Psyche im Taumel: "Müssen Terrorangst mit trotziger Kraft begegnen"

Die terroristisch motivierten Attentate in der Wiener Innenstadt lassen viele Menschen ratlos und mit diffusen Angstgefühlen zurück.
Psychiater Georg Psota plädiert dafür, Bedrohungsgefühle anzuerkennen. Gleichzeitig warnt er vor einem "Angsthype".

Nach den Attentaten in der Wiener Innenstadt macht sich in der Bevölkerung eine bedrückende Mischung aus Ohnmacht, Beklemmung und Fassungslosigkeit breit. Ein Ausnahmezustand für die Psyche.

Georg Psota, Chefarzt der Psychosozialen Dienste in Wien, erklärt im Interview, was solche Anschläge in Menschen auslösen, wieso es hilft, in Kontakt zu bleiben und was passiert, wenn Terrorangst auf Pandemiesorgen trifft.

KURIER: Wien steht unter Schock, ganz Österreich ist betroffen: Was machen die ungeheuren Vorfälle von gestern mit uns?

Georg Psota: Sie verunsichern uns, und sie machen Angst. Wichtig zu wissen ist, dass Angst eine ganz normale, adäquate Reaktion auf solche Geschehnisse ist und man sich auch eingestehen darf, Angst zu empfinden.

Welche psychischen Reaktionen können als Antwort auf die Geschehnisse auftreten?

Das kommt in erster Linie darauf an, wie nahe man mit den Attentaten zu tun hatte. Ob man direkt vor Ort war, oder indirekt aus den Medien davon erfahren hat. Wenn man unmittelbar etwas davon mitbekommen hat, kann es sein, dass man diese Bilder nicht mehr los wird und die bedrängenden Szenen der außergewöhnlichen Bedrohung immer wieder durchlebt. Das ist ein sehr unangenehmer Zustand, der meist mit Gefühlen von Hilflosigkeit und Kontrollverlust einhergeht. Auch Schlafstörungen und Reizbarkeit können auftreten. In diesen Fall ist es ganz wesentlich, dass man sich Hilfe holt. Die entsprechenden Beratungsstellen stehen hier mit Spezialistinnen und Spezialisten zur Verfügung.

Was raten Sie Menschen, die nahe des Tatortes waren, eventuell sogar Teile der Attentate mitbekommen haben, ganz konkret?

Das Vorrangigste ist, dass diese Menschen jetzt in eine sichere und ruhige Umgebung kommen. Das klingt banal, aber das ist wichtig. Sie sollten sich an einem Ort aufhalten, wo sie sich geschützt und wohlfühlen. Ich rate auch dazu, sich mitzuteilen. Viele Menschen verfügen über einen großen sozialen Airbag – Freunde oder Familie, an die man sich wenden kann. Durch das Mitteilen teilen wir auch die Schwierigkeiten, vor die uns solche Situationen stellen. Der emotionale Brocken, den es zu verarbeiten gilt, wird kleiner und man verspürt automatisch Erleichterung. Wenn diese natürlichen, oft intuitiven Entlastungsvorgänge nicht ausreichen, dann ist der Moment, sich professionelle Hilfe zu holen. (Die Psychiatrische Soforthilfe steht rund um die Uhr als Not- und Krisendienst unter der Rufnummer +43 1 31330 zur Verfügung.)

Was empfehlen Sie allen anderen, die die Vorfälle über die Medien verfolgt hat, zur Bewältigung?

Wozu ich rate, ist, sich nicht in den Ereignissen zu verlieren, sich wenn möglich nicht allzu sehr hineinzusteigern, sich ablenken zu lassen und wieder in die normale Tagesroutine zu finden. Das gelingt unter anderem dann am besten, wenn medial nicht in Endlosschleife angstmachende Bilder von in Panik geratenden Menschen gezeigt werden. Das ist in Wahrheit ein Triumph für die Terroristen, die genau das wollen: Angst schüren und ein Durcheinander erzeugen. Diese Genugtuung sollten wir ihnen nicht gönnen. Was man nicht vergessen darf: Je mehr man vor allem sehr explizite Bewegtbilder zeigt, desto größer ist die Gefahr, dass sich Nachahmer finden. Und das ist das Letzte, was wir jetzt brauchen.

Es gibt ein umfassendes Krisenbetreuungsangebot in Österreich über diverse Hotlines. Womit wenden sich Menschen in solchen Ausnahmezuständen an die Expertinnen und Experten?

Die Telefone laufen derzeit natürlich heiß. In den vergangenen paar Stunden hat sich in dieser extremen Situation ein breites Spektrum an Anfragen offenbart. Es melden sich einerseits Menschen, die wirklich in der Nähe der Anschläge waren und teilweise traumatisiert sind. Sie werden an eine entsprechende Akutbetreuung verwiesen und von geschulten Expertinnen und Experten direkt aufgesucht. Dann gibt es andererseits Menschen, die nicht unmittelbar dabei waren, bei denen die Nachrichten aber aus verschiedenen Gründen heftige Spuren hinterlassen haben. Und dann melden sich auch etliche, die einfach verunsichert sind oder sich um Nahestehende sorgen und Rat suchen. Zum Beispiel, was den Umgang mit Kindern in solchen Situationen angeht.

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