Sammelklagen wegen "Staatsversagen" bei Strompreisen

Die Wasserkraft macht den größten Teil der österreichischen Stromproduktion aus
Österreich hat einen hohen Ökostrom-Anteil. Im März konnten knapp drei Viertel des Bedarfs damit gedeckt werden. Trotzdem bezahlen Konsumentinnen und Konsumenten im "Land am Strome" Preise, die den Energiebörsen, und damit in weiterer Folge den internationalen Gaspreisen folgen. Verbraucherschutzorganisationen haben im letzten Jahr deswegen mehrere Klagen eingebracht.
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"Die Energieversorger erhöhen ihre Tarife, um Übergewinne zu erzielen", sagt Daniela Holzinger-Vogtenhuber zum KURIER. Die ehemalige Parlamentarierin (SPÖ/Liste Pilz) ist Peter Kolba im April als Chefin des Verbraucherschutzvereines (VSV) nachgefolgt.
Insbesondere bei Konzernen, die hauptsächlich Strom aus Wasserkraft gewinnen und damit auch werben, hält sie die Preiserhöhungen für ungerechtfertigt.
Ähnlich sieht man das beim Verein für Konsumenteninformation (VKI). Das ursprüngliche Verhältnis von Leistung und Preis müsse gewahrt bleiben, sagt VKI-Jurist Maximilian Kemetmüller zum KURIER. Tarifanpassungen sollten demnach den Gestehungskosten entsprechen.
"Nur weil man am Markt gerade höhere Gewinne erwarten könnte", seien sie aber nicht gerechtfertigt.

Daniela Holzinger-Vogtenhuber
Die Landesenergieversorger haben allesamt mit Strom aus Wasserkraft geworben
VSV-Chefin
Von der E-Wirtschaft heißt es, wenn man keine Marktpreise mehr verrechnen dürfe, könnte das zu einem Rückzug der großen Stromproduzenten aus dem Endkundengeschäft führen. Der VKI hat unter anderem einen Rechtsstreit mit Wien Energie, gegen Maxenergy gibt es einen Musterprozess wegen Kündigungen im Zeitraum einer Preisgarantie.
Da der VSV die Möglichkeit der Verbandsklage nicht hat, organisiert er Sammelklagen, derzeit gegen den Verbund, die Energie OÖ, die Stadtwerke Klagenfurt, Maxenergy und Grünwelt. Weitere sind laut Holzinger-Vogtenhuber in Vorbereitung. Damit diese für die Konsumentinnen und Konsumenten nicht zum Risiko werden, arbeitet der VSV mit Rechtsschutzversicherungen und dem Prozessfinanzierer Padronus zusammen. Anschließen können sich nur VSV-Mitglieder, der Mitgliedsbeitrag beträgt 40 Euro pro Jahr.
Die Verantwortung sieht Holzinger-Vogtenhuber aber auch bei der Politik. Diese hätte angesichts der Marktverwerfungen stärker eingreifen müssen. "Die Bevölkerung nur mit Almosen abzuspeisen, ist ein Staatsversagen."
Keine Rechtssicherheit
An die Politik appelliert auch die E-Wirtschaft. Die Situation verlange "dringend eine rechtliche Klarstellung, wie und unter welchen Bedingungen Preise geändert werden können", so Barbara Schmidt, Generalsekretärin der Branchenvertretung Oesterreichs Energie zum KURIER.
In den vergangenen Jahren hat das Gros der Stromversorger ihre Tarifangleichungen an den Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI) gekoppelt. Dieser wird von der Österreichischen Energieagentur (AEA) berechnet und bildet die Großhandelspreise ab. Der VKI hat den Verbund deswegen in erster Instanz erfolgreich verklagt. Seitdem bemühen sich Energieversorger, ihre Verträge mit ÖSPI-Klausel loszuwerden, teilweise mit Massenkündigungen. Das sei die einzig rechtlich sichere Lösung, hört man.
Die Novellierung des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes (ElWOG) im vergangenen Sommer hätte eigentlich Klarheit schaffen sollen. Allerdings ist es teils sehr vage formuliert – wird es nicht präzisiert, wird über die Auslegung wohl vor Gericht gestritten.
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