Gazproms treueste Kunden und Österreichs Vogel-Strauß-Taktik

Der Gasknotenpunkt Baumgarten in Niederösterreich wurde zu einer auch für Italien und Deutschland wichtigen Drehscheibe.
Die Politik hat bei der Abhängigkeit von russischem Gas jahrzehntelang weggeschaut, sagt der ehemalige AEA-Chef Herbert Lechner.

Im Nachhinein ist man immer schlauer. Dass die Abhängigkeit von Russland als Erdgaslieferant zum Problem werden würde, hat sich aber schon lange abgezeichnet. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung von Herbert Lechner, dem ehemaligen wissenschaftlichen Leiter der Österreichischen Energieagentur (AEA).

Österreich bezieht seit 1968 Gas aus der damaligen Sowjetunion. In der österreichischen Politik wurde das damals als rein "privatwirtschaftlicher Vorgang" definiert, eine besondere Zuständigkeit des Staates für das strategisch wichtige Feld der Energieversorgung wurde aber auch in den folgenden Jahrzehnten negiert, so Lechner.

Für die UdSSR sei der Handel keineswegs so unpolitisch gewesen. Wie auch historische Dokumente zeigen würden, ging es der Sowjetunion bewusst darum, ihren Einfluss zu stärken und mit den Lieferungen auch Druck auszuüben. Zusätzlich profitierte man von einem Technologietransfer.

Österreich habe sich dafür besonders angeboten, zumal die Gasleitung von Russland bis ins grenznahe Bratislava 1967 fertiggestellt wurde. Mit der in der Besatzungszeit als "Sowjetische Mineralölverwaltung" (SMV) gegründeten ÖMV (heute OMV) hatte mal zudem einen idealen Ansprechpartner im Land. Um sich als verlässlicher Partner zu etablieren, wurde der Export zeitweise sogar priorisiert, im Zweifelsfall wurde das Gas in Russland knapp.

Im Laufe der Jahrzehnte stieg der russische Anteil an den Importen von etwa 45 Prozent auf etwa 80 Prozent, womit Österreich zu den exponiertesten Ländern Europas zählte. Warnungen hätte es genug gegeben, meint Lechner. So hätte eine schwedische Regierungsagentur in den Jahren von 1991 bis 2006 international 55 Fälle gezählt, in denen Russland bzw. der Staatskonzern Gazprom Lieferungen gestoppt oder damit gedroht hätte.

Der Tanz mit Putin

Die OMV ließ sich davon nicht abschrecken. "Man soll nur auf einer Hochzeit tanzen", erklärte der damalige Konzernchef Rainer Seele 2018, anlässlich der Verlängerung der Lieferverträge bis 2040. Beim öffentlichen Vertragsschluss waren übrigens auch der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der russische Präsident Wladimir Putin anwesend.

Gazproms treueste Kunden und Österreichs Vogel-Strauß-Taktik

Vertragsunterzeichnung 2018: Gazprom-Chef Alexej Miller (links) und der damalige OMV-Chef Rainer Seele, im Hintergrund Russlands Präsident Wladimir Putin und der damalige Bundeskanzler Selbastian Kurz (ÖVP)

Inwiefern die OMV an diese Verträge gebunden ist – und also auch zahlen muss, wenn das Gas nicht importiert wird – oder etwa schon die Liefereinschränkungen im vergangenen Jahr eine Auflösung rechtfertigen, kann Lechner nicht beurteilen, denn die Verträge sind geheim. Es sei an der OMV, die Details zu prüfen, zuständig wäre gegebenenfalls ein Schiedsgericht. Die deutschen Energiekonzerne Uniper und RWE haben sich bereits an Schiedsgerichte gewendet. Allerdings bekommen diese auch kein russisches Gas mehr. Die OMV hingegen erhält derzeit wieder die vertraglich vereinbarten Mengen von Gazprom.

Im Herbst hat die Regierung die Reduktion des russischen Anteils an den Gasimporten als Erfolg verkauft. Diese sollte sich aber als nicht nachhaltig erweisen, der Anteil war zuletzt wieder bei mehr als 70 Prozent – ganz gegen den gesamteuropäischen Trend. Lechner hofft, dass die Politik den Energieunternehmen "Leitplanken" vorgibt, damit sich das ändert. Bis zum Jahr 2027 wäre ein Ausstieg aus russischem Gas laut AEA möglich.

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