Gewessler schnappt sich russischen Gasspeicher
Österreich ist in einem hohen Ausmaß von russischen Gasimporten abhängig. "Aber Russland ist kein verlässlicher Partner mehr. Russland setzt Energielieferungen als Waffe ein. Wir spüren diese Auswirkungen im Moment sehr deutlich", erklärt Energieministerin Leonore Gewessler von den Grünen.
Sie alarmiert und beruhigt zugleich. Die Experten des Ministeriums würden immer wieder die Krisenszenarien durchrechnen, für den Fall, dass der russische Präsident Wladimir Putin beschließt, aus Vergeltung gegen die Wirtschaftssanktionen gegen Russland die Gasimporte nach Europa zu kappen. "Deshalb überwachen wir die Situation rund um die Uhr. Und wir bereiten uns auf den absoluten Ernstfall vor", sagt die Ministerin. Kurz gesagt hat die Bundesregierung belastbare Notfall-Pläne, wenn Russland den Gashahn morgen zudrehen sollte.
Die Lage ist also ernst und kann jede Minute dramatisch werden. Österreichs Gasspeicher sind Stand Sonntag zu rund 44 Prozent gefüllt, der Speicherstand kletterte zuletzt täglich um 0,2 Prozent weiter nach oben. Ziel der Bundesregierung ist es, bis Herbst einen Füllstand von 80 Prozent aller Speicher zu erreichen, mit dem Österreich problemlos über den Winter kommen würde.
Alle Gasspeicher? Die russische Gazprom-Tochter GSA besitzt einen der größten Gasspeicher in Österreich in Haidach in Salzburg. Haidach ist sogar der zweitgrößte Speicher Mitteleuropas. Und dieser Speicher ist aktuell zu null Prozent gefüllt.
Deshalb hat das Parlament mit Zweidrittel-Mehrheit bereits vor Wochen der Energieministerin einen juristischen Werkzeugkasten genehmigt, mit dem sie den (absichtlich) ungenutzten Speicher Haidach (Bild) quasi beschlagnahmen kann: "Nütze ihn, oder er ist weg" ("use it or lose it") heißt die Regelung. Unternehmen, die zum Stichtag 1. Juli weniger als 10 Prozent Gas eingespeichert haben, können die Nutzungsrechte vom Energieministerium entzogen werden.
Tricksen geht sich übrigens auch nicht mehr aus: In den verbleibenden vier Tagen wird es GSA technisch gar nicht möglich sein, noch über die zehn Prozent zu kommen. Die Nutzungsrechte werden dann von der Betreiberfirma, der österreichischen RAG, neu vergeben. Was dann noch fehlt, ist den Speicher an das österreichische Gasnetz anzuschließen, denn bisher sind die Leitungen nur nach Deutschland ausgebaut. Das soll bis Ende des Jahres ebenfalls erledigt sein.
Entspannter als Habeck
Warum aber scheint Gewessler bezüglich der Gasversorgung deutlich entspannter zu sein als ihr deutscher Amtskollege Robert Habeck? Deutschland hat vor wenigen Tagen wegen stark reduzierter Gaslieferungen die "Alarmstufe" ausgerufen, das ist die zweite von drei Eskalationsstufen des deutschen Notfallplans Gas. In Österreich gilt, trotz einer gedrosselten Liefermenge, nur die Frühwarnstufe.
"Unsere Versicherung sind unsere großen Gasspeicher", erklärt Gewessler dazu. Österreich kann, wie kaum ein anderes Land in Europa, einen Jahresbedarf an Gas unterirdisch bunkern. Gewessler: „Das zentrale Ziel ist deshalb: Volle Speicher vor dem nächsten Winter. Wir brauchen alternative Lieferländer. Und wir müssen raus aus Erdgas. Denn echte Unabhängigkeit gibt es nur, wenn wir unsere Energie selbst erzeugen.“
Fließt kein Gas mehr, wird Ministerin Gewessler zuerst die Alarmstufe und dann die Notfallstufe ausrufen müssen. Dann würden sofort ganz neue Regeln am Gasmarkt gelten.
Der Gasnotfallplan
Der dreistufige Plan (Frühwarnstufe, Alarmstufe, Notfallstufe) regelt die Energieversorgung.
Die Notfallstufe wird ausgerufen, wenn eine „Störung“ der Gasversorgung eingetreten ist. Dann bekämen zuerst die 35 Großverbraucher der Industrie nur
noch eingeschränkt Gas, danach die 7.500 Unternehmen mit erhöhtem Gasverbrauch.
Geschützte Verbraucher
Einen besonderen Schutz gibt es für private Haushalte und wichtige Infrastruktur (wie etwa Spitäler). Sie werden solange beliefert, bis nichts mehr da ist. Das neue Wärmegesetz wird ein Verbot von Ölheizungen (bis 2035) und Gasheizungen (bis 2040) regeln.
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