Europa baut Gasversorgung um, Österreich macht nicht mit
Viele europäische Staaten haben in Folge des russischen Angriffskrieges ihre Gasimporte umgeschlichtet. Nicht zuletzt die Sprengung der vormals wichtigsten Versorgungspipeline Nord Stream im September 2022 macht das nötig.
Exemplarisch ist dabei Deutschland, das in Rekordzeit drei Flüssiggas-Terminals gebaut hat. In Österreich gibt es zwar ein Bekenntnis zur Unabhängigkeit von russischem Gas bis 2027, solange es aber am Knotenpunkt Baumgarten ankommt, wird es aber auch nicht zurückgeschickt.
Die Lieferverträge der OMV mit Gazprom laufen noch bis 2040. Im Jahr 2022 kamen 57 Prozent der Erdgasimporte aus Russland, deutlich weniger als die etwa 80 Prozent davor. In den vergangenen Monaten ist der Anteil aber wieder gestiegen, anfang des Jahres auf gut drei Viertel und zuletzt auf 64 Prozent (April 2023). Die EU-Kommission hat Österreich kürzlich für seine mangelnden Anstrengungen gerüffelt: Österreich habe keinen "klar definierten kurzfristigen" Plan.
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler möchte zwar die Energieversorger in die Pflicht nehmen, bisher zeichnet sich aber nicht ab, wie. Der Staat hat eine strategische Reserve eingelagert, in die privatwirtschaftlichen Angelegenheiten der Energiekonzerne mischt er sich aber nur bedingt ein.
➤ Mehr dazu hier: Wie Österreich bis 2025 aus russischem Gas aussteigen kann
Fatal könnte sich das auswirken, falls die Ukraine nach 2024 die Durchleitung von russischem Gas nach Europa beendet, wie etwa der ehemalige OMV-Chef Gerhard Roiss vermutet. Die Ukraine hat inzwischen zwar bestritten, das anzustreben, aber das Land befindet sich im Krieg und wird seine Entscheidungen nach der jeweiligen Situation treffen. Außerdem gab es in der Ukraine zuletzt Anschläge auf einen Staudamm und auf eine Ammoniak-Pipeline. Die Zerstörung der Nord Stream zeigt, dass auch Gas-Infrastruktur zum Ziel werden kann.
Flüssiggas statt Pipelines
Deutlich wichtiger geworden sind europaweit die Importe von Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG), das weltweit verschifft werden kann. Allerdings gelten manche der nun wichtigeren LNG-Lieferanten wie etwa Nigeria, Qatar oder Aserbaidschan nicht unbedingt als zuverlässig. Der Vorteil: Kein einziger davon hat einen so großen Anteil wie vormals Russland.
➤ Mehr dazu hier: Wie sich im Jahr 2022 die Gasversorgung verändert hat
Laut Leo Lehr von der Regulierungsbehörde E-Control wird es ein bis zwei Jahre dauern, "bis die Gasmengen Russlands verlässlich und strukturiert über die Weltmärkte, etwa durch LNG, ersetzt werden können".
Das liegt nicht nur an der europäischen Import-Infrastruktur, sondern auch daran, dass bis dahin mehr Flüssiggas auf dem Weltmarkt verfügbar sein soll. So soll bis 2025 etwa das neue, dann weltgrößte Terminal des Staatskonzern Qatar Energy fertiggestellt werden. Auch OMV-Miteigentümer Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) will beispielsweise seine LNG-Exportkapazitäten stark erweitern.
Bis die zusätzlichen Mengen am Weltmarkt verfügbar sind, wird Europa aber entweder seinen Verbrauch reduzieren, oder mehr andere Käufer überbieten müssen, um sich Lieferungen zu sichern.
Konjunktur drückt Preise
Derzeit dämpfen die weltweit schwachen Konjunkturaussichten die Energiepreise am Weltmarkt. In den USA versucht die Notenbank Federal Reserve mit hohen Zinsen die Inflation in den Griff zu bekommen. Das schwächt die Konjunktur und damit die Nachfrage von Energieträgern. Deutlich zeigt sich das am Ölpreis, der trotz der jüngst von Saudi Arabien angekündigten zusätzlichen Förderkürzungen um eine Million Fass (159 Liter) pro Tag haben nur bei etwa 75 US-Dollar pro Fass der Nordseesorte Brent steht. Der für den europäischen Großhandel richtungsweisende Lieferkontrakt für eine Megawattstunde Gas (TTF) wird zu etwa 30 Euro gehandelt - das ist ein Zehntel des Rekordwerts vom letzten Jahr und im langjährigen Vergleich zumindest eine Normalisierung.
In China war die Wirtschaftsentwicklung vergangenes Jahr noch stark von der "Null-Covid-Politik" geprägt. Seitdem wurde das Wachstum laut Analysten eher von der Dienstleistungsbranche gestützt, denn von der energieintensiven Industrie. Ändert sich das, werden mit der Nachfrage auch die internationalen Preise steigen.
Dass China statt der EU in Russland einkauft, funktioniert bei Öl besser als bei Gas, weil nicht ausreichend Transportkapazitäten vorhanden sind. Die Lieferungen nach China durch die Pipeline "Kraft Sibiriens" wurden 2019 zusätzlich zum Europa-Geschäft aufgenommen, den geplanten zweiten Strang gibt es noch nicht.
Manche Beobachter vermuten, dass China bremst, weil man sich nicht zu sehr von Russland abhängig machen will. Denn Wladimir Putin hat im letzten Jahr bewiesen, dass er auch Lieferungen an langjährige Vertragspartner als Faustpfand einsetzt, wenn er sich einen strategischen Nutzen davon erwartet. Seit Problem ist: Russland hat nicht ausreichend Verflüssigungsanlagen, um die Mengen, die es früher nach Europa verkauft hat, zu verschiffen.
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