Die SPÖ-Sozialministerin geht davon aus, dass 10.000 Österreicher jährlich in Teilpension gehen werden – und repariert ein Gesetz, das Sozialleistungen an illegal Aufhältige ermöglicht.
Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) muss für ihre Partei besonders heikle Reformen umsetzen – etwa im Pensionsbereich. Wie sie diese bewertet und Kritikern kontert.
KURIER:Der KURIER hat vor einer Woche getitelt: „Arbeitnehmer verlieren bei Teilpension mehrere Hundert Euro“. Es gab kritische Rückmeldungen, auch aus Ihrem Ressort. Was stimmt daran nicht?
Korinna Schumann: Es stimmt einfach nicht, weil durch die Teilpension die Möglichkeit besteht, Pension zu beziehen und noch dazuzuverdienen. Damit lukriere ich mehr Einkommen, als wenn ich direkt in Korridorpension gehe und dann nur geringfügig dazuverdienen dürfte.
Der Vergleich war eigentlich auf die Altersteilzeit bezogen, bei der man mit Blick auf die spätere Pensionshöhe besser aussteigt. Und die wird teils von der Teilpension ersetzt.
Für uns war klar, die Altersteilzeit muss erhalten bleiben. Das ist auch gelungen. Andererseits war klar, dass wir aufgrund der budgetären Lage einsparen müssen. Deshalb ist die Altersteilzeit nur noch drei statt fünf Jahre möglich. Das greift nicht sofort, bis 2029 gelten Übergangsregelungen. Wichtig ist: Altersteilzeit und Teilpension ergeben künftig ein Ganzes.
Es macht den Eindruck, als täte sich die SPÖ sehr schwer mit diesem Pensionspaket. An einer ersten Präsentation mit den Klubchefs von ÖVP und Neos, Anfang Mai, haben Sie nicht teilgenommen.
Das heißt nicht, dass ich das Vereinbarte nicht mittrage. Dass wir keine Freude mit so manchem haben, was man jetzt aufgrund der Budgetlage machen muss, ist auch klar. Uns ist wichtig, dass wir ein stabiles Pensionssystem haben. Und ich freue mich, dass wir jetzt alle Anstrengungen unternehmen, damit die Menschen länger in Beschäftigung bleiben. Andere Eingriffe, wie die Anhebung des gesetzlichen Antrittsalters, konnten wir abwenden.
Die Frage, wie gut die Teilpension ankommt, ist auch fürs Budget relevant. Mehr als 1,3 Milliarden Euro wollen Sie damit bis 2029 einsparen. Wie viele Menschen müssen in Teilpension gehen, damit diese Rechnung aufgeht?
Wir gehen davon aus, dass 10.000 Personen pro Jahr die Teilpension in Anspruch nehmen werden. Und wir hoffen, dass im Herbst auch für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst die Möglichkeit der Teilpension geschaffen wird.
10.000 klingen bei 100.000 neuen Pensionisten pro Jahr sportlich.
Deshalb machen wir Werbung für diese neue Möglichkeit. Die Teilpension ist ein wirklich gutes Modell, weil es vielen Pensionsbezieherinnen die Möglichkeit gibt, länger erwerbstätig zu bleiben. Und wir setzen auch darauf, dass es den Unternehmen hilft, Fachkräfte damit länger zu halten.
In der aktuellen OGM-KURIER-Umfrage gibt die Mehrheit an, von der Teilpension gehört und sie verstanden zu haben. Akzeptanz und Interesse der Befragten sind noch mäßig. Wie wollen Sie die Stimmung verbessern?
Ganz wichtig ist: Wir müssen uns stärker darauf fokussieren, dass eine längere Beschäftigung zu besserem Einkommen und einer wesentlich höheren Pension führt. Das bringt ja nicht nur dem Staat, sondern auch den Menschen etwas.
Zur Altersteilzeit gibt es spannende Zahlen in der Wirkungsfolgenabschätzung des Finanzministeriums. Die Bezugsdauer sinkt nur leicht, von derzeit 996 auf durchschnittlich 950 Tage im Jahr 2030. Wird da wirklich gespart?
Die Sparpläne bei der Altersteilzeit verlaufen stufenweise, weil wir ja nicht sofort auf drei Jahre runtergehen. Natürlich ist am Anfang der Einsparungserfolg nicht so hoch wie im Vollausbau, ab 2029.
Mehrere Ökonomen zweifeln am langfristigen Spareffekt der Pensionsreform. Unter welchen Umständen wären Sie zu einer Nachschärfung bereit?
Wir haben uns auf einen Nachhaltigkeitsmechanismus zur Absicherung der Pensionen geeinigt. Der verpflichtet mich, ab 2026 jährlich über die Pensionskosten Bericht zu legen. Wird das Einsparungsziel nicht eingehalten, muss ab 2030 nachjustiert werden. Ich hoffe sehr, dass das nicht notwendig wird.
Das müsste ohnehin die nächste Regierung umsetzen. Es wirkt so, als würde Türkis-Rot-Pink den Nachfolgern die wirklich unpopulären Maßnahmen, wie die Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters, überlassen.
Das sehe ich gar nicht so. Wir setzen eine Vielzahl zukunftsträchtiger Maßnahmen, von denen nicht alle goutiert werden. Wir bringen große Sparpakete auf den Weg und drücken uns auch nicht davor. Es bringt nichts, das Pensionsalter anzuheben, ohne gleichzeitig Sicherheit zu haben, dass Menschen länger in Beschäftigung haben. Und die haben wir eindeutig nicht
Finanzminister Markus Marterbauer hielte ein Bonus-Malus-System für Betriebe für sinnvoll: Wer Ältere behält oder einstellt, wird belohnt – wer das nicht macht, bestraft. Fänden Sie das auch gut?
Ich würde es für gut halten, aber es steht nicht im Regierungsprogramm. Mir wäre am allerliebsten, wenn wir ein Bewusstsein bei den Unternehmen schaffen könnten, welch unglaubliches Potenzial ältere Beschäftigte sind.
Sie wollen Pflegekräften den Zugang zur Schwerarbeitspension erleichtern. Andere Berufsgruppen fordern das nun auch. Ist eine Ausweitung der Regelung vorstellbar?
Im ersten Schritt ist es uns wichtig, den Pflegekräften die Schwerarbeitspension zu ermöglichen. Wir arbeiten noch an der Verordnung, aber die Regelung kommt 2026 mit Sicherheit.
Haben Sie überprüft, ob es rechtlich möglich ist, die Regelung nur für Pflegekräfte zu adaptieren?
Das ist sicher in jeder Form haltbar. Es sind jetzt schon gewisse Berufsgruppen bei der Schwerarbeiterregelung einzeln aufgelistet.
Können Sie ausschließen, dass die Pensionsanpassungen für 2026 teilweise unter der Inflationsrate liegen werden?
Die jährliche Pensionsanpassung ist geltendes Recht, der Anpassungsfaktor wird auf Basis der aktuellen Daten im Spätsommer, beziehungsweise Frühherbst berechnet. Ob es wieder eine Staffelung der Erhöhung wie in den vergangenen Jahren geben wird, darüber wird noch verhandelt werden.
Gibt es weitere Maßnahmen im Pensionsbereich, die in absehbarer Zeit erfolgen?
Wir reparieren ein Gesetz. Nach einem OGH-Urteil, 2018, hatten die Pensionsversicherungsträger nicht mehr die Chance zu kontrollieren, ob sich eine Person rechtmäßig in Österreich aufhält. Das wird jetzt wieder möglich. Heißt: Sozialleistungen an Personen, die sich bisher im Familienverband illegal in Österreich aufgehalten haben, werden jetzt eingestellt. Das betrifft die Ausgleichszulage und den Familienrichtsatz.
Wie viele Fälle betrifft das?
Das wissen wir nicht, weil es derzeit nicht kontrolliert werden darf. Im Zuge der Pensionsreform ist uns aufgefallen, dass das dringend repariert gehört.
Bei der Sozialhilfereform sind Sie für Mindeststandards, aber gegen Obergrenzen. Die viel zitierten Fälle in Wien, wo kinderreiche Familien ohne erwerbstätige Eltern besonders viel erhalten, wird es also auch künftig geben?
Ein wesentlicher Punkt, der zu wenig in der Debatte beachtet wird, sind die Mietkosten. Besonders die westlichen Bundesländer sagen, dass sie hier einen Spielraum brauchen, weil die Mietkosten bei ihnen zu hoch sind. Also wir brauchen ein einheitliches System, das auch dem Wunsch der westlichen Bundesländer Rechnung trägt.
Also soll es eine bundesweite Regelung geben, aus SPÖ-Sicht aber ohne Obergrenzen?
Wir sind jetzt in den Verhandlungen. Wesentlich ist ein gemeinsames Modell, bei dem wir die Kinder möglichst gut absichern und eine Integrationsphase schaffen. Wichtig ist, dass wir die verfassungsmäßigen Grundlagen prüfen und schauen, wie wir es gut umsetzen. Und das kann nur im guten Einvernehmen mit den Ländern passieren.
In Ihrem Ressort ballen sich viele Themen, die für die SPÖ besonders wichtig oder schwierig sind. Macht der neue Job trotzdem Spaß?
Also mir macht es große Freude. Ich komme aus der Sozialpartnerschaft und weiß wie wichtig es ist, dass man mit allen redet – und zu einer gemeinsamen Lösung kommt.
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