Klimakonferenz vor Zerreißprobe: Warum eine Einigung so schwierig ist
Dass Einigungen bei UN-Klimakonferenzen alles andere als einfach sind, zeigt sich schon daran, dass aktuell in der brasilianischen Amazonas-Stadt Belém bereits der 30. Gipfel stattfindet.
Gastgeber Brasilien mit Gipfelpräsident André Corrêa do Lago hatten so gut begonnen – doch in der finalen zweiten Woche der Konferenz scheint ihnen gegen Ende der Prozess überraschend und massiv entglitten zu sein.
Dienstagfrüh legten die Brasilianer Verhandlungstexte vor, die vielversprechend waren. Donnerstagnachmittag hätte das Paket festgeschnürt werden sollen, als plötzlich ein Feuer im Ausstellungsraum zu lodern begann. Ernsthaft verletzt wurde niemand, dennoch musste das Gelände mit Zehntausenden Teilnehmern evakuiert werden.
Somit fiel der Donnerstag komplett für intensive Verhandlungen aus, damit war auch klar, dass keinesfalls die Konferenz wie geplant bereits Freitagabend um 18 Uhr (22 Uhr in Österreich) enden wird. Aber von einer Verlängerung gingen ohnehin die meisten Delegierten aus.
Freitagfrüh um 3 Uhr Ortszeit veröffentlichten die Brasilianer dann neue Verhandlungstexte – und die schockierten: Keine Erwähnung der fossilen Energien, kein Plan zum Ausstieg aus Öl und Gas. Insidern zufolge stemmen sich vor allem Saudi-Arabien und andere ölproduzierende Länder gegen einen solchen Fahrplan. Genau hier liegt die größte Schwäche von Weltkonferenzen der Vereinten Nationen: Für einen Beschluss darf es keine Gegenstimme geben. Jedes auch noch so kleine Land kann blockieren.
Noch vor Morgengrauen koordinierten sich 29 Staaten, darunter auch Österreich und Deutschland, und verurteilten den Text als völlig unzureichend: „Wir können einem Ergebnis nicht zustimmen, das keinen Fahrplan für die Umsetzung eines gerechten, geordneten und fairen Übergangs weg von fossilen Brennstoffen enthält“, schrieben sie an die brasilianische Präsidentschaft. „Diese Erwartung wird von einer überwältigenden Mehrheit der Vertragsparteien, ebenso wie von der Wissenschaft und von den Menschen, die unsere Arbeit aufmerksam verfolgen, geteilt. Die Welt erwartet von dieser Klimakonferenz, dass sie (...) Kontinuität und Fortschritt hervorbringt. Alles andere würde unweigerlich als Rückschritt wahrgenommen werden.“
Freitagvormittag dann die Koordinierungssitzung der EU-Staaten, einem der wesentlichen, wenn auch bei weitem nicht mächtigsten Verhandlungsblock. Ergebnis war die Drohung, dass die EU lieber gar kein Ergebnis hat, als diese Texte anzunehmen.
Dennoch: In der nachfolgenden, nicht öffentlichen Sitzung brachte EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra eine starke Rede vor: "Wir stimmen der Aussage von Präsident Lula voll und ganz zu, wir unterstützen und fördern sie und müssen sicherstellen, dass wir, wenn die nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben, unsere wichtigste Aufgabe erfüllen. Und zwar die Lücke zu schließen. Dafür sind wir hier. Und nun zum Text. Sehen Sie ihn sich an. Nichts davon ist darin enthalten."
Und schloss mit den Worten: "Deshalb möchte ich es noch einmal ganz deutlich sagen: Wir werden das unter keinen Umständen akzeptieren."
Dennoch, danach sollen vor allem die Saudis, als Wortführer der arabischen Gruppe, ziemlich aggressiv die Europäer zu einem Deal aufgefordert haben. Die afrikanische Gruppe schloss sich der Position der Araber an. Als Begründung werden die historischen Emissionen ins Treffen geführt – die Klimakrise wird durch das CO2 verursacht, die wir westliche Industriestaaten seit 200 Jahren in die Atmosphäre blasen.
Andererseits bekamen die Europäer auch Rückendeckung, von den kleinen Inselstaaten, den am wenigsten entwickelten Ländern, der Lateinamerikagruppe und den - nach dem Ausscheiden der Amerikaner- Resten der Umbrella-Gruppe mit Japan, Australien, Neuseeland, Kanada.
Bis Freitag, 19 Uhr, war keine Einigung in Sicht.
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