Unsere liebsten Geschichten im vergangenen Jahr
Wir haben unsere Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion gebeten, uns ihre Lieblingsgeschichten des Jahres zu schicken. Ein "Aus der Redaktion" der anderen Art – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, dafür mit großer Empfehlung.
Biblischer Kampf
Unvergessen das Bild der drei alten Frauen im Habit, die sich – zwei von ihnen mit Rollatoren – den leicht ansteigenden Weg in das Kloster Goldenstein zurück kämpfen. Das Bild steht sinnbildlich für den Kampf, den die Schwestern Bernadette, Regina und Rita seit diesem 4. September austragen. Die Flucht aus dem Altersheim, in das sie nie wollten, und die Besetzung ihres alten Zuhauses war nur der Anfang, nun entscheidet Rom über das Schicksal der drei letzten Augustiner Chorfrauen Österreichs.
Kollegin Elisabeth Holzer-Ottawa hat die drei Nonnen dieses Jahr in zahlreichen Geschichten begleitet. Zuletzt hat sie das neue Buch über die drei Klosterfrauen vorgestellt.
Kampf um die Teilpension
"Mein Highlight ist ein demokratiepolitisches", sagt Kollege Michael Hammerl. Mitte Juni hat er eine Analyse zum neuen Teilpensionsmodell geschrieben, die beim Sozialministerium nicht gut ankam. "Mein Angebot, die offenen Punkte in einem konfrontativen Interview zu klären, hat SPÖ-Ministerin Korinna Schumann sofort angenommen. Es ist leider nicht mehr selbstverständlich, dass sich Politikerinnen und Politiker so offen kritischen Medien stellen."
Und deshalb hat Kollege Hammerl diesen Text für diese Sammlung nominiert.
Mit einem Posting in den Ruin
Einmal schnell einen Artikel geteilt oder auf "Gefällt mir" geklickt und ein paar Wochen oder Monate später kommt ein Anwaltsbrief beziehungsweise eine Gerichtsverhandlung. So ist es einer Mindestpensionistin aus Rechnitz (Bezirk Oberwart) ergangen, die einen Bericht über die Familie Strache geteilt hat. Die Strafe dafür: 6.000 Euro und damit kaum leistbar für die Frau. Sie startete einen Aufruf auf der Plattform gofundme.com - und binnen weniger Tage war die Strafe dank vieler kleiner Spendenbeträge bezahlt.
Nachzulesen hier: Entschuldigung nützte nichts: Rentnerin (68) zahlt Strache 6.000 Euro
Seltene Einblicke
"Diese Geschichte ist mir so wichtig, weil sie in einer Region entstand, in die China westliche Journalisten sonst fast nie einreisen lässt und man so doch zumindest ein wenig sehen konnte, was man nicht sehen soll", erklärt Außenpolitik-Ressortleiterin Ingrid Steiner-Gashi, weshalb sie gerade diese Reportage für diesen Rückblick ausgewählt hat.
Nachzulesen hier: Bei den Uiguren: Wie China die Unruheprovinz "beruhigt" hat
Filmreife Szenen in Niederösterreich
Der filmreife Ausbruch des Kopfes der sogenannten "Rammbock-Bande", der für mehrere spektakuläre Juwelier-Einbrüche und Bankomatsprengungen verantwortlich ist, hielt auch die Redaktion in Atem. Er wurde zu neun Jahren Haft verurteilt, konnte aber wenige Wochen nach dem Prozess aus der Justizanstalt Wiener Neustadt flüchten. Das Justizministerium versuchte Details rund um den Ausbruch aus der Justizanstalt Wiener Neustadt zu beschönigen. Die Kollegen Patrick Wammerl und Stefan Jedlicka brachen durch interne Informationen aus dem Gefängnis allerdings massive Sicherheitsprobleme ans Tageslicht.
Nachzulesen hier: Widersprüche nach Gefängnis-Ausbruch in NÖ: Das ist Schwerverbrecher Vira A.
"Die typische Erklärbär-Geschichte"
Netzentgelte im Allgemeinen waren in diesem Jahr in aller Munde, weil ihr plötzlicher Anstieg Energiepreise und Inflation in die Höhe trieb. David Kotrbas "typische Erklärbär-Geschichte" (Zitat einer Pressesprecherin) sollte für mehr Verständnis sorgen und war offenbar so gelungen, dass er dafür den WINFRA-Preis 2025 in der Kategorie Print bekam.
Nachzulesen hier: Warum die Kosten für Strom und Gas trotz weniger Verbrauchs steigen
Ein kleines Weihnachtswunder in Hietzing
Die Pallottikirche in Hietzing wird entweiht, so viel steht fest. Die "Grenzen des Leistbaren" sind erreicht, hieß es dazu von der Ordensgemeinschaft. Der Zeitpunkt für die Profanierung – nämlich vor Weihnachten – hat in der Kirchengemeinschaft aber für besondere Aufruhr gesorgt. Kollegin Stephanie Angerer war vor Ort und hat sich der Geschichte dieser Kirche angenommen. Durch das Engagement vieler Betroffener, einer Petition und der Berichterstattung wurde die Entweihung vom Pallottinerorden auf nach Weihnachten verschoben. Heuer konnte also ein letztes Weihnachtsfest in der Kirche gefeiert werden.
Nachzulesen hier: Weihnachtswunder: Entweihung der Pallottikirche wurde verschoben
Wo Volkswagen das Leben ist...
"Die Reportage hat sich aus unzähligen tollen Zufällen ergeben", erklärt Kollegin Caroline Ferstl, weshalb sie diese Geschichte für diese Auswahl nominiert hat. "So wie gute Geschichten eben entstehen." Ihre Reportage aus Wolfsburg erzählt exemplarisch an einer Person die große Geschichte des deutschen Vorzeigeunternehmens Volkswagen.
Nachzulesen hier: Wo Volkswagen das Leben ist - und die deutsche Industrie hustet
Geopolitik ganz nah
Brüssel-Korrespondent Konrad Kramar hat Anfang Dezember eine Fabrik für Seltene Erden direkt an Russlands Grenze besucht, auf die Europas Industrie nicht mehr verzichten kann. "Selten wird globale Wirtschaftspolitik so atemberaubend real."
Nachzulesen hier: Jagd auf Bodenschätze: Der Schlüssel zur Klimawende an Russlands Grenze
Exklusives Interview zum Rücktritt
Ein Anruf. Wenige halbe Stunden später soll es das dritte Interview mit Harald Mahrer innerhalb von wenigen Tagen werden und das letzte und einzige für ihn als Präsident der Wirtschaftskammer. So erinnert Innenpolitik-Leiterin Johanna Hager an ihr exklusives Interview. Seine Aufforderung "es können sich ruhig alle an mir abarbeiten" ist Realität geworden. Ob sein Satz, der zur Headline gereichte "Harald Mahrer wird es auch weiterhin geben" wahr werden wird – wir werden sehen und bleiben dran.
Nachzulesen ist das Interview mit Harald Mahrer hier.
Ein verstörender Einblick
Einblicke in Putins Russland bekommt man seit 2022 nur mehr schwer, dazu trauen sich viele Dissidenten nicht zu reden. Umso erschütternder ist darum, was der ehemalige Lehrer Dima Zicer Außenpolitik-Redakteurin Evelyn Peternel über die Militarisierung der Kinder erzählte.
Nachzulesen hier: In Russland spielen die Kinder Krieg - aber in echt
"Der Text fiel mir schwer"
"Ende November veröffentlichte ich den Artikel „Nationalbibliothek: Johanna Rachinger kehrt nicht zurück“. Die umsichtige Generaldirektorin war im Sommer verunfallt; Kulturminister Andreas Babler berief sie nun von der Funktion ab. Der Text fiel mir schwer", schildert Kulturredakteur Thomas Trenkler. "Ich schrieb quasi einen Nachruf zu Lebzeiten – auf eine der integersten wie seriösesten Persönlichkeiten der Kulturszene."
Nachzulesen hier: Nationalbibliothek: Johanna Rachinger kehrt nicht zurück
Eine Gefechtstechnik aus dem Zweiten Weltkrieg
"Dass eine Gefechtstechnik aus dem Zweiten Weltkrieg inmitten des modernen Drohnenkriegs durchaus erfolgreich sein kann, hat mich überrascht", erklärt Außenpolitik-Redakteur Armin Arbeiter, weshalb er diese Geschichte für die vorliegende Auswahl nominierte. "Umso mehr war es interessant, dieser Praxis gemeinsam mit Oberst Markus Reisner nachzugehen und sie für die Leser aufzubereiten."
Nachzulesen hier: Warum die russischen Motorrad-Angriffe in der Ukraine erfolgreich sind
Die Problematik mit KI-Frauen
Das unglaublich reale Bild der computergenerierten Influencerin Mila Zelu in Wimbledon brachte die Redaktion ins Staunen und war der Anstoß für die Recherche über Kunstfiguren auf Instagram. Überraschend viele Männer stecken hinter den sexy Avataren, mit denen sie viel Geld verdienen. Expertin Martina Mara, Leiterin des Robopsychology Labs der Johannes Kepler Uni Linz, hat für freizeit-Redakteurin Christina Michlits die Problematik mit diesen KI-Frauen aufschlussreich auf den Punkt gebracht.
Nachzulesen hier: Wie Männer mit künstlichen Influencerinnen Millionen verdienen
Forensik-Ikone
"Mein persönliches Highlight war das 'Herrlich ehrlich – Menschen hautnah'-Interview mit Kriminalbiologe und Forensik-Ikone Dr. Mark Benecke", schreibt "Menschen"-Ressortleiterin Lisa Trompisch, die selbst eine Ausbildung im Bereich Profiling und Verhaltensanalyse hat. "Da war seine Expertise für mich extrem spannend. Zumal er nicht nur messerscharf analysiert, sondern auch unglaublich humorvoll und charmant ist. Er erklärt Mord, Maden und menschliche Abgründe so fesselnd, dass man ihm stundenlang zuhören möchte. Wer Krimis und Thriller liebt, dem seien seine zahlreichen Bücher ans Herz gelegt."
Nachzusehen hier, unter den etwas morbiden Titel: Dr. Mark Benecke über Hitler, Buchenwald und Menschenhaut
Überlebende des Hamas-Massakers
Newsdesk-Redakteurin Diana Dauer hat im Dezember den Kibbuz Nir Oz besucht – jenen Ort, der am 7. Oktober 2023 besonders betroffen war. Ein Drittel der Bewohner fiel damals dem Hass der Hamas zum Opfer. "Das persönliche Schicksal der Menschen wird im Chaos der Kriegsberichterstattung oft vergessen", sagt Dauer. Deswegen war es für sie besonders wichtig, auch zwei Jahre nach dem Massaker daran zu erinnern. Wie haben die Überlebenden das Grauen verarbeitet? Wie kann ein Weiterleben aussehen?
Das Ergebnis ist eine erschütternde Reportage - nachzulesen hier.
Und noch immer Long Covid
Eine Mutter erzählt, wie sie ihrem Sohn aus Long Covid herausgeholfen hat und wie sie sich vom Gesundheitssystem im Stich gelassen fühlt. "Das Schöne an der Geschichte ist, dass sie den positiven Weg eines inzwischen Jugendlichen aus der Erkrankung zeigt – sie soll vielen Betroffenen Hoffnung geben, dass es möglich ist, es aus dem Erschöpfungssyndrom heraus zu schaffen", sagt Gesundheits-Redakteurin Elisabeth Gerstendorfer, die diese Geschichte 2025 besonders berührt hat. "Vielleicht kann der ein oder andere aus dem Artikel auch Tipps für sich selbst herausnehmen, um Besserungen zu erreichen."
Nachzulesen hier: Eine Mutter erzählt: Unser Weg aus Long Covid
"Ich habe rot gesehen"
Ein 36-Jähriger wurde im Oktober im Landesgericht Ried im Innkreis wegen Mordes an seiner Ehefrau zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte die 44-Jährige Ende März mit einem Messer getötet, ihr Körper wies über 30 Stiche auf. Der Mann bekannte sich schuldig, vor Gericht sagte er: "Ich habe wahrscheinlich rot gesehen." Österreich hat eine überdurchschnittlich hohe Femizidrate, noch immer werden Frauen hierzulande getötet, weil sie Frauen sind – häufig durch Partner oder Ex-Partner. Die Fälle zeigen meist ein Muster von Kontroll- und Besitzansprüchen, die auf patriarchalen Denkweisen und Strukturen in unserer Gesellschaft beruhen. Darum bleibt es wichtig, darüber aufzuklären, hinzuschauen und zu zeigen, wo es Hilfe gibt – auch für Männer: Newsdesk-Redakteurin Amina Beganovic war es daher ein Anliegen, darüber mit Martin Melchard von der Männerberatung Wien zu sprechen.
Nachzulesen hier: Wenn Gewalt für Männer zum Mittel der Wahl wird
Bericht von der Klimakonferenz
"Würde es nur um einen Stopp des Treibhausgas-Ausstoßes gehen, wären wir vielleicht schon am Ziel. Aber bei der Klimawende geht es eben um mehr, um viel, viel mehr", sagt Bernhard Gaul. Unser Klima-Redakteur ist für die UN-Klimakonferenz extra nach Brasilien gereist. Das Thema ist ihm seit inzwischen mehr als 15 Jahren ein Anliegen.
Nachzulesen hier: Wie die Klimakonferenz in Belém unsere Zukunft bestimmt
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