Deutschland hat am Dienstag sein erstes Flüssiggasterminal fertiggestellt. Zum Jahreswechsel soll die Anlage in Wilhelmshaven, ebenso wie eine weitere in Brunsbüttel, den Betrieb aufnehmen. Bis zum Winter 2023/24 soll über fünf Terminals ein Drittel des deutschen Jahresbedarfs importiert werden können.
Österreich hängt hingegen nach wie vor am russischen Gas-Hahn. Was jahrzehntelang die Normalsituation für viele europäische Länder war, wurde in nicht mal einem Jahr zu einer Ausnahme. Denn mit Russland hat sich der einst wichtigste Lieferant mehr oder weniger aus dem Geschäft zurückgezogen. Die Schuld dafür sieht man in Moskau allerdings beim Westen.
Während in den Jahren vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine knapp die Hälfte der EU-Gasimporte aus Russland kamen, ist der Anteil heuer deutlich gefallen (siehe Grafik). Der zweitgrößte Exporteur Norwegen konnte diesen Ausfall nicht kompensieren. Deutlich zugenommen hat deswegen der Import mit Flüssiggastankern. Die Handelspartner kommen in diesen Fällen etwa aus den USA, Katar und Nigeria.
Die Lieferungen durch die Jamal-Pipeline durch Polen wurden bereits im Frühling eingestellt. Polen hatte sich, wie auch Bulgarien, geweigert, ab April die Umwegkonstruktion zur Zahlung in Rubel zu akzeptieren. Im November stellte Polen die Gazprom-Tochter, die 48 Prozent an der Pipeline-Gesellschaft hält, unter Zwangsverwaltung.
Offen bleiben deswegen nur zwei von vier Routen: Durch die Türkei nach Griechenland (Turkstream) sowie die Pipelines durch die Ukraine in die Slowakei, von wo aus sie schließlich den Gasknotenpunkt Baumgarten in Österreich erreichen. Allerdings wurden die Durchflussmengen auf der Ukraine-Route, über die auch Süddeutschland und Italien mitversorgt werden, heuer deutlich reduziert.
Wohl auf Grund der Vermutung, Putin könnte im Gegenzug die Lieferungen ganz kappen, tut man sich in Österreich mit neuen EU-Sanktionen gegen Russland schwer. Zudem hat die teilstaatliche OMV, die die Lieferverträge hält, eine enge Verbindung zu Russland.
Die europäischen Gasspeicher wurden rechtzeitig zur Heizsaison gut gefüllt. Zusammen mit dem bisher warmen Herbst führte das dazu, dass die Großhandelspreise für Erdgas in den letzten Monaten deutlich nachgegeben haben. Sie sind allerdings immer noch drei bis vier Mal so hoch wie im mehrjährigen Durchschnitt und werden voraussichtlich auch wieder steigen, sobald die Speicherpegel zu sinken beginnen.
Darauf dürfte zumindest ein Teil der Flüssiggastanker warten, die derzeit voll beladen vor europäischen Häfen liegen.
Keine Entlastung
Auf Haushalte und kleine Unternehmen wirken sich die Schwankungen der Großhandelspreise nicht direkt aus. Denn die meisten Tarife sind zwar an einen Index gebunden, die Anpassung erfolgt aber für gewöhnlich erst im Nachhinein. Das bedeutet allerdings auch, dass die Preiskapriolen des Jahres 2022 beim Großteil der Verbraucher noch gar nicht angekommen sind.
Erdgas ist ein wichtiger Energieträger für viele EU-Staaten. Nicht nur zum Heizen, sondern insbesondere für die industrielle Produktion können viele Sparten so bald nicht darauf verzichten. Dazu kommt: Gas sollte als Übergangstechnologie eine wichtige Rolle im Ergrünen der europäischen Wirtschaft spielen – es verbrennt nämlich sauberer als seine fossilen Geschwister Kohle und Öl.
Kommentare