Pro und Contra: Donau-Wasser für den Neusiedler See?

Pro und Contra: Donau-Wasser für den Neusiedler See?
Bedrohung oder Notwendigkeit? Im Burgenland wird an einer Wasserzuleitung gearbeitet, um den See zu retten

Ein trockener Neusiedler See ist der Alptraum aller Touristiker. Auch die Bevölkerung macht sich zurecht Sorgen ob fallender Pegel. Der Gedanke liegt nah, den Steppensee mit Flußwasser aufzufüllen. Hier drängen sich aber ökologische Fragen auf. Ist so ein Schritt vertretbar? Michael Pekovics (KURIER Burgenland) und Katharina Salzer (KURIER Sonntagsredaktion) tauschen ihre Argumente aus:

PRO

Die Austrocknung des Neusiedler Sees ist keine Option. Weder für die Menschen und schon gar nicht für die Politik, die sich festgelegt hat, den See als Landschaftselement zu erhalten. Da geht es nicht nur um die Bereiche Wirtschaft, Weinbau und Tourismus, die allesamt massiv unter einem ausgetrockneten See leiden oder ganz verschwinden würden, sondern um mehr. Denn wie in einer Chronik des Fischereiverbandes zu lesen ist, waren die Jahre der letzten Austrocknung rund um 1870 für die Bevölkerung alles andere als angenehm: „Am unliebsamsten wurde es empfunden, dass ... der Salzstaub überallhin ... verweht wurde ... und sich zu Hügeln anhäufte“. Direkte Folge davon: „Die Leute in Podersdorf bekamen fast alle Augenentzündungen durch die Einwirkung des ,Zickstaubes‘.“ Der See macht den Seewinkel also überhaupt erst lebenswert.

Womit wir bei einer grundsätzlichen Frage wären, die uns angesichts des Klimawandels noch oft beschäftigen wird: Darf der Mensch mit seinen technischen Möglichkeiten in eine sich verändernde Umwelt eingreifen? Im Burgenland wird dieser Versuch unternommen. Denn die Experten sind sich einig, dass die Zuleitung von Wasser die langsame Austrocknung des Sees ohnehin nur verzögern, aber nicht verhindern kann. Das Risiko dieses Spiels auf Zeit ist verkraftbar, schließlich geht es nicht nur um den See, sondern auch um die Stabilisierung des Grundwassers in einer der am stärksten wachsenden Regionen Ostösterreichs.

Aber wie kam das Wasser damals eigentlich wieder zurück in den Neusiedler See? Über die Flüsse Rabnitz und Raab. Die konnten nämlich wegen des hohen Wasserstandes der kleinen Donau nicht abfließen, das rückstauende Wasser füllte den See wieder auf. So wie es ab 2022 die Donau tun soll.

Michael Pekovics ist Teamleiter im Burgenland und schreibt seit Jahren über den Neusiedler See.

KURIER-Redakteur Michael Pekovics kommentiert

Michael Pekovics ist Teamleiter des KURIERs im Burgenland.

CONTRA

Ja, es wäre eine Katastrophe für die Region würde der Neusiedler See austrocknen. Aber, es bahnt sich eine noch größere an, leitet man Donau- oder Raabwasser in den See ein. Nämlich  eine ökologische, die laut Experten des WWF den See als Ganzes gefährden könnte. Und dann? Hätten weder die Touristiker noch die Landwirte und Winzer oder die (zu) zahlreichen Immobilieninvestoren etwas von der Maßnahme.  Das Risiko, alles zu zerstören, ist zu groß.

Man sollte damit leben, dass der See austrocknen kann und auch wird. Bisher ist das durchschnittlich zwei Mal pro Jahrhundert passiert. Durch den Klimawandel wird das Ereignis wohl häufiger auftreten. Aber nach Trocken- kommen  auch wieder Hochwasserphasen.  

Das Ökosystem des Sees wird  man nicht ohne Folgen verändern können. Ein Beispiel aus dem Papier des WWF: Der Salzgehalt des Sees hält seine graue Trübung aufrecht. Kommt nun kalkreiches Flusswasser hinein, sinken die Trübstoffe ab und das Wasser wird klar. Endlich, mag sich man einer denken, keine Schlammlacke mehr. Das wäre allerdings kein allzulanges Vergnügen. Denn auf den Partikeln, die das Wasser trüben,  sind Bakterien, die organisches Material  zersetzen, ehe es den Seeboden erreicht. So sammelt sich weniger Schlamm. Langer Rede, kurzer Sinn. Wissenschafter sind der Ansicht, wenn die Trübe wegfällt, kommt es noch schneller zur Verlandung und Verschlammung – und  es drohen massive Algenblüten.

Das zeigt, wer an Rädchen im Getriebe dreht, ist unter Umständen mit noch größeren Problemen konfrontiert. Die beste  Lösung  ist Wasser in Form von Niederschlag. Das können die Menschen allerdings nicht steuern. Was sie tun können: Gerade noch dafür sorgen, dass der Klimawandel eingebremst wird.

Katharina Salzer ist stv. Ressortleiterin Sonntag und leidenschaftliche Seglerin (auch am Neusiedler See).

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Katharina Salzer

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