Auch für Google gibt es kein ewiges Leben

Telekom Austria-Vorstand Alejandro Plater
Durch die rasante Digitalisierung wurde die Telekom Austria ein Unternehmen, das mit unendlich vielen Daten neue Geschäfte aufbaut.

Es ist schon einige Monate her, da bat Alejandro Plater, der Chef der Telekom Austria, zu einem Gespräch in sein Büro in der Lassallestrasse.
Es gab zuvor den einen oder anderen kritischen Bericht im Wirtschaftsteil des KURIER, auch die Frage seiner Vertragsverlängerung war aktuell.
Aber in dem Gespräch ging es weder um Beschwerden noch um die Person Plater, sondern bald um ein Buch, das bei ihm auf dem Tisch lag: „Sapiens, eine kurze Geschichte der Menschheit von Yuval Harari“. Der Argentinier Plater ist Betriebswirt mit viel Erfahrung in der Telekomindustrie. Im August 2015 wurde er als Vertrauter des Mexikaners Carlos Slim, dem 51 Prozent der TA gehören, CEO der Gruppe. Aber Plater ist auch ein viel gereister Mann, der viel liest und über die Folgen der digitalen Revolution nachdenkt.

Homo Deus

Wenige Tage später lag das zweite Buch Hararis auf dem Schreibtisch, mit den besten Grüßen von Alejandro Plater: Homo Deus. Die große Frage lautet: Wird der Mensch durch die modernen Technologien zu seinem eigenen Schöpfer, zu einer Art Gott?
Dieses Buch und andere Publikationen wurden zur Anregung der KURIER-Serie ALLMÄCHTIGER. Plater glaubt, dass die Menschen entscheiden werden, wie sie die neuen Technologien anwenden. Er kam erst kurz vor dem Interview aus dem Urlaub in seiner Heimat Argentinien zurück, einst ein reiches Land, das von Landwirtschaft und Viehzucht gut lebte. Selbstzufrieden und korrupt verarmte Argentinien. Die Technik, davon ist Plater überzeugt, kann die Menschen in eine bessere Zukunft führen.

KURIER: Herr Plater, würden Sie gerne ewig leben?
Alejandro Plater:
Nein.

Warum nicht?
Lebensqualität hat nicht nur mit Lebenszeit zu tun. Natürlich brauche ich Zeit, um glücklich zu sein. Wobei wir wieder darüber diskutieren könnten, ob Glück der Sinn des Lebens ist.

In dem Buch Homo Deus stellt Yuval Harari die These auf, dass wir Menschen bald keine Individuen mehr sind, sondern Datenprozessoren. Das klingt für mich unerfreulich, für ein Unternehmen wie die Telekom Austria muss das spannend sein.
Je mehr man sich mit Neurowissenschaften beschäftigt, umso mehr kommt man zur Überzeugung, dass wir natürlich eine Art biologischer Algorithmus sind. Ich finde das auch nicht schlimm. Viele tausend Jahre lang haben die Menschen geglaubt, dass sie von einem Gott gesteuert sind und das Leben einen höheren Sinn hat. Aber ich glaube, das stimmt nicht.

Aber ein Sinn des Lebens könnte es sein, dass wir bessere Menschen werden. Wenn uns dazu kein Gott anleitet, wer oder was könnte uns dazu bringen, besser zu werden?
In dem Buch gibt es eine Passage, wo es um Fairness geht. Harari beschreibt, dass die Evolution das Gehirn des Menschen dazu gebracht hat, mit anderen zusammenzuarbeiten und Erfahrung zu sammeln, weil es ihm dann besser geht. Und weil wir einander beschützen können. Wenn ich jage, und das Wild dann mit Ihnen teile, dann werden Sie mit mir teilen, wenn Sie etwas gejagt haben. Fairness führt zu einer besseren Gesellschaft. Und mit den neuen Technologien und Big Data wird das noch besser funktionieren.

Also werden alle von den neuen Technologien profitieren?
Ja, natürlich. Und sollte jemand verlieren, etwa weil er den Job verliert, dann bin ich davon überzeugt, dass die Gesellschaft die entsprechende Lösung dazu findet. So wie es in der Vergangenheit war und außerdem sind wir heutzutage menschlicher als früher.

Kommen wir zur Telekom Austria. Wie verändern Sie die ehemalige Telefonfirma zu einem modernen Datenunternehmen?
Wir müssen in unserem Kerngeschäft exzellent sein und das Portfolio erweitern, vor allem, was die Themen Digitalisierung und Künstliche Intelligenz betrifft.

Da sagen die Datenschützer sofort VORSICHT!
Die Technologie ist schneller als die Regulierung. Und das muss es auch sein, weil wir ja sehen müssen, was wir mit der neuen Technologie überhaupt können. Es hat keinen Sinn, Dinge zu regulieren, die wir noch gar nicht verstehen.
Man könnte ja so regulieren, um sicherzustellen, dass die Informationen anonym bleiben.

Aber zurück zur Frage, wie Sie die Telekom Austria verändern.
Erstens bei der Kundenbetreuung. Das geht online besser, bis hin zum Einsatz der künstlichen Intelligenz. Wenn Sie ein Problem haben, wollen Sie nicht mit einem unserer Angestellten 10 Minuten reden, wenn Sie die Lösung auch mit zwei Klicks bekommen.

Wie könnten Sie mit Ihren Daten noch zum Wohl der Bevölkerung beitragen?
Jeder hat ein Handy, so können wir Verkehrsströme beobachten. Oder wir können Touristen nach ihren Interessen dorthin führen, wo sie etwas sehen wollen. Ich gebe Ihnen ein weiteres Beispiel: Wenn Ihre Rechner den ganzen eMail-Verkehr von Wien lesen könnten, wüssten Sie wahrscheinlich schneller als jedes Krankenhaus, wann eine Grippe-Welle kommt.

Das bringt mich zurück zum Thema Algorithmus: Der weiß mehr über mich als ich selbst.
Ja, natürlich.

Auch für Google gibt es kein ewiges Leben
Telekom Austria-Vorstand Alejandro Plater
Wirklich?
Ja, da gibt es ausreichend Versuche. Schon wenn Sie hundert Mal ein „Like“ auf einer gewissen Facebook-Seite machen, weiß der Algorithmus mehr als ein Mitarbeiter von Ihnen. Nach 300 „Likes“ weiß die Maschine mehr als Ihre Ehefrau über Sie.

Und wenn ich das nicht will?
Es bleibt jedem Einzelnen von uns selbst überlassen, aber dann müssten Sie auch auf alle positiven Effekte verzichten.

Aber gerade Facebook führt doch zu diesen Blasen, in denen man nur noch seine eigene Meinung bekommt und Dinge, für die man sich bisher interessiert hat.
Es gibt immer wieder neue digitale Plattformen, auf denen Sie dazulernen können. Das finde ich wunderbar.

Aber Facebook, Google und andere versuchen, mit unseren Daten doch hauptsächlich Monopole zu werden, um dann noch mehr Geld zu verdienen.
Diese Angst habe ich nicht. Es gab immer große, hervorragende Unternehmen, die gedacht haben, sie würden ewig leben, aber es gibt sie nicht mehr. Auch für Google, Facebook und andere kann es eine Disruption geben.

Es gibt also auch kein ewiges Leben für Google?
Nein, und auch wir als Telekom müssen uns ständig verändern und neu erfinden. Wie vorher schon erwähnt, müssen wir unser Kerngeschäft ständig verbessern und danach streben, die Besten auf unserem Gebiet zu sein. Gleichzeitig müssen wir unser Portfolio vergrößern z. B. im Datenbereich, wo wir riesiges Wachstum erwarten.

Bleiben wir zunächst beim Kerngeschäft.
Dazu zählen Fernsehen, Sprachtelefonie, Daten und Internet. Und jetzt expandieren wir in Datenanalyse, Clouds, digitale Services, digitale Medizin. Da stehen wir erst am Anfang, aber hier werden wir großes Wachstum erzielen. Das Kerngeschäft wird kleiner. Bei uns, bei Ihnen, in der Automobilindustrie, usw.

Gut, aber wie werden Sie da Geld verdienen?
In verschiedenen Bereichen, etwa Transport. Die Menschen wollen das Auto nicht besitzen, es aber dann verwenden, wenn sie es brauchen. Wir können mit Daten dafür sorgen, dass die Autos am richtigen Platz stehen, wo sie gebraucht werden. Leute werden mehr teilen.

Das wird Jobs kosten. Der Physiker Dirk Helbing hat uns gesagt, 50 Prozent der Arbeitsplätze werden wegfallen.
Jede Tätigkeit, die ein Computer besser kann, wird in Gefahr sein. Keiner bezweifelt, dass Computer besser Zahlenkolonnen zusammenrechnen können. Deswegen sollen sie es tun. Wir als Menschen können etwas anderes besser, etwa Beziehungen untereinander aufbauen.

Aber irgendwann wird es künstliche Intelligenz geben, die mehr kann als ein Mensch.
Wir sind trotzdem besser, Ideen und Menschen zusammenzuführen. Und neue Muster zu finden. Computer werden immer in einer objektiven Realität leben. Wir leben in einer subjektiven. Also: Was ist gut? Was ist schlecht? Gibt es einen Gott? Was machen wir gegen Umweltverschmutzung? Das wird eine der ganz großen Herausforderungen.

Welche neuen Jobs werden entstehen?
Viele Jobs rund um das Thema Daten: Analysen, neue Muster und Jobs, die Dinge verhindern anstatt sie zu reparieren, Software-Entwicklung, Programmieren – es werden viele neue Jobs entstehen.


Das heißt, dass so gut wie jeder, egal ob Journalist, Manager oder Arzt, wird lernen müssen, Codes zu programmieren oder wenigstens zu verstehen.
Ja, sicher. Schauen Sie nach China, dort lernen das die Kinder in der Schule.

Und wer das nicht lernt, wird keinen Job mehr finden?
Jeder von uns wird ständig seine Kompetenzen verbessern müssen. Wer sein Studium beendet hat, hat damit nicht seine Ausbildung beendet. Dieser Prozess wird nie zu Ende gehen. Es ist unsere Pflicht, uns ständig weiter zu bilden.

Wenn Sie zu Ihren Mitarbeitern gehen und das sagen, bekommen Sie Applaus?
Es ist eine Reise und ich rede viel und gerne darüber. Vor Kurzem haben wir in Kooperation mit Facebook eine eigene App gelauncht, „Workplace“. Auf dieser Plattform können die Mitarbeiter ihre Expertise teilen. Wissensvermittlung erfolgt nun von unten nach oben in sehr hoher Geschwindigkeit. Ein Beispiel: Erst neulich haben wir einen Übersetzer für Ungarisch – Mandarin gesucht. Normalerweise würde die Personalabteilung mittels Jobanzeige geeignete Kandidaten suchen, erst Wochen später hätten wir jemanden gefunden. Mit „Workplace“ hat es genau 30 Minuten gedauert, und wir hatten die gewünschte Kompetenz.

Jeder von uns hat ein Handy, ich nehme mit meinem gerade unser Gespräch auf. Wie werden sich die Handys verändern? Werden Teile ihrer Funktionen in unseren Körper übersiedeln?
Wir reden schon vom Hybrid-Gehirn, also der Kombination von unserem Gehirn und Computer. Zwei Trends gibt es jedenfalls. Das eine ist die Kapazität der Rechner. Mit den neuen Quantencomputern wird es keine Beschränkung mehr geben. Ein solcher Computer kann in einer Sekunde so viele Rechenvorgänge machen, wie es Atome im Universum gibt.

Also unendlich viele.
Heute ist ein Quantencomputer so groß wie dieses Zimmer und braucht eine Umgebung von 300 Grad minus. Das limitiert die Einsatzmöglichkeiten.

Auch das wird sich ändern, die Frage ist nur, wie schnell.
Ja, vielleicht haben wir in zwanzig Jahren einen Quantencomputer auf unserem Handy.

Und wir werden Mini-Computer in unserem Blutkreislauf haben, die einem Spital unseren Gesundheitszustand melden?
Da gibt es eine App, die heißt „The long-term now“, und da geht es schon um Hybrid-Körper. Z. B. einem Blinden wurde statt der Augen eine Kamera eingesetzt, mit einer Verbindung ins Gehirn. Und er kann sehen. Nicht so gut wie wir, aber immerhin. Die Kamera verbindet das Gehirn nur mit ein paar Kabeln, also ist das Sehen noch begrenzt.

Noch. Das ist alles so faszinierend, warum wollen Sie nicht ewig leben, um diese Entwicklungen weiterzuverfolgen?
Das ist eine philosophische Frage.

Ja, aber alles was wir besprochen haben, wird die Erde und vielleicht den Weltraum darüber hinaus in den nächsten 100 Jahren massiv verändern. Ich würde das gerne miterleben.
Ja schon, aber es gibt auch ein Problem der Motivation, wenn ich weiß, es gibt kein Ende. Ich lese gerne über Buddhismus, weil ich finde, dass diese Philosophie am besten zur Wissenschaft passt. Es gibt keinen höheren Sinn. Wenn wir für immer leben würden, gäbe es doch die Frage nach dem „Wofür“.
Morgen: Digitale Revolution – Jeder muss sich rüsten.

Die bisherigen Serienteile:

Teil 1: Der Mensch von morgen: Perfekt, unsterblich - zu allem bereit?

Essay von Helmut Brandstätter: Die Wissenschaft wird uns gottähnlich machen - oder zerstören

Teil 2: Der Genetiker Markus Hengstschläger über die Thesen von Yuval Harari

Teil 3: Wie der Mensch den Schwangerschaftscode knacken will

Teil 4: Über die Gefahren der Mensch-Optimierung

Teil 5: Zukunft der Menschheit: Droht das Ende der Demokratie?

Teil 6: Der Mensch ist de facto bereits unsterblich

Teil 7: Singularität - die Angst vor der klugen Maschine

Essay von Helmut Brandstätter: Lern´ was! Ja, aber was?

Teil 8: Leben in der Zukunft: Für immer Feierabend! Und dann?

Teil 9: Wie wahrscheinlich eine gezielte Manipulation des Gehirns ist

Teil 10: Eine Zukunft ohne fixe Arbeitszeiten?

Teil 11: "Das werden Computer nie können"

Teil 12: Die Zukunft von Beziehungen, Liebe - und dem ewigen Leben

Teil 13: Werden Computer den Arzt ersetzen?

Die Patientin war erst 35 Jahre alt – und litt an einer fortgeschrittenen Darmkrebserkrankung. Eine Probe ihres Tumors wurde bei dem Roche-Tochterunternehmen „Foundation Medicine“ in Boston, USA, auf das Vorhandensein von mehr als 315 verschiedenen genetischen Veränderungen untersucht. Gleichzeitig schaute das System, ob es von den 100.000 Patienten, deren Daten bereits gespeichert sind, vielleicht schon einen ähnlichen Fall gab – und welche Therapie Erfolg hatte. Und es suchte nach aktuellen Studien mit neuen Wirkstoffen, für die diese Frau infrage kommen könnte.

Auch für Google gibt es kein ewiges Leben
Foundation Medicine, Krebstest, Gentest
„Es ist künstliche Intelligenz, die uns hilft, all diese Daten zusammenzuführen“, sagt Roche-Experte Garret Hampton: „Wir können jetzt Antworten auf Fragen bekommen, die wir früher so nie stellen hätten können.“ Schon jetzt zeige sich, dass diese Tools einen Einfluss auf den Behandlungserfolg haben. Bei der jungen Patientin konnte das Fortschreiten der Krebserkrankung durch eine spezielle Immuntherapie vorläufig gestoppt werden.

40.000 Analysen im vergangenen Jahr

Mehr als 40.000 Analysen von Gewebe- oder Blutproben wurden im vergangenen Jahr bei Foundation Medicine durchgeführt – auch österreichische Spitäler zählten zu den Einsendern. Die Genanalyse dauert fünf bis sieben Tage, bis zum Eintreffen der Antwort dauert es rund zwei Wochen. Diese enthält nicht nur die genaue genetische Charakterisierung des Tumors – aufgelistet wird auch, welche Behandlungsmöglichkeiten theoretisch infrage kommen könnten. Dazu lässt das System alle aktuellen Forschungsdaten einfließen.

In der Regel wenden sich Ärzte an diese Firma, wenn bei einem Patienten die herkömmlichen, in den Leitlinien vorgesehen Behandlungsstrategien nicht mehr wirken. Solche Angebote haben allerdings auch ihren Preis: Eine Analyse durch Foundation Medicine kostet etwa 3500 Euro.

„Wir wollen ein medizinisches Informationsunternehmen sein“, sagt Geschäftsführer Steven Kafka. Von jeder einzelnen Krebserkrankung wolle man die dafür verantwortlichen Genmutationen kennen und verstehen – und den Ärzten damit bessere Voraussetzungen für eine Therapieentscheidung liefern.


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