Wie die Klimakonferenz in Belém unsere Zukunft bestimmt

Protest to call for climate justice and territorial protection, in Belem
Die Klimakrise wird unser Leben verändern – ob wir wollen oder nicht. Der EU-Beschluss zu minus 90 Prozent CO2 bis 2040 ist nur der Anfang eines gewaltigen Umbaus.

Wie soll unsere Welt, wie soll Österreich in 20, 30, 50 Jahren aussehen – wie wollen wir wohnen, arbeiten, mobil sein? Die Wirtschaftsmodelle, die Industrienationen wie Österreich in den vergangenen 80 Jahren zu großem Wohlstand und einem einzigartigen Netzwerken verholfen haben, sind in Gefahr. Und das hat massiv mit der Klimakrise zu tun – egal, ob man daran glaubt oder nicht.

Das sind die großen Leitplanken, über die in den vergangenen zwei Wochen in Belém, einer Millionenstadt mitten im Amazonas-Regenwald, verhandelt wurden.

Brasiliens Präsident Lula hat die Konferenz absichtlich hierher verlegt, um der Welt zu zeigen, unter welchen Umständen Menschen leben. Belém ist eine arme Stadt mit dem höchsten Favela-Anteil Brasiliens; notdürftige Blechhütten schützen die Bewohner weder vor Sonne noch vor Starkregen. Im Vorjahr erlebte die Amazonas-Region eine noch nie da gewesene Dürre, die Nebenflüsse austrocknen ließ und Siedlungen unerreichbar machte.

Auch Papst Leo XIV. schickte vor wenigen Tagen Grüße an die Klimakonferenz und sprach dabei über die Folgen der Klimakrise: „Die Schöpfung schreit unter Überschwemmungen, Dürren, Stürmen und unerbittlicher Hitze. Jeder dritte Mensch ist aufgrund dieser Klimaveränderungen in großer Not. Für sie ist der Klimawandel keine ferne Bedrohung und sie zu ignorieren bedeutet, unsere gemeinsame Menschlichkeit zu verleugnen.“

Transition

Genau über diese Katastrophen im Hier und Jetzt und die Frage, wie sie begrenzt werden können, wurde in Belém tagelang verhandelt. Würde es nur um einen Stopp des Treibhausgas-Ausstoßes gehen, wären wir vielleicht schon am Ziel. Aber bei der Klimawende geht es eben um mehr, um viel, viel mehr.

Mehr als 50 Themen und 325 Textentwürfe wurden in Belém verhandelt – von Vertreterinnen und Vertretern der 193 Vertragsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention. Es geht um das Senken der Emissionen und das 1,5-Grad-Ziel, um Klimafonds, Treibhausgasbilanzen, Zölle, Lebensmittelsicherheit.

Es geht um das große Thema Transition (Übergang) und Anpassung. Denn nicht nur wir Österreicher, der Großteil der Welt hängt gleichsam an der fossilen Nadel, auch wenn vom Öl und Gas nur wenige Staaten und Konzerne profitieren.

82 Prozent Fossile

Im Jahr 2023 machten fossile Brennstoffe 82 Prozent des globalen Energiemixes aus. Ökonomische Berechnungen kommen zu dem Ergebnis, dass die weltweite Öl- und Gasförderung seit 1970 rund 52,5 Billionen US-Dollar an Gewinnen nach Abzug der Förderkosten eingespielt hat; das entspricht im Schnitt gut einer Billion US-Dollar pro Jahr, hat Aviel Verbruggen, Energieökonom der Uni Antwerpen, 2020 berechnet.

Wenn bei den UN-Klimagipfeln also über den Umbau der Volkswirtschaften die Rede ist, geht es im Kern um den geordneten Umbau von einer fossil betriebenen, hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft – also weg von Kohle, Öl und Gas, hin zu Erneuerbaren, Effizienz und anderen Wirtschaftsstrukturen.

Diese Transition betrifft Energieversorgung, Verkehr, Industrie, Gebäude, Landwirtschaft und Finanzströme – und damit auch Arbeitsplätze, Regionen und Staatshaushalte. Politisch brisant wird es, weil immer die Fragen dahinterstehen: Wer zahlt den Umbau, wer verliert, wer profitiert – und wie sorgt man für eine „just transition“, also einen sozial gerechten Übergang?

BRAZIL-CLIMATE-COP30-UN-PROTEST

Brasiliens Präsident da Silva (re.), COP30 President Andre  
Correa do Lago und Brasiliens Umweltministerin Marina Silva. 

Diese „just transition“ ist ein großes Thema bei Klimakonferenzen, selten aber wird zugegeben, dass auch Industrienationen wie Österreich da Antworten brauchen: Wir stützen gerade die energieintensive Industrie mit einem „Strombonus“ aus Steuergeld, damit deren Energieverbrauch zahlbar bleibt, eben weil wir keine billige Energie mehr haben. Der Landwirtschaftsminister hat beim EU-Beschluss zu minus 90 Prozent Treibhausgasen bis 2040 extra ausverhandelt, dass energieintensive Betriebe noch lange von der CO2-Steuer ausgenommen bleiben. Das politisch gerechtfertigte Motiv ist natürlich der Erhalt der Arbeitsplätze, aber wie lange kann ein Unternehmen, das am staatlichen Tropf hängt, wirklich überleben?

Die Minus 90 Prozent CO2 in 15 Jahren heißen auch, dass die Verbrennermotoren und die Verbrennerindustrie mit Getrieben und Auspuffanlagen verschwinden werden. Noch verweist die Politik auf klimaneutrale Kraftstoffe wie E-Fuels. Doch die gibt es nicht in den nötigen Mengen – und sie wären so teuer, dass sie nur für eine kleine Luxus-Kundschaft leistbar wären.

Diesen Umstand hat sich die Politik bisher nicht getraut, auszusprechen. Aus Furcht, dass die Freiheitlichen davon profitieren, wenn man von einem Verbrennerverbot, Gasheizungstausch und der alternativlosen Transition der Volkswirtschaften spricht.

„Emokratie“

Apropos Freiheitliche: Die fahren seit Jahren im Trump-Fahrwasser und negieren wie dieser faktenwidrig die Klimakrise. Als ob die Vertreter von 193 Staaten hier in Belém einem Scherz aufsitzen. „Emokratie“, nennt das der Politikberater Thomas Hofer. Damit meint er eine Abkoppelung der Emotion von der Faktenebene: „Wenn man bei seinen Zielgruppen eine emotionale Basis findet, wird es geglaubt. Das beherrschen Trump, aber auch die Freiheitlichen, handwerklich perfekt.“

Und wie endete die 30. Klimakonferenz? Mit einem Minimalkonsens ohne einen Hinweis darauf, wann alle Staaten aus fosiller Energie aussteigen wollen. Trotz aller Blockaden und der Einstimmigkeitsregel sind diese Konferenzen der einzige Ort, an dem 193 Staaten überhaupt über einen geordneten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas sprechen – genau dieser Ausstieg wird darüber entscheiden, wie wir in 20, 30, 50 Jahren leben. Blöd nur:

Die Erdölstaaten wollen nicht auf ihre 1.000 Milliarden Dollar jährlich verzichten. Das müssen sie auch nicht, solange wir von den Fossilen derart abhängig bleiben.

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