Luxus und Prestige: Was dürfen sich Politiker leisten?
„Das Schnitzel“, postet SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner auf Twitter, „darf nicht zum Luxus werden.“
Wenig später wird sie im Urlaub im noblen „Le Club 55“ an der französischen Côte d’Azur gesichtet – und fotografiert. Das Bild landet in eben jenen sozialen Netzwerken, derer sich Rendi-Wagner noch kurz zuvor selbst bedient hat.
Ein „Luxusclub“, schreiben Boulevardmedien wenig später. Das „berühmteste Strandlokal der Welt“, nannte es die seriösere Frankfurter Allgemeine einst. Ein Steak kostet im „Le Club 55“ zwischen 30 und 40 Euro. Zumindest, wenn man Speisekarten Glauben schenkt, die im Internet kursieren. Das ist nicht die Welt. Und nicht mehr als in manchem Wiener Innenstadtlokal.
„Aber Insignien des Luxus wie mondäne Urlaubsorte, teure Uhren, erlesene Weine oder besonderes Essen waren immer schon das Problem der SPÖ“, weiß Josef Kalina, Berater und früherer Sprecher von SPÖ-Kanzler Viktor Klima. Das widerspreche Ideologie und Image. Rendi-Wagners Problem potenziert sich, weil sie jüngst wissen ließ, ihren Urlaub in Jesolo verbringen zu wollen.
Ein hoher Preis
Wie sich Politiker privat präsentieren, wurde in den vergangenen Jahren zunehmend Gegenstand medialer Debatten. Das Private ist – auch in diesem Zusammenhang – längst politisch. Neu ist das nicht. Im Zeitalter der sozialen Medien sind die Chancen, als Politiker in der Öffentlichkeit unbemerkt zu bleiben, gegen null gesunken. Oder, wie es OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer formuliert: „Als Politiker bist du öffentliches Gut. Der größte Preis, den man in der Politik zahlt, ist der der Privatsphäre.“
Alles wird kommentiert, geteilt und geliked. Zumeist nutzen kluge Parteistrategen das zum eigenen Vorteil. Sind sie unachtsam, zeigt sich rasch: Vom nächsten Shitstorm ist man oft nur einen Klick entfernt. In einem Polit-System, in dem sich so vieles um Inszenierung und Image dreht, ist das ein Problem.
Getroffen hat es oft die Sozialdemokratie, Rendi-Wagner befindet sich in prominenter Gesellschaft: Bei Parteichef Alfred Gusenbauer waren es teure Rotweine. Bei Christian Kern seine Leidenschaft für Uhren, die auch Sohn Niko teilt. SPÖ-Geschäftsführer Thomas Drozda hatte nicht nur mit Uhren, sondern auch mit – entliehenen – Gemälden Ärger. Gerade in der (früheren) Arbeiterpartei kommt Derartiges nicht gut an.
„Das Bild widerspricht dem, was Rendi-Wagner predigt“, sagt Heidi Glück, PR-Expertin und Beraterin des damaligen ÖVP-Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel. „Politik lebt von Bildern, und Bilder sind mehr denn je stärker als jede Aussage.“
Konkret heißt das: „Du kannst nicht die Reichensteuer fordern und dich gleichzeitig in einen Luxus-Club setzen.“ Eine Reichensteuer könne die SPÖ „jetzt nicht mehr glaubwürdig vertreten“, sagt Glück. „Das Thema ist durch.“
Verstanden habe sein Geschäft übrigens Viktor Klima, sind sich Berater wie Beobachter einig. Danach gefragt, warum er, Klima, immer das Gleiche – blaues Sakko, weißes Hemd und rote Krawatte – trage, habe er so beantwortet: „Das ist meine Arbeitskluft.“ Der blaue Anzug als Parallele zum blauen Arbeitsgewand. Das funktioniert.
Ähnlich verhält es sich bei den Grünen. Zu Fuß oder auf dem Rad von A nach B zu gelangen, das gehört gleichsam zur grünen DNA. Gerade in Zeiten, da Klimaschutz Thema Nummer 1 ist und Aktivistin Greta Thunberg nach Amerika segelt statt fliegt, müssen Politiker auf die Wort- wie Fortbewegungswahl achten.
Das gereicht gerade den Grünen in Deutschland zum Schaden. Geht es nach einem Bericht der Bild-Zeitung, so gehen die meisten Flugkilometer aller Bundestagsabgeordneten partout auf das Konto der Grünen.
Ein Vorteil für die ÖVP
Das zeigt: Was erlaubt ist und was nicht, hängt von der Positionierung ab. Bei der ÖVP kann das ein Vorteil sein. „Ihr gesteht man als Wirtschaftspartei ganz andere Dinge zu“, sagt Glück. „Gemäß dem Motto: Wer gut wirtschaftet, viel arbeitet, der darf sich etwas leisten.“
Dennoch ist gerade auch die ÖVP um die „richtige“ Inszenierung bemüht: Dass Sebastian Kurz Economy Class fliegt, ist Strategie. „Ich lebe so wie ihr“, wolle Kurz damit sagen, erklärt Bachmayer. Kurz trage „immer einen ähnlichen Anzug, ähnliche Schuhe, ein weißes Hemd. Er fährt gut damit.“
Die deutsche CDU-Chefin Angela Merkel macht es vor: Sie wurde zuletzt gelobt, weil sie drei Mal mit derselben Robe zu den Salzburger Festspielen erschien. Merkel ist für Berater Kalina „die Bescheidenheit zur Perfektion“.
In Bescheidenheit üben sich in Ferienzeiten fast alle Politiker. Urlaub zu Hause und in den Bergen ist die Devise. Mehr noch: „Es ist zur Manie geworden, dass Politiker in Österreich wandern, damit ja keine Neiddebatte entsteht“, sagt Bachmayer.
Auch FPÖ-Chefstratege Herbert Kickl versteht das: „Berge statt Balearen“, fasste er sein Urlaubsmotto jüngst zusammen. Ex-FPÖ-Chef Strache zelebrierte seine Liebe zur Party-Insel Ibiza – lange vor der Affäre, die ihn zu Fall brachte.
Warum das von Wählern goutiert wurde bzw. wird? „Weil er dazu steht und es als authentisch wahrgenommen wird“, sagt Glück. Apropos FPÖ: Rechten Politikern gelingt es am besten, der Empörungsfalle zu entkommen. Der Bruch mit Konventionen ist, siehe US-Präsident Donald Trump, Teil ihrer Strategie. Ihre Wähler belohnen das oft sogar. Der FPÖ könnte das – nach Ibiza – im Herbst die Wahl retten.
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