So seltsam war der Wahlkampf 2019

So seltsam war der Wahlkampf 2019
Ein ungewöhnlicher Wahlkampf geht zu Ende. Die Parteien beenden ihre Kampagnen. Eine Rückschau in Zahlen, Daten und Zitaten.

Dieser Wahlkampf endet so, wie er begonnen hat: mit einem saftigen FPÖ-Skandal. „Genug ist genug“, sagte ÖVP-Chef Sebastian Kurz am 18. Mai und kündigte die Koalition mit der FPÖ.

Es sollte ein ungewöhnlicher Wahlkampf werden. Er war arm an Themen wie kaum ein Wahlkampf zuvor. Das einzige durchgängige Sachthema war der Klimaschutz, und auch diese Debatte blieb an der Oberfläche hängen.

Nicht nur thematisch bewegte sich wenig. Auch die Umfragen zeigten nur geringe Verschiebungen. „Die großen Wählerflüsse haben schon vor Beginn des Wahlkampfs rund um das Aufkündigen der Koalition und die EU-Wahl im Mai stattgefunden“, sagt Meinungsforscher Peter Hajek.
 

Die großen Verschiebungen waren der Zulauf zur ÖVP vor allem auf Kosten der FPÖ sowie der Aderlass bei der SPÖ zugunsten der Grünen. Wenn der Wahlkampf also ohnehin fast nichts mehr bewirkte – hätten sich die Parteien also die Millionen für den Wahlkampf sparen können?

„Nein“, meint Hajek. „Auch Coca Cola kann es sich nicht leisten, keine Werbung zu machen. Das ginge nur, wenn alle darauf verzichten. “

So seltsam war der Wahlkampf 2019

Die Kandidaten waren 774 Minuten am Wort.

Nachfolgend finden Sie eine Rückschau auf den Wahlkampf – in Zahlen, Bildern, Videos, und Zitaten. Außerdem haben wir die Aufreger, Ausrutscher und Skurillititäten des Wahlkampfs gesammelt.

Das waren die Schmankerln des Wahlkampfs

Bügeln auf der Bühne: SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner schlug Burgenlands Landeschef Hans Peter Doskozil bei einem Bügel-Duell. Nicht nur Feministinnen waren irritiert.

Stummer Gast In vielen TV-Duellen sprachen die Spitzenkandidaten über die „Pendler aus dem Waldviertel“. Dabei ist dieses Beispiel nicht das Beste: Die "Waldviertler" pendeln kaum; die Masse der Wien-Pendler kommt aus dem Speckgürtel.

Club 55: Auch ein Besuch Rendi-Wagners in einem nicht eben billigen Strand-Club an der Côte d‘Azur erregte die Gemüter. Dann wurden Zweifel laut, ob die SPÖ-Chefin im Wahlkampf ein Cordon bleu verputzte – es kam zum Schnitzel-Lunch mit der KURIER-Chefredakteurin.

Die „Waldviertel-Causa“: Sebastian Kurz stellte sich im Wahlkampf gern als Waldviertler dar. Ein Video zeigte ihn bei zwei Aussagen zu seiner Herkunft: ein Mal Wien-Meidling, ein Mal Waldviertel. Kurz erklärte, er könne sich an zwei Orten zu Hause fühlen.

Paartherapie Die FPÖ inszenierte Norbert Hofer (siehe Bild) mit Kurz bei der Eheberatung. Botschaft: Ich will dich zurück.  Das Video fiel sogar unter anderen schrägen Clips als besonders skurril auf.

42 Stunden TV-Wahlkampf wurden den Wählern seit Anfang August zugemutet, darunter 25 direkte Duelle

1.210.145 Interaktionen gab es in den Sozialen Medien auf Postings der Spitzenkandidaten. Die meisten davon bei Beiträgen von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, nämlich 649.834.

1.273.397 Follower hat Altkanzler  Sebastian Kurz in den Sozialen Medien – mehr als alle anderen Kandidaten zusammen. Auf dem hintersten Platz liegt Werner Kogler mit nur 49.926 Followern.

6.049.000 Euro betragen die Werbeausgaben der Parteien seit Juli 2019 (ohne  Ausgaben für  Soziale Medien). In der letzten Woche dürfte noch einiges hinzukommen. Trotzdem wurde deutlich weniger ausgegeben als 2017 (19,5 Mio. Euro).

10.000 Kilometer hat SPÖ-Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner im Wahlkampf zurückgelegt. Auch Kurz war unterwegs und hat 50  Gemeinden besucht sowie 100 Wahlkampfauftritte und rund 30 TV-Auftritte hinter sich. Grünen-Chef Werner Kogler  nutzte rund  85 Medientermine, um für sich zu werben.

Das waren die Aufreger des Wahlkampfs

Angeblicher Datenklau bei der ÖVP: 1300 Gigabyte Daten sollen Hacker der ÖVP gestohlen haben. Der Falter druckte Interna. Was die Frage aufwarf: Wie sollen Medien mit illegal besorgten Infos umgehen?

Straches Spesenkonto: Der Ex-Parteichef blieb nach Ibiza und Casino-Affäre im Gerede – mit Spesen von 10.000 Euro pro Monat.
 
Spenden-Trickkiste: Milliardärin Heidi Horten spendete der ÖVP mehrmals 49.000 Euro – und vermied so die Meldepflicht. Kurz vor Inkrafttreten neuer Spendengrenzen überwies Hans Peter Haselsteiner den Neos 300.000 Euro. So hoch ist auch die Wahlkampfhilfe der Gewerkschaft für die SPÖ.  

Spenden für Chorherr: Auch die „sauberen“ Grünen plagt ein Skandal:  Der Wiener Mandatar Christoph Chorherr soll Spender für sein Afrika-Projekt bei Flächenwidmungen begünstigt haben.

Operation Reißwolf: Ein türkiser Kanzleramtsmitarbeiter ließ kurz vor Regierungsende unter falschem Namen außer Haus fünf Festplatten schreddern.

Das waren die Zitate des Wahlkampfs

  • „Ich kann auch gerne aufhören zu atmen, dann können Sie länger reden“, Beate Meinl-Reisinger fühlte sich im TV-Duell mit Sebastian Kurz benachteiligt.
  • „Ich würde mir  einfach eine ordentliche Mitte-Rechts-Politik in Österreich wünschen“, Sebastian Kurz äußerte sich zu möglichen Koalitionen.
  • „Mit dieser türkisen Schnöseltruppe geht es sicher nicht“, auch Werner Kogler dachte bereits über mögliche Koalitionspartner nach.
  • „Ich liebe Ihre Arroganz“, sagte Pamela Rendi-Wagner zu Sebastian Kurz.
  • „So dumme Menschen, dachte ich, kann es gar nicht geben. Und so angesoffen kann man auch nicht sein“, Michael Häupl  dachte zuerst, das Ibiza-Video sei eine Parodie.

Das waren die Ausrutscher des Wahlkampfs

Das waren die Videos des Wahlkampfs

Personen-Komitees waren gestern – diesmal setzten die Parteien auf Promi-Videos.  Spott in den sozialen Netzwerken  gab es vor allem für Schauspielerin Christiane Hörbiger,  die in einem Video für Sebastian Kurz warb und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ungelenk attackierte. Fortan setzte die ÖVP lieber auf Sportler: etwa  auf Tennis-Legende Thomas Muster und Ski-Star Michael Walchhofer.


 

So seltsam war der Wahlkampf 2019

Über diese Themen wurde am meisten in den TV-Auftritten debattiert.

Auch – angeblich – unfreiwillige Video-Botschafter gab es: Die SPÖ warb mit Ex-ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner. Er habe nichts davon gewusst, beteuerte dieser wenig später. 

Mitarbeit: Diana Dauer, Emilio Haumer

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