Wie sich im Jahr 2022 die Gasversorgung verändert hat

Norwegen (Bild) ist der zweitgrößte Gaslieferant der EU geblieben, die ausbleibenden russischen Lieferungen kann es aber nicht kompensieren
Weitgehender Rückzug des wichtigsten Lieferanten, Preisrekorde, Markteingriffe und ein Anschlag auf die wichtigste Lieferroute

Vor einem Jahr war Russland der wichtigste Energielieferant Europas. Insbesondere beim Gas war der Anteil mit etwa 40 Prozent der Importe besonders hoch. In Österreich, das bereits seit 1968 Erdgas aus der damaligen Sowjetunion kauft, betrug der Anteil sogar 80 Prozent.

Russische Kriege, etwa in Georgien oder Tschetschenien, haben an dieser stabilen Geschäftsbeziehung nichts geändert – auch nicht die Annexion der Krim im Jahr 2014. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022 hat sie aber nachhaltig erschüttert. Der KURIER blickt auf die wichtigsten Punkte im Jahresverlauf zurück.

Kriegsbeginn

Das Preisniveau war mit etwa 80 Euro je Megawattstunde bereits vor Kriegsbeginn sehr hoch. Dabei wirkte sich die weltweit gestiegene Nachfrage nach der Lockerung von Corona-Maßnahmen seit dem Frühling 2021 aus. Dass Europas wichtigster Lieferant Gazprom keine zusätzlichen Mengen lieferte, wurde weitgehend als Druck auf die Zulassung der im September 2021 fertiggestellten Ostseepipeline Nord Stream 2 verstanden. Die deutsche Bundesregierung stoppte das Zulassungsverfahren aber am 22. Februar wegen der schrittweisen Eskalation der Situation in der Ukraine. In Folge des Kriegsbeginns am 24. Februar stiegen die Preise an den europäischen Börsen auf mehr als 170 Euro.

Europa muss handeln

In Europa und Österreich wurde umgehend über Sanktionen beraten. Während man sich bei Kohle und Öl auf Embargos einigte, wurde ein Importstopp von Erdgas nicht ernsthaft erwogen – zu abhängig von Russland waren viele europäischen Staaten, inklusive dem politischen und industriellen Schwergewicht Deutschland. Im Gegensatz dazu benutzte Russlands Präsident Wladimir Putin Verknappungen, um Europa unter Druck zu setzen. So wurden etwa die Exporte über die Pipeline Jamal im Mai dauerhaft eingestellt.

Wie sich im Jahr 2022 die Gasversorgung verändert hat

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (rechts) mit EU-Kommissarin Kadri Simson und dem deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck

Die europäischen Staaten suchten neue Lieferanten, Österreich sicherte sich über eine Subvention der OMV zusätzliche Kapazitäten für den Transport von Gas aus Norwegen. Die Bundesregierung beschloss zudem, erstmals eine strategische Gasreserve im Ausmaß von 20 Terawattstunden Gas anzuschaffen. Auch soll im Kraftwerk Mellach im Notfall wieder Kohle zur Stromproduktion eingesetzt werden. Erst 2020 hatte Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) das "endgültige Aus" der Kohleverstromung in Österreich verkündet.

Rekordpreise im Sommer

Für die von Gazprom bewirtschafteten Speicher in Österreich wurde das Prinzip "use it or lose it" eingeführt und mit 1. Juli schlagend. In Folge wurden die Nutzungsrechte für den systematisch leer gehaltenen Speicher in Haidach neu vergeben. Die von den EU-Staaten angepeilten Mindest-Speicherstände bis zum Herbst führten zu sprunghaft steigenden Preisen an den Energiebörsen. Das russische Gas wurde zu einem Gutteil durch Flüssiggas-Lieferungen ersetzt, das weltweit verschifft werden kann. Die konzertierte hohe Nachfrage führte dazu, dass der Wettlauf der Europäer das Preisniveau immer weiter trieb. Im August erreichte der Großhandelspreis am maßgebenden niederländischen Handelsplatz TTF einen Rekordwert von knapp 350 Euro.

Anschlag auf Nord Stream

Die russischen Lieferungen über die für Europa wichtigste Pipeline Nord Stream 1 wurden seit Frühling drastisch eingeschränkt. Nach einer geplanten Wartung im Juli wurden sie nur zum Teil wieder aufgenommen, was Gazprom mit einer aufgrund von Sanktionen fehlenden Turbine begründete. Nach Lieferung der Turbine wurden Gründe gefunden, diese nicht einzubauen, und Anfang September stellte Gazprom die Lieferungen ein.

Mehrere Schäden an Nord-Stream-Gaspipelines

Methanaustritt in der Ostsee in Folge des Anschlags auf die Nord Stream Pipelines

Am 26. September wurden beide Stränge der Nord Stream 1 und ein Strang der Nord Stream 2 zerstört. Wer dahinter steckt, ist nicht geklärt, der Westen und Russland geben sich gegenseitig Schuld. Auf die Preise wirkte sich das kaum aus – auch, weil die europäischen Speicher bereits gut gefüllt waren.

EU-Notverordnung

Da sich die EU-Staaten monatelang kaum auf gemeinsame Schritte gegen die Gas-Krise einigen konnten, hatten viele Staaten alleine gehandelt, etwa mit Subventionen und Preisdeckeln. Das führte zu ungleichen Bedingungen und Wettbewerbsverzerrungen. Im Dezember einigten sich die Energieminister schließlich auf eine Notverordnung. Diese sieht neben einem Gaspreisdeckel auch den gemeinsamen Gaseinkauf und schnellere Zulassungsverfahren für den Erneuerbaren-Ausbau vor.

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