Als MMA-Boxer bewies er bereits im zarten Alter von 16 Jahren viel Durchschlagskraft bei diversen Mixed-Martial-Arts-Wettkämpfen in den Niederlanden. Von da an lebte Vira A. (29) das gefährliche Leben eines Schwerverbrechers. Einbrüche, Drogen, gestohlene Autos, diverse Gaunereien und schließlich Bankomat- und Juwelier-Coups in diversen europäischen Ländern – auch in Österreich.
Neun Jahre Haft
Der 29-jährige Niederländer geht vermutlich als Ausbrecherkönig in die Kriminalgeschichte Österreichs ein.
Denn allzu vielen Gefangenen ist es bisher nicht gelungen, aus einem gut gesicherten Gefängnis zu türmen. Dem berüchtigten Kopf der "Rammbock-Bande“, der erst im vergangenen Herbst zu neun Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, ist Montagfrüh nach allen Regeln der Kunst ein filmreifer Ausbruch aus der Justizanstalt Wiener Neustadt geglückt.
Dem KURIER liegen Interna vor, wie Vira A. es in nur wenigen Minuten schaffte, die Justiz an der Nase herumzuführen.
Eines vorweg: Die Angaben der diensthabenden Justizmannschaft aus dem Gefängnis unterscheiden sich deutlich von der hochoffiziellen Version, die das Ministerium nach außen kommuniziert.
Muskelspiele
Auf mehrmalige Nachfrage erklärte Sina Bründler, Ressortsprecherin des Justizministeriums, dass sich der 29-Jährige am Montag in jener Abteilung aufhielt, in der sich auch sein Haftraum befindet. "Von dort aus konnte er sich Zugang zum Stiegenhaus verschaffen. Er hatte manipuliertes Haftrauminventar bei sich. Von dort aus gelang es ihm, durch massive Gewalteinwirkung gegen bauliche Sicherheitseinrichtungen den Zugang zum Dach zu erreichen, von wo aus er in die Maximiliangasse geflüchtet ist.“ Auf weitere Details wolle man nicht eingehen, erklärt Bründler.
Vira A. flüchtete aus der Justizanstalt Wiener Neustadt
Geheimniskrämerei um Seil
Dem KURIER liegen Informationen von involvierten Justizbeamten vor, wonach der Ausbruch etwas anders abgelaufen sein soll. Demnach wurde Vira A. Montagfrüh für sein Training im hauseigenen Fitnessraum der Strafanstalt aus seinem Haftraum gelassen. Dabei soll er eine Tasche bei sich getragen haben. Dieses Detail ist deshalb interessant, weil das Justizministerium seit Montag bestreitet, dass der 29-Jährige ein Seil für seine Flucht benutzte. Genau dieses soll sich aber laut den internen Informationen aus der Haftanstalt in der Tasche befunden haben.
Während des Fitnesstrainings gelang es dem 29-Jährigen, am Gang neben dem Sporttrakt eine vergitterte Dachluke aufzubrechen. Weil ihm das nicht auf Anhieb geglückt sei, soll er eine Hantel- bzw. Griffstange eines Fitnessgerätes zu Hilfe genommen haben. Über die Luke gelangte der Ausbrecher auf ein Flachdach. Mit Hilfe des Seils soll er von diesem Dach auf die Maximiliangasse gelangt sein. Dabei wurde er beobachtet und der Alarm ausgelöst. Justizbeamte eilten dem Flüchtigen sogar noch nach, allerdings ohne Erfolg. Er konnte untertauchen.
Sechs Minuten
Laut den internen Angaben und Videoaufzeichnungen benötigte Vira A. für seinen Ausbruch nicht ganz sechs Minuten. Seit Montag wird nach dem Kriminellen wieder gefahndet. Helfen soll ein veröffentlichtes Fahndungsfoto des Niederländers. Es wird vermutet, dass der Ausbruch von langer Hand geplant war und der Chef der "Rammbock-Bande“ auch Helfer hatte. Für die Polizei gilt der Ausbrecher als hochgradig gefährlich, besonders wegen seines Umgangs mit Sprengstoffen.
Eines der angezündeten Autos der Bande nach einem Bankomat-Coup in NÖ
Vom Kickboxer zum Gewaltverbrecher
Der 29-jährige Niederländer, dem am Montag die Flucht aus der Justizanstalt Wiener Neustadt gelang, ist auch für die niederländische Polizei kein Unbekannter. Bereits im Alter von 16 Jahren stand er wegen eines Handtaschenraubes vor dem Richter. Dutzende von Stunden gemeinnütziger Arbeit musste Vira A. leisten, mehrere Monate hat er in den Niederlanden hinter Gittern verbracht.
A. hat kroatische Wurzeln. Sein Vater floh in den frühen 1990er-Jahren in die Niederlande. Er wuchs in der Stadt Nieuwegein auf und war aktiver Kickboxer. Sein ehemaliger Trainer Robbert van den Heuvel ist fassungslos: "Unglaublich. Als er etwa 13 Jahre alt war, kam er mehrmals in der Woche zu uns zum Training. Ich hatte nie ein Problem mit ihm, aber als er etwa 16 Jahre alt war, hat er seinen eigenen Weg gewählt.“
Nach seiner ersten Verurteilung wegen Handtaschenraubes stand A. zwei Jahre später wegen Einbrüchen vor Gericht. Diesmal musste er für sieben Monate hinter Gitter. Es folgten Verurteilungen wegen des Besitzes von Pfefferspray, weiterer Einbrüche und Diebstähle.
Mit den Jahren nahm die Bereitschaft zur Gewaltanwendung zu. 2018 – er war damals 23 Jahre alt – soll er einem Autofahrer zwei Handys und 400 Euro brutal geraubt haben. Laut Anklageschrift stieg A. in das Auto des Opfers ein, trat ihm gegen den Kopf und bedrohte ihn mit einer umgebauten Schreckschusspistole. Er drückte sogar ab und schlug mit der Waffe auf den Kopf des Opfers ein.
Faible für Waffen
Zuletzt stand er vor fünf Jahren in den Niederlanden vor Gericht. Zusammen mit anderen hatte er einen Raubüberfall auf ein Haus begangen, bei dem Schmuck und Bankkarten entwendet wurden. In seinem Auto fand die Polizei eine Beretta-Schusswaffe samt Munition.
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