Warum die ORF-Doku über den trockenen Neusiedler See wichtig war

Warum die ORF-Doku über den trockenen Neusiedler See wichtig war
Aufregung im Burgenland über die Mockumentary "Neusiedl ohne See". Für deren Macher ist die "Mission erfüllt".

"Mission accomplished." Mit diesem Tweet kommentierte ORF-Journalist Hanno Settele den an ihn adressierten offenen Brief von Burgenland Tourismus Geschäftsführer Didi Tunkel vergangene Woche.

Dieser hatte Settele vorgeworfen "Existenzen zu vernichten" und vor einer "Storno-Welle" aufgrund der Berichterstattung gewarnt. Die "dystopisch künstlich gestalteten Bilderwelten" seien eine "schwarzgemalte falsche Realität".

Was war geschehen?

In der Reihe "Dok 1" am 31. Mai (in der TV-Thek noch bis Mittwochabend zu sehen) wurde unter dem Titel "Neusiedl ohne See" gezeigt, was passiert, wenn der Neusiedler See austrocknen würde, wie sich die Wirtschaft darauf einstellen könnte und vor allem auch die Menschen, die in der Region leben.

Das Problem: Die Dokumentation wurde als Mockumentary, also als ein satirisches Projekt, angelegt.

Vielleicht wurde in der Berichterstattung tatsächlich ein entscheidender Fehler begangen: Der Hinweis auf die Mockumentary folgte erst im Abspann. Wer schon vor dem Ende umschaltete oder abdrehte, konnte den Eindruck gewinnen, als wäre das Wasser aus dem Neusiedler See verschwunden.

Die Diskussion hat begonnen

Das allerdings nur aufgrund der vom ORF veränderten Bilder. Damit wurde eindrucksvoll gezeigt, wie die Landschaft ohne Wasser aussehen würde - mit einem Wort: trostlos.

➤ Mehr dazu: Wie das Wasser in den Neusiedler See gelangt - und verschwindet

Warum die ORF-Doku über den trockenen Neusiedler See wichtig war
Warum die ORF-Doku über den trockenen Neusiedler See wichtig war

Podersdorf am See: Fiktion und Realität

Links die für die Dok1-Sendung "Neusiedl ohne See" veränderten Bilder, rechts der Leuchtturm in Podersdorf im Dezember 2022.

Allerdings reicht allein die Absurdität der gewählten Szenen, um schnell zu erkennen, dass es sich einfach nicht um die Realität handeln kann.

  • Wenn zum Beispiel ein Bootshändler mit seinem Traktor eine Segelyacht auf dem Parkplatz hinter sich herzieht. Zum wohlfeilen Preis von 15 Euro übrigens.
  • Oder wenn Burgenland Energie-Vorstandschef Stephan Sharma laut darüber nachdenkt, Salzwasser in alten Gasleitungen aus dem Mittelmeer in den Neusiedler See zu pumpen.
  • Und natürlich auch, wenn ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick vorschlägt, am Grund des ehemaligen Sees ein Fußballnationalstadion zu errichten.

Im Burgenland war das Unheil jedenfalls angerichtet. Zumindest für den Burgenland Tourismus. Und auch rund um den Neusiedler See gab es zahlreiche Stimmen, die mit der Dokumentation nicht einverstanden waren und Schaden für die Region befürchten.

Seien wir doch ehrlich

Freilich sind die von Settele in der Mockumentary gezeigten Bilder alles andere als förderlich für den Tourismus - auf den ersten Blick. Denn insgesamt hat die Sendung ihren Zweck erfüllt: Die drohende Austrocknung des Neusiedler Sees ist ein Thema, es wird darüber geredet und diskutiert. Das allein ist schon einmal Werbung für den See. Grundsätzlich.

➤ Mehr dazu: Warum Naturschützer den Neusiedler See austrocknen lassen wollen

In der Realität stehen mittel- und langfristig alle Zeichen auf Austrocknung. Die ausgiebigen Niederschläge im heurigen Frühling waren gerade einmal ein Tropfen auf den heißen Stein, aktuell liegt der Wasserpegel etwa auf jenem des Vorjahres. Dieser dürfte, verläuft die Entwicklung ähnlich wie im Sommer 2022, bis Oktober um etwa 30 Zentimeter sinken.

Zum Vergleich: Das vom Land angedachte Projekt einer Wasserzuleitung dürfte rund 10 Zentimeter Wasserhöhe pro Jahr bringen. Man sieht: Das wird sich langfristig nicht ausgehen.

➤ Mehr dazu: Pro und Contra: Donau-Wasser für den Neusiedler See?

    So weit hergeholt ist das Szenario der vollständigen Austrocknung übrigens nicht. Schließlich ist auch der Zicksee im vergangenen Jahr erstmals ausgetrocknet. Die Folge waren reale Bilder ähnlich jenen, die Settele unlängst im ORF gezeigt hat: Trockenheit, Schlamm, tote beziehungsweise umgesiedelte Fische.

    ➤ Mehr dazu: Zicksee trocknet aus: Fische wurden tonnenweise umgesiedelt

    Auch damals mussten sich Journalisten bei Rechercheanfragen anhören, sie würden mit der Veröffentlichung der Bilder dem Tourismus rund um den Neusiedler See schaden. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Nur wenn über die Problematik berichtet wird, kann auch etwas dagegen getan werden.

    Deshalb tut der Burgenland Tourismus dem ORF unrecht, wenn von "vernichteten Existenzen" die Rede ist. Die wird nämlich sicher nicht Hanno Settele zu verantworten haben, sondern das sich dramatisch schnell verändernde Klima und die daraus folgende Trockenheit.

    ➤ Mehr dazu: Neusiedler See: Baggern und Saugen für die Sommersaison

    Wie lange sich die "dystopisch künstlich gestalteten Bilderwelten" noch von der Realität unterscheiden, bleibt abzuwarten. Schwarzmalen ist das jedenfalls nicht. Aber definitiv eine realistische Einschätzung bei einer Lagebetrachtung ohne Scheuklappen. Und die haben Journalisten tendenziell seltener auf, als Interessensvertreter.

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