden machen. Ich will, dass Österreich endlich die Maastricht-Kriterien von maximal 60 Prozent Staatsverschuldung vom BIP erfüllt. Zweitens die Menschen weiter entlasten. Und in der Regierungskoordination mit Werner Kogler gemeinsam darauf schauen, dass der türkis-grüne Motor nicht ins Stottern kommt.
Keine neuen Schulden, keine neuen Steuern, dazu Investieren und Entlasten. Klingt nach Quadratur des Kreises.
Die Steuer- und Abgabenlast soll sinken. Wir setzen eine Taskforce ein zur Frage: Wie kann man umweltschädliches Verhalten bepreisen? Da kommen Maßnahmen. Unterm Strich wollen wir die Menschen aber mehr entlasten als belasten. Bereits unter Türkis-Blau haben wir gezeigt, dass beides möglich ist: Steuern senken und keine neuen Schulden machen.
Wer wird zur Kasse gebeten? Autofahrer? Industrie?
Wir schauen uns die Modelle erst an, um weder Standort noch Arbeitsplätze zu gefährden.
Wenn der Tanktourismus sinkt, fehlt eine Steuer-Milliarde oder mehr im Budget.
Ich muss immer ein wenig schmunzeln, wenn es heißt, das kann sich alles nicht ausgehen. Nicht einmal die Experten des Finanzministeriums wissen das schon, weil erst konkrete Gesetzesvorschläge die Möglichkeit für konkrete Berechnungen bieten. Lassen wir zuerst die Taskforce die Arbeit aufnehmen und diskutieren wir jetzt keine Einzelmaßnahmen.
Wie schaut es mit weiteren Einsparungen aus, um die Vorhaben zu stemmen?
Bei einem straffen Budgetvollzug ist viel möglich, das haben wir schon beim letzten Mal bewiesen. Oft war das Hauptproblem ja, dass man sich unterjährig bei neuen Ideen in der Koalition gegenseitig hinauflizitiert und letztlich neue Schulden gemacht hat oder sich neue Steuern hat einfallen lassen. Das ist nicht unser Weg.
Wie zuletzt bei der Hacklerregelung, wenn auch dem Wahlkampf geschuldet. Was kommt da jetzt wirklich?Das beschlossene System ist ungerecht. Wir wollen uns ganz genau anschauen, welche Effekte das auf welche Gruppen hat und wo man Gegenmaßnahmen für soziale Härtefälle braucht. Sobald das Ergebnis vorliegt, werden wir entscheiden.
Wann wird die kalte Progression abgeschafft?
Wir haben weiterhin das Ziel, die kalte Progression auslaufen zu lassen. Aber wichtiger ist sicherlich die Lohnsteuersenkung.
Werden Parlament und Opposition mehr einbezogen? In der vergangenen Periode gab es Kritik, weil Materien durchgepeitscht wurden.
Diese Kritik konnte ich nie nachvollziehen. Wenn ich die Einbindung der Opposition auf Bundesebene mit der Einbindung der Opposition in Wien vergleiche, dann hat Wien Aufholbedarf. Die Minderheitenrechte im Bund, etwa beim U-Ausschuss, hätte ich in Wien auch gerne.
Stichwort Wien: Was würde anders werden unter einem Bürgermeister Blümel?
Viel! Als Erstes würde ich Tourismuszonen einführen. Es ist absurd, dass Touristen an Sonntagen in Wien ihr Geld nicht ausgeben dürfen, sondern nach Bratislava zum Einkaufen und dann wieder zurückgekarrt werden, weil es in Wien einfach schöner ist. Tourismuszonen würden Umsatz und Arbeitsplätze bringen. Das kann der Bürgermeister mit einem Federstrich ändern.
Das will aber möglicherweise auch Ihre Wirtschaftskammer nicht.
Das glaube ich nicht.
Was wäre noch anders?
Wien war bisher das Mekka der falsch verstandenen Willkommenskultur. Die große Ungerechtigkeit des Wiener Mindestsicherungssystems hätte durch eine Bundesregelung gelöst werden sollen. Die SPÖ hat dagegen geklagt und beim Verfassungsgerichtshof teilweise Recht bekommen. Das politische Problem ist aber noch immer da, jetzt muss es Rot-Grün in Wien lösen. Dazu kommt das ungerechte Teuerungsgesetz in Wien für Wasser, Abwasser etc. – das verteuert automatisch und ständig das Leben der Wienerinnen und Wiener und gehört abgeschafft. Wien ist außerdem das einzige Bundesland, in dem das Spitalswesen noch immer nicht ausgegliedert ist. Bürgermeister, Gesundheitsstadtrat und Magistratsdirektor haben vollen Zu- und Durchgriff auf den KAV. Das ist die Definition von dauernder politischer Intervention. Da würde ich unmittelbar etwas tun. Damit endlich Professionalität einkehrt und die Skandale ein Ende haben.
Die ÖVP war bei der letzten Wien-Wahl einstellig. Ist es nicht Fantasterei zu glauben, heuer den Bürgermeistersessel zu erobern?
Stimmt, wir starten von einem sehr niedrigen Niveau. Aber gleichzeitig war die Wahrscheinlichkeit in den letzten 100 Jahren noch nie so groß, dass Wien neu regiert werden kann.
Also Türkis-Grün-Pink?
Das wäre eine theoretische Mehrheit. Aber zuerst sind die Wählerinnen und Wähler am Wort.
Sie koalieren im Bund mit den Grünen und müssen gegen Rot-Grün in Wien wahlkämpfen. Schwierig?
Ich schätze Birgit Hebein sehr, auch wenn Grüne und Türkise gänzlich anders ticken. Daher sprechen wir ja vom „Besten aus beiden Welten“.
Läuft der Spitzensteuersatz von 55 Prozent für Einkommen jenseits einer Million Euro aus? Die FPÖ hatte der ÖVP eine Verlängerung abgerungen, die Grünen nicht.
Das ist noch nicht entschieden.
Sie waren mit Norbert Hofer Regierungskoordinator, da stimmte die Chemie. Wie verstehen Sie sich mit dem grünen Koordinator Werner Kogler?
Ich schätze Norbert Hofer nach wie vor. Werner Kogler ist ein Überzeugungstäter im positiven Sinn, inhaltlich in seinen Bereichen sehr tief drinnen. Er hat aber auch die Gabe, festgefahrene Verhandlungssituationen mit einem guten Schmäh zu entkrampfen. Ich glaube, das wird eine gute Zusammenarbeit.
Kommentare