Mehrere hundert Euro Ersparnis bei Gas möglich
Ein wichtiges Wirtschaftsgut hat seit dem vergangenen Sommer 90 Prozent seines Werts verloren: Erdgas wurde im August zeitweise um mehr als 300 Euro gehandelt, zuletzt fiel der Großhandelspreis erstmals seit Juni 2021 auf weniger als 24 Euro je Megawattstunde (MWh).
Im langjährigen Vergleich ist das zwar immer noch nicht billig, aber eine Normalisierung. Weil die meisten Tarife im Nachhinein angehoben werden, zahlen Haushalte laut der Österreichischen Energieagentur (AEA) im Durchschnitt heuer aber um etwa 70 Prozent mehr. Wechselwillige Verbraucher können mit einem Wechsel auf einen neuen Tarif derzeit viel Geld sparen.
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Für den starken Rückgang der Großhandelspreise gibt es mehrere Gründe. Im Kern bedeutet er, dass die Marktteilnehmer davon ausgehen, dass ausreichend Gas verfügbar ist. Dabei spielen vor allem die gut gefüllten Speicher eine wichtige Rolle. In Österreich, dessen Speicher grob einen Jahresbedarf fassen, sind diese zu drei Viertel gefüllt. In der gesamten EU sind sie es zu gut zwei Dritteln. Das ist insofern bemerkenswert, als die Pegelstände erst seit dem Ende der Heizperiode im April wieder steigen.
Der milde Winter hat Europa dabei in die Hände gespielt, denn es musste weniger geheizt werden. Außerdem haben sich manche Produktionsunternehmen angesichts der hohen Energiepreise darauf verlegt, energieintensive Vorprodukte vermehrt zu importieren. Die Energiepreise sind nämlich bereits seit dem Frühling 2021 gestiegen, als das Ende der Covid-Maßnahmen in großen Wirtschaftsräumen zu einem Anstieg der Nachfrage bei gedrosselten Produktionsmengen führten.
Auch die für die Jahreszeit typisch hohe Erneuerbaren-Produktion wirkt sich aus: So konnte Österreich im April etwa 90 Prozent seines Strombedarfs damit decken – es musste also weniger Gas verstromt werden.
Die Aussichten dafür, dass die Speicher bis zum Herbst wieder gefüllt werden können, stehen also deutlich besser als vergangenes Jahr. Damals hatten Lieferrückgänge aus Russland, schlecht gefüllte Speicher und hohe Unsicherheiten dazu geführt, dass sich die EU-Staaten im dringenden Bestreben ihre Speicher zu füllen, die Preise hochgetrieben haben.
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Flüssiggaslieferanten, unter anderem aus den USA, verdienten gut an der neuen Unsicherheit. Denn bis vor einem Jahr war Russland mit etwa einem Viertel der Öl- und etwa 40 Prozent der Gasimporte der wichtigste Energielieferant der EU. Inzwischen sind zwei der vier wichtigen Pipelines versiegt, die EU bezieht insgesamt nur noch etwa 10 Prozent ihrer Gasimporte aus Russland, schätzt die Internationale Energieagentur (IEA).
Geld sparen
Dass die Preise derzeit niedrig sind, wirkt sich entgegen oft geäußerter Unmutsäußerungen, jedenfalls durchaus auch bei den Endkunden aus. Die günstigsten Angebote in Österreich liegen derzeit bei sieben bis acht Cent pro Kilowattstunde (Arbeitspreis exklusive Steuern und Abgaben, Grundpauschale und Netzgebühr, Anm.), mit einmaligen Rabatten sogar noch niedriger.
Auf das Jahr gerechnet läppert sich diese Differenz zu vielen Bestandstarifen, die etwa bei 12 bis 13 Cent liegen. "Im Vergleich mit vielen Bestandskundentarifen zahlt sich der Preisvergleich im Tarifkalkulator bei Gas derzeit definitiv aus und es besteht ein Einsparungspotential von oft mehreren hundert Euro", sagt Leo Lehr von der Regulierungsbehörde E-Control auf Anfrage des KURIER.
Dass die Preise weiter fallen, ist laut dem Experten nicht absehbar. Wer sich für einen an die Großhandelspreise gekoppelten Floater-Tarif entscheidet, sollte laut Lehr jedenfalls die Preisentwicklung im Herbst im Auge behalten.
Situation nachhaltig verändert
Dass die Preise dauerhaft auf ein Vor-Krisen-Niveau sinken ist ebenfalls nicht zu erwarten, denn Europa ist in einer neuen Situation: Der nunmehr größte Einzellieferant Norwegen kann die Nachfragelücke, die der Rückgang der russischen Lieferungen hinterlassen hat, nicht kompensieren. Stattdessen konkurrieren die EU-Staaten auf dem Weltmarkt um Flüssiggaslieferungen. Und das bedeutet, dass die Konjunkturaussichten etwa in den USA und China sich stark auswirken.
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Auch ist Flüssiggas aufgrund der Kosten für Verflüssigung, Transport und Regasifizierung generell etwas teurer als Pipelinegas. Die Großhandelspreise für den nächsten Winter sind mit etwa 40 bis 50 Euro je MWh knapp doppelt so hoch wie für kurzfristige Lieferungen.
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