Grünen-Chefin Eva Glawischnig tritt zurück

Grünen-Chefin Eva Glawischnig tritt zurück
Nach neun Jahren räumt Eva Glawischnig die Spitzenposition der österreichischen Grünen. In einer sehr persönlichen Erklärung gab sie dafür private Gründe an.

Der nächste Knalleffekt in der österreichischen Innenpolitik: Nach dem Rücktritt von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, der anschließenden Übernahme durch Sebastian Kurz und der Festlegung auf vorgezogene Neuwahlen am 15. Oktober tritt auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig zurück. Nachdem am späten Mittwochabend Spekulationen darüber laut wurden, gab Glawischnig dies heute in einer kurzfristig einberufenen persönlichen Erklärung im Parlament auch offiziell bekannt.

Sie legt alle Funktionen zurück, jene als Bundessprecherin, als Klubobfrau und ihr Nationalratsmandat. "Ich habe eine zutiefst persönliche Entscheidung getroffen. Es gibt keinen bestimmten Anlass", sagte Glawischnig, sichtlich bewegt. Als Mutter müsse Glawischnig auch auf ihre Gesundheit achten. Das sei nicht immer mit einem Fast-24-Stunden-Job vereinbar. Auch der allergische Schock vor wenigen Wochen sei hierbei ein Warnsignal für sie gewesen.

Ab sofort übernehmen ihre Stellvertreter Ingrid Felipe und Werner Kogler interimistisch die Leitung der Grünen. Wie es personell weitergehen soll, berät morgen, Freitag, der Erweiterte Bundesvorstand in Salzburg. Ob es da schon eine Empfehlung für die Parteichef-Kür am Bundeskongress voraussichtlich im Juni gibt, war am Donnerstag noch offen.

Als potenzielle neue Bundessprecherinnen gelten unter anderem die Tirolerin Felipe selbst sowie EU-Mandatarin Ulrike Lunacek. Auch die Salzburger Landessprecherin Astrid Rössler wurde genannt. Van der Bellens Wahlkampfleiter Lothar Lockl hat am Donnerstag bereits abgewunken. Mehr dazu weiter unten.

"Verantwortung gegenüber meiner Familie"

"Ich habe eine Familie. Es hat körperliche Warnsignale gegeben, die ich ernst nehmen muss", sagte die scheidende Grünen-Chefin. "Ich habe gegenüber meiner Familie eine Verantwortung."

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Eine politische Spitzenfunktion sei enorm fordernd, in einer Zeit, in der ihre Kinder sie besonders brauchen würden, habe sie sich nun "gegen das berufliche Engagement zu entscheiden". Den Job einer Parteichefin könne man ohnedies nicht ewig machen. Glawischnig monierte, dass "die politische und mediale Aggressivität unglaublich zugenommen" habe.

Kommentar: Recht aus Privatsphäre

Während Glawischnig hauptsächlich private Gründe für ihr Ausscheiden aus der Politik angab, so ist sie nach dem ausbleibenden Aufschwung nach der Bundespräsidentenwahl, aber auch nach dem Rausschmiss der Jungen Grünen aus der Bundespartei, parteiintern unter Druck geraten.

VIDEO: Das Glawischnig-Statement

Hinweis in eigener Sache: Die Live-Übertragung des APA-Streams war wegen schlechter Mobilfunkanbindung im Parlament nicht möglich. Selbst der ORF konnte die Erklärung nur in verminderter Qualität übertragen.

Warnung vor "starkem Mann"

Glawischnig appellierte auch an die Parteien, sich darauf zu besinnen, "was wirklich relevant ist" und sich nicht darauf zu konzentrieren, wie man Wählerängste mobilisiere. Als "überzeugte Parlamentarierin" warnte sie auch vor dem "Wunsch und Konzept des sogenannten starken Mannes".

Sie selbst, die "Kärntner Wirtshaustochter", habe als Umweltaktivistin und Juristin begonnen und als Quereinsteigerin bei den Grünen ihre politische Heimat gefunden. Lange sei sie Nummer zwei hinter Alexander Van der Bellen gewesen, und 2008 habe sie die Parteispitze übernommen. "Jetzt ist für mich der Zeitpunkt gekommen, diese Führung abzugeben."

Erinnern Sie sich? Alle Bundessprecher der Grünen

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So etwas wie Parteichefs gibt es bei den Grünen erst seit dem Jahr 1992, damals wurde die Funktion des Bundessprechers geschaffen, der die Partei nach außen vertritt. Auch das Prinzip der Unvereinbarkeit von politischem Mandat und Parteifunktion wurde abgeschafft.
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Peter Pilz, langjähriger Parlamentarier der Grünen, konnte damit erster Bundessprecher werden.
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Davor, konkret ab dem ersten Bundeskongress 1987, gab es Bundesgeschäftsführer, die teilweise - ohne dass es institutionalisiert war - neben den Klubobleuten als Parteisprecher fungierten. Die ersten beiden waren (im Schatten von Gründerin Freda Meissner-Blau, Bild) Werner Haslauer und (kurzzeitig) Manfred Stadlmann.
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Dann repräsentierten Johannes Voggenhuber (1988 bis 1990, mit Pius Strobl) sowie Franz Floss (1990 bis 1992, mit Franz Renkin) mit mehr oder weniger Engagement die Partei nach außen.
Bild: Johannes Voggenhuber
 
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Als Bundessprecherin nach Peter Pilz (1992 bis 1994) wurde Madeleine Petrovic (1994 bis 1996) gekürt.
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Chorherr wurde 1997 von Alexander Van der Bellen abgelöst.
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Mit rund elf Jahren hat der medial oft "Professor" genannte Wirtschaftswissenschaftler die längste Amtsperiode vorzuweisen.
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Von Van der Bellen übernahm Glawischnig zunächst 2008 geschäftsführend.
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Anfang 2009 auch mit Bundeskongress-Beschluss.
 
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"Wohin führt Eva Glawischnig die Grünen?" fragte damals der KURIER-Karikaturist Michael Pammesberger.
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Nach neun Jahren gab Eva Glawischnig nun am Donnerstag ihren Rücktritt von allen Funktionen bekannt.
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Als Nachfolgerin ist unter anderem die Tiroler Landeshauptmann-Stv. Ingrid Felipe im Gespräch.
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Auch Ulrike Lunacek, derzeit Vizepräsidentin des EU-Parlaments, wird im Rennen um die Nachfolge genannt.
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Glawischnig erinnerte an ihre politischen Erfolge, zuallererst den nach langen Jahren geschafften Einzug in den Kärntner Landtag: "Das einzige Mal, wo mir Johannes Voggenhuber (der langjährige EU-Mandatar war einer ihrer vehementesten Gegner in der Partei, Anm.) gratuliert hat."

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"Erfolgreichste Phase"

Als sie die Partei übernommen habe, habe man ihr prophezeit, sie werde nach Van der Bellen ein Drittel der Wähler verlieren. Statt dessen habe man als Team "die erfolgreichste Phase in Österreich" geschafft, mit Zugewinnen in Nationalrats- und Landtagswahlen, fünf Prozent plus bei den Europawahlen und vielen Beteiligungen in Landesregierungen. Als Höhepunkt nannte sie das Projekt, Alexander Van der Bellen als ersten grünen Präsidenten Europas in die Hofburg zu bringen. "Das habe ich und wir maßgeblich unterstützt."

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Nach neun Jahren gab Eva Glawischnig nun am Donnerstag ihren Rücktritt von allen Funktionen bekannt.

Wichtig sei es, mutig zu sein. Die Sicherung der Lebensgrundlagen, Umwelt- und Klimaschutz, Gleichstellung und Seriosität in der Politik nannte sie als ihre Hauptthemen. Sie bedankte sich, teilweise unter Tränen, bei ihren Mitarbeitern, Weggefährten und ihrer Familie.

Erinnerung an Prammer und Oberhauser

Sie erinnerte an die verstorbenen SPÖ-Politikerinnen Barbara Prammer und Sabine Oberhauser, denn beide seien für Lösungen und Sachlichkeit gestanden, nicht für ein "Duell der Eitelkeiten". "Ich war sehr oft die einzige Frau in politischen Runden", stellte sie fest und meinte, wenn es mehr Frauen in Führungspositionen gäbe, würde die politische Kultur anders aussehen.

An alle Social Media-Nutzer appellierte sie weiters, die Debattenkultur zu verändern, damit nicht der Hass dominiert. Als Privatperson werde sie auch weiterhin gegen Hass im Netz mit Musterklagen vorgehen. Dies will sie "mit aller Kraft weiter betreiben".

Auch "einige Persönlichkeiten" in der Medienbranche kritisierte sie, da diese das Klima in der Republik "regelrecht vergiften" und journalistische Sorgfalt vermissen ließen - oder weil sie "einfach sexistische Machos sind". Bei dem Medientermin saß übrigens auch der "Krone"-Kolumnist Michael Jeannee, der Glawischnig immer wieder in seiner Kolumne heftigst angegriffen hatte, im Publikum.

"Nicht immer Slim Fit": Frau als Nachfolgerin

Die Nachfolge ist offenbar noch nicht restlos geklärt. Hinter den Kulissen erfuhr der KURIER, dass es jedenfalls wieder eine Frau an der Grünen-Spitze geben soll. Favoriten dafür sind demnach die Tiroler Grünen-Chefin Ingrid Felipe und die EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek. Definitiv entschieden werden soll das morgen bei einem erweiterten Bundesvorstand der Grünen in Salzburg. Eine kolportierte Trennung der Funktionen Bundessprecherin und Spitzenkandidatin für die Nationalratswahl dürfte vom Tisch sein.

Von einer Ämtertrennung zwischen Partei und Mandat hält auch Glawischnig wenig, sie empfahl dazu einen Blick nach Deutschland. Die Entscheidung hierzulande für eine klare Parteispitze sei historisch relevant gewesen. Ihr Ansatz sei immer "mehr Sichtbarkeit von Weiblichkeit" gewesen, meinte sie zur Frage, ob sie einen Mann oder eine Frau präferieren würde. "Führungskompetenz muss nicht immer in Anzügen und Slim Fit daherkommen", sagte sie.

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Felipe und Lunacek verweisen auf Vorstand

Ingrid Felipe äußerte sich vorerst nicht dazu, ob sie die Nachfolgerin an der Parteispitze werden will. Man habe "eine Reihe geeigneter NachfolgerInnen", postete Felipe auf Facebook. Sie verwies auf den Bundesvorstand.

"Wir werden gemeinsam entscheiden, wer am geeignetsten ist, im Herbst ein starkes Gegenstück zu den nach rechts driftenden Parteien zu sein", meinte die 38-Jährige, die auch stellvertretende Bundessprecherin ist. An "Spekulationen und Gerüchten" werden sich die Tiroler Grünen nicht beteiligen, hieß es indes in einer Aussendung der Landespartei.

Dank und Respekt für Glawischnig sowie das Verständnis für die gesundheitlichen Warnsignale stünden heute im Vordergrund. "Du hast die österreichischen Grünen zur europaweit stärksten Grünpartei gemacht und wir haben in Tirol stets mit bundespolitischem Rückenwind in unsere Wahlen gehen können. Besonders möchte ich Dir als Vorbild für alle Frauen, dein von enormem Fachwissen geprägtes Engagement für die Umwelt und deinen kompromisslosen Kampf gegen rechts und gegen Hass im Netz hervorheben", sagte Felipe in Richtung Glawischnig.

Ingrid Felipe im Porträt

Auch die Europaparlamentarierin Ulrike Lunacek wollte sich nicht festlegen und verwies auf den morgigen Bundesvorstand und die nächsten Tage. "Wir sind eine nach innen demokratisch aufgestellte Partei, die hat ihre Strukturen, und dort werden wir die Entscheidungen treffen. Da entscheidet nicht eine Person", erklärte Lunacek vor Jounalisten in Straßburg. "Es wäre sicher gut, wenn eine Frau Parteichefin wird, aber wir haben auch gute Männer."

Sie fühle sich aber geehrt, dass sie mit der Nachfolge an der Grünen-Spitze in Verbindung gebracht wird. "Ich freue mich, dass mir diese Wertschätzung entgegengebracht wird, aber ich habe auch eine Verantwortung für meine Funktion hier im Europäischen Parlament, ich bin von 14,5 Prozent der Österreicher gewählt für mein Mandat im Europaparlament", sagte Lunacek.

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Ulrike Lunacek (59) ist Vizepräsidentin des EU-Parlaments und der europäischen Grünen-Fraktion. 2014 führte sie die Grünen bei der EU-Wahl an und erreichte 14,52 Prozent.
Der scheidenden Parteichefin dankte sie und zollte ihr großen Respekt. Sie habe "die Grünen zu Höhen und Stärken geführt, die wie davor nicht hatten. Sie hat mit großem Mut und Ausdauer und großen Wissen viel gestaltet", sagte Lunacek. "Es ist schade, dass sie zu diesem Entschluss kommt" Der Rücktritt Glawischnigs kam auch für sie überraschend, " ich weiß es erst seit gestern kurz vor Mitternacht".

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Lockl winkt ab - mit Rücksicht auf Reiterer

Lothar Lockl, langjähriger Grüner und zuletzt Kampagnenleiter im Wahlkampf von Alexander Van der Bellen, will die Nachfolge nicht antreten. "Ich stehe bis auf weiteres nicht zur Verfügung", bekräftigte er. Er wolle sein Unternehmen nicht aufgeben und lasse seiner Frau Claudia Reiterer beruflich den Vortritt.

"Derzeit kommt eine parteipolitische Funktion für mich nicht infrage", so Lockl, der für den grünen Spitzenposten wiederholt ist Spiel gebracht worden ist. Er habe ein erfolgreiches Strategieberatungsunternehmen aufgebaut und trage Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern. "Ich mache das mit Freude. Das gibt man nicht leichtfertig auf", sagte er.

Außerdem habe seine Frau mit der Leitung der ORF-Diskussionssendung "Im Zentrum" gerade erst eine neue und spannende Funktion übernommen. "Für mich wäre es nicht akzeptabel, dass sie jetzt ihren Job aufgeben müsste oder zurückstecken sollte", so Lockl in Hinblick auf die drohende Unvereinbarkeit der beiden Jobs. Sie habe dies schon einmal tun müssen, als er Bundesparteisekretär der Grünen geworden war: "Ich lasse ihr da den Vortritt."

Grünen-Chefin Eva Glawischnig tritt zurück
Lothar LOCKL, Grüne, Wahl Van der Bellen
Angesichts des Rückzugs von Glawischnig, aber auch von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner und anderer zeigte er sich nachdenklich darüber, dass es in der Politik Respekt und Wertschätzung nur beim Antritt und beim Rücktritt gebe. Es brauche in Politik und Medien einen anderen Ton und eine andere Gesprächskultur, meinte Lockl.

Bis 7. Juni im Nationalrat

Ihr Nationalratsmandat legt Glawischnig mit der nächsten Plenarsitzung zurück, die am 7. Juni angesetzt ist. Wer für sie nachrückt und vor allem wer Klubchef wird, ist noch offen. Stellvertretende Klubchefs sind Gabi Moser und Albert Steinhauser.

Festlegen wird man jedenfalls den Termin für den Bundeskongress, der formell über die Funktion des Bundessprechers sowie über die Bundesliste für die Nationalratswahl und damit auch die Spitzenkandidatur entscheidet. Wäre die Neuwahl nicht auf 15. Oktober 2017 vorgezogen worden, hätte das höchste Gremium der Grünen erst im November getagt. Nun wird vorverlegt, im Gespräch ist der 25. Juni. Tagungsort ist voraussichtlich Linz.

Neun Jahre

Glawischnig führte die Grünen neun Jahre lang und stabilisierte sie als eine der erfolgreichsten grünen Parteien Europas. Sie war zuletzt trotz des Wahlerfolges des ehemaligen Grünen-Chefs Alexander Van der Bellen bei der von den Grünen unterstützten Bundespräsidentschaftswahl auch parteiintern wegen des Ausschlusses der Grünen Jugendorganisation - der Jungen Grünen - in Kritik geraten. Anlass für den Rauswurf waren Auseinandersetzungen über die Unterstützung verschiedener grüner Listen bei den Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft. Just in dieser Phase plagten Glawischnig auch gesundheitliche Probleme. Wegen eines allergischen Schocks musste sie sogar in Spitalsbehandlung.

Erst vor zwei Tagen hat der KURIER berichtet, dass die Neuwahl die Grünen im falschen Augenblick erwischt und wie schwierig die aktuelle Lage für die Öko-Partei ist.

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SPÖ-Vorsitzender, Bundeskanzler Christian Kern zeigte sich überzeugt, dass Eva Glawischnigs ehrliches Engagement über die Parteigrenzen hinweg weiterhin sichtbar sein wird." SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler betonte, mit Glawischnig sei es zu jeder Zeit möglich gewesen, "für die Sache zu arbeiten. In der Bildungspolitik war sie über weite Strecken eine wichtige Verbündete." SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder hat sie im Parlament "als Politikerin mit großem Engagement in der inhaltlichen Auseinandersetzung und fairen, respektvollen Umgang mit den politischen Mitbewerbern erlebt".

Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) dankte für Glawischnigs Einsatz für den Parlamentarismus und lobte ihre "aufrichtige, faire und respektvolle Art, Politik zu machen".

Auch ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka dankte Glawischnig für die "gute Zusammenarbeit im Parlament". Lopatka verwies auf zahlreiche wichtige Punkte, in denen man Konsens erzielt habe, etwa auf das Rederecht für Europaparlamentarier oder auf die neuen Verfahrensordnung für Untersuchungsausschüsse.

FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat den Rücktritt von Grünen-Chefin Eva Glawischnig zweischneidig kommentiert. Einerseits würdigte er die Parteiobfrau als Person, kritisierte aber ihre Partei scharf. "Der Rücktritt ist natürlich zur Kenntnis zu nehmen", sagte Strache und wünschte Glawischnig auf ihrem weiteren Lebensweg - privat wie gesundheitlich - "nur das Beste". Habe man sachpolitisch meistens gegensätzliche Standpunkte vertreten und heftig gestritten, habe es jedoch nie Untergriffe gegeben. In ihrem Kampf gegen Hasspostings will der FPÖ-Chef die zurückgetretene Grünen-Chefin unterstützen: "Ja, selbstverständlich."

Erwartungsgemäß kam Strache nicht umhin, gerade jetzt die Grünen zu kritisieren, die wohl auch unter neuem Vorsitz inhaltlich nichts ändern würden.

Auch FP-Generalsekretär Herbert Kickl, der mit Glawischnig die selbe Schule besucht hatte, brachte seinen Respekt zum Ausdruck und sprach von einer intelligenten und selbstbewussten Frau: "Das ist sicher kein einfacher Schritt." Allerdings sei wohl nicht nur der politische Mitbewerber, sondern wohl auch die "Masse an Intrigen" Mitschuld an der Entscheidung. Kickl: "ich wünsche ihr, dass sie ihre Gesundheit erhalten oder wiedergewinnen kann."

"Großen Respekt" zollte auch der NEOS-Vorsitzende Matthias Strolz Glawischnig für ihre Entscheidung. Nach achteinhalb Jahren an der Parteispitze und angesichts der Umstände ist das für ihn "auch ein nachvollziehbarer Schritt". "Trotz inhaltlicher Unterschiede war mit Eva Glawischnig immer ein guter Austausch möglich", sagte Strolz.

"Persönlich betroffen" vom Rückzug Glawischnigs zeigte sich Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar, weil er die "offene und konstruktive Zusammenarbeit" mit ihr geschätzt habe. Lugar meinte angesichts des Rückzuges von Eva Glawischnig, dass sich alle im politischen Zirkus die Frage stellen sollten, "ob der permanente Dauerangriff und die Suche nach 'der' Schlagzeile es wert sind, dass sich jetzt schon sehr junge Politiker aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen müssen".

Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske betonte, dass Glawischnig bei für Arbeitnehmer relevanten Fragen "stets eine wichtige Gesprächs- und Bündnispartnerin", gewesen sei.

Dank für die Tätigkeit Glawischnigs kam unterdessen vom Grünen Bundesgeschäftsführer Robert Luschnik. Sie habe unglaublich viel erreicht und die Partei zur erfolgreichsten unter den europäischen Grünen gemacht, betonte er gegenüber der APA: "Ich finde es persönlich schade, dass sie sich zurückzieht. Ich sage ganz herzlich Danke im Namen der gesamten Grünen Bewegung."

Landesparteien danken scheidender Frontfrau

Aus den Grünen Landesparteien ist nach Glawischnigs Rücktritt Lob und Dank gekommen. Von den Unstimmigkeiten der vergangenen Monate - die Parteiführung war für ihren Umgang mit der Parteijugend kritisiert worden - war am Donnerstag nichts zu merken. Respekt wurde Glawischnig auch für ihre persönliche Entscheidung aus gesundheitlichen Gründen gezollt.

Wiens Grüne Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou streute Glawischnig zum Abschied Rosen. "Evas Verdienste für die Grünen sind groß. Mit ihr an der Bundesspitze ist es den Grünen gelungen, in sechs Landesregierungen einzuziehen und ihre besten Ergebnisse bei Bundeswahlen zu erzielen", hielt Vassilakou per Aussendung fest. Glawischnig habe über Jahre vielen Frauen Mut gemacht, "sich in die Politik zu trauen": "In einer Zeit der öffentlichen und halböffentlichen Anfeindungen gebührt Eva der höchste Respekt für ihre Standhaftigkeit und den Willen, diese Widerwärtigkeiten zum Thema zu machen und zu verfolgen." Vassilakou sprach von einer langjährigen Wegbegleiterin und verwies dabei auf die gemeinsame Zeit im Wiener Gemeinderat und im Grünen Bundesvorstand. Letzterem gehörte die Wiener Vizebürgermeisterin bis Februar 2016 als stellvertretende Bundessprecherin an.

Auch Vorarlbergs Grünen-Landessprecher Johannes Rauch bedauerte den Rückzug von Glawischnig. Sie habe als Vorsitzende der Grünen keine einzige Wahl verloren und viel dazu beigetragen, "dass wir Grüne in nunmehr sechs Landesregierungen sitzen und in vielen Städten und Gemeinden in Österreich mitregieren". Glawischnig sei eine Teamplayerin, Alleingänge und "Durchgriffsrecht" seien nicht ihr Stil, sagte Rauch. Dass sie sich nun zurückziehen müsse "ist bitter für uns Grüne, in einer Vorwahlsituation, die schwierig genug ist", wünschte Rauch der scheidenden Parteichefin "das Wichtigste: Gesundheit!"

Der steirische Landessprecher und Landtagsklubchef Lambert Schönleitner sprach von "großem Dank und Respekt für Eva Glawischnig". Sie habe als Parteiobfrau dafür gesorgt, dass sich "die Grünen stark professionalisiert haben". Unter ihrer Führung hätten sich die Grünen als wesentliche politische Kraft in Österreich etabliert. Schönleitner zeigte sich "tief berührt" von ihrer Abschiedsrede: "Ich hoffe, dass wir uns in der Politik Evas Worte zu Herzen nehmen". Er habe großes Verständnis für ihren Schritt.

Die Landessprecherin der Grünen Burgenland, Regina Petrik, erklärte in einer Reaktion, den Rückzug der Bundessprecherin zu respektieren. Glawischnig habe in den vergangenen neun Jahren "mit vollem Elan" die Grünen vorangebracht und habe nun das Recht, ihre persönliche Entscheidung über ihren weiteren Lebensweg zu treffen. Glawischnig habe die Grünen als Parteichefin zu deren "bislang größten Erfolgen" geführt. Ihre Bilanz verdiene "jeden Respekt und meine persönliche Anerkennung", so Petrik.

Glawischnigs persönliche Entscheidung sei zu akzeptieren und respektieren, sagte Helga Krismer, Landessprecherin der Grünen Niederösterreich. "Sie hat uns das historisch beste Wahlergebnis beschert. Sie hat enorme Leistungen erbracht und hat erst vor kurzem vielen Menschen Mut gemacht, indem sie aufgezeigt hat, dass man sich auch gegen Hass im Netz wehren und selbst ein Unternehmen wie Facebook in die Knie zwingen kann", so Krismer.

Auch Salzburgs Landessprecherin LHStv. Astrid Rössler betonte, dass die Grünen unter Glawischnig ihre größten Wahlerfolge erzielt hätten. Sie bedauere den Rücktritt, der auch ins Bewusstsein rücken sollte, "welche Mechanismen im politischen Geschäft heutzutage wirksam sind und wie sich diese auf uns alle, vor allem aber auf Politikerinnen und Politiker an der Spitze auswirken." Sie selbst habe Glawischnig stets als "engagierte Sachpolitikerin mit hohem Verantwortungsbewusstsein" erlebt. "In der Ära Glawischnig sind die Grünen in vielen Bereichen in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Für dieses Verdienst gebührt ihr der allergrößte Dank", so Rössler.

Zur Frage der Nachfolge, in deren Zusammenhang Rössler selbst genannt wurde, wollte sich die Salzburgerin nicht äußern. "Morgen wird der Erweiterte Bundesvorstand tagen und die weitere Vorgangsweise besprechen. Ich bin überzeugt, wir werden gemeinsam eine gute Lösung finden."

Als "sehr schade" bezeichnete die Landessprecherin der Kärntner Grünen, Marion Mitsche, die Rücktrittsentscheidung Glawischnigs. Sie habe die Grünen zu einer modernen, erfolgreichen Partei gemacht, meinte Mitsche in einer Aussendung. Auch Landesrat Rolf Holub und Landtags-Klubchefin Barbara Lesjak äußerten ihr Bedauern und sprachen der scheidenden Parteichefin ihren Dank aus. Holub: "Wir alle haben viel von ihr gelernt und haben ihr sehr viel zu verdanken." Nun gelte es, die Bundesspitze der Grünen rasch neu zu besetzen, so Mitsche und Holub.

Oberösterreichs Grüne Landessprecherin Maria Buchmayr bedankte sich bei Glawischnig "für ihre enorm engagierte Arbeit und ihren höchsten Einsatz". Gleichzeitig respektiere sie den Rücktritt und die angeführten Gründe. "Ich wünsche Eva und ihrer Familie für die Zukunft alles Gute", meinte Buchmayr in einer Presseaussendung. Ab sofort gelte es "nach vorne zu schauen" und "zügig alle erforderlichen Entscheidungen zu treffen, um bei der Nationalratswahl im Herbst erfolgreich zu sein".

Als Langzeitparteichef Alexander Van der Bellen nach der Nationalratswahl 2008 von der Parteispitze abtrat, war Glawischnig zwar die logische Nachfolgerin. Ihre Ausgangslage war allerdings durchaus schwierig: Unter Van der Bellen hatten die Grünen erstmals zweistellige Ergebnisse auf Bundesebene geschafft, und ob die Ökopartei das auch ohne ihr bürgerliches Aushängeschild schaffen würden, galt vielen als zweifelhaft.

Zum Abschied hinterlässt Glawischnig unterm Strich dennoch eine Erfolgsbilanz: Bei der Nationalratswahl 2013 schafften die Grünen das beste Ergebnis der Parteigeschichte (12,4 Prozent). Die Regierungsbeteiligung in Oberösterreich wurde zwar an die FPÖ verloren, dennoch regieren die Grünen derzeit in fünf Bundesländern mit (Wien, Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg). Und seit Jänner sitzt erstmals ein Grüner Bundespräsident in der Hofburg.

Nach Hofburg-Wahl begann es zu kriseln

Unmittelbar nach der Präsidentschaftswahl begann es allerdings zu kriseln: Den Anfang machte ein öffentlich ausgetragener Konflikt mit dem Langzeitabgeordneten Peter Pilz, der nach der gewonnenen Präsidentschaftswahl zum wiederholten Mal eine Strategiedebatte vom Zaun brach (Stichwort: Linkspopulismus). Pilz traf sich hier mit anderen Kritikern, die dem Führungsteam um Glawischnig vorwarfen, im Kampf um Wählerstimmen zu stark auf stromlinienförmiges Politmarketing zu setzen und den inhaltlichen Kurs zu verwischen. Vorgehalten wurde ihr auch der eine oder andere Auftritt in den Society-Spalten, gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Ex-Journalisten und "Dancing Star" Volker Piesczek.

Im März eskalierte schließlich der Konflikt mit der Führung der "Jungen Grünen": Weil die bei der ÖH-Wahl eine Abspaltung der offiziellen Grünen Studenvertretung (GRAS) unterstützen wollten, drehte die Partei der Jugendorganisation den Geldhahn zu. Zwar trat der Vorstand der Jungen Grünen rund Glawischnig-Kritikerin Flora Petrik zurück. Intern gab es allerdings viel Kritik am Krisenmanagement der Parteispitze. Dazu kamen gesundheitliche Probleme: Anfang April erlitt Glawischnig einen allergischen Schock und musste eine Woche pausiieren.

Den nun anlaufenden Nationalratswahlkampf wollte sich Glawischnig nun offenbar nicht mehr antun. Dabei hatte Glawischnig schon vor ihrer Kür zur Parteichefin gezeigt, dass sie Wahlkampf kann - und dass die medial oft ein wenig unterkühlt wirkende Juristin auch den Bürgerkontakt nicht scheut: Im Landtagswahlkampf 2004 übersiedelte sie kurzerhand nach Kärnten, tourte mit Spitzenkandidat Rolf Holub durch die Wirtshäuser des Landes und ermöglichte den Grünen damit erstmals den Einzug in den Kärntner Landtag.

Ungewohntes Terrain betrat Glawischnig dabei nicht, denn aufgewachsen ist Glawischnig in Seeboden am Millstätter See, in einer national gesinnten Wirtsfamilie. Im Ausflugsgasthaus der Eltern musste sie früh mithelfen. Und die Schulbank drückte sie bekanntermaßen mit dem heutigen FP-Generalsekretär Herbert Kickl. Den Zug in Richtung Spitze hatte Glawischnig schon damals, fungierte sie doch acht Jahre lang als Klassensprecherin. Nicht ganz für die Top-Position reichte es in der Hitparade. Kleinere Erfolge konnte sie mit dem Song "Gelati" im Rahmen der Gerald Gaugeler-Band aber doch erzielen. Die musikalische Basis legte sie in der Hausmusik am Hackbrett.

Umweltjuristin

Den Absprung aus dem heimatlichen Kärnten tat Glawischnig in den 1990er Jahren bei den Protesten gegen ein Schnellstraßenprojekt im Ennstal. Als Umweltjuristin arbeitete sie für "Global 2000". Glawischnigs Einstieg in die Parteipolitik über die Wiener Grünen war dann ein Fehlstart: 1996 verfehlte sie den Einzug in den Landtag und arbeitete ohne Mandat als Umweltsprecherin der Stadtpartei. Drei Jahre später schaffte sie als Spitzenkandidatin der Wiener Grünen den Sprung in den Nationalrat. Dort konnte sie sich als Umweltsprecherin rasch etablieren und rückte 2002 zur stellvertretenden Parteichefin auf.

Im selben Jahr folgte dann ein herber Rückschlag für die ambitionierte Kärntnerin: Bei den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP war sie schon als Umweltministerin einer schwarz-grünen Regierung gehandelt worden, doch die Gespräche scheiterten. 2006 wurde Glawischnig Dritte Nationalratspräsidentin. Auch bei der Nationalratswahl 2013 wurde es nichts aus der erhofften Regierungsbeteiligung, da es für SPÖ und ÖVP auch ohne die Grünen zu einer Koalitionsmehrheit reichte.

Zur Person: Eva Glawischnig-Piesczek, geboren am 28 Februar 1969 in Villach (Kärnten), zwei Söhne mit Ehemann Volker Piesczek. Studierte Jus an der Karl-Franzens-Universität Graz sowie an der Universität Wien (1988-1998). Stellvertretende Bundessprecherin der Grünen ab 2002, ab 2008 dann Klubobfrau und Bundessprecherin. Dritte Nationalratspräsidentin 2006 bis 2008.

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