Antworten auf die größten Sorgen der Impfskeptiker

Antworten auf die größten Sorgen der Impfskeptiker
Nicht alle bisher Ungeimpften sind dies aus voller Überzeugung. Ein Teil hat das Gefühl, auf seine Fragen noch keine Antworten erhalten zu haben.

Stagnierende Impf- und steigende Infektions- und Patientenzahlen: Das lässt die Corona-Diskussionen wieder heftiger werden. „Mit dieser Impfquote können wir nicht in den Herbst gehen“, sagt etwa Virologe Christian Drosten. Doch alle Impf-Appelle scheinen bisher weitgehend ungehört zu verhallen – vor allem bei jüngeren Menschen und solchen mit einem geringeren Bildungsniveau, wie eine IMAS-Umfrage zeigt. „Es fühlen sich diejenigen, die noch nicht geimpft sind, auch nicht ausreichend informiert – das heißt, das ist eine Chance“, sagt IMAS-Meinungsforscher Paul Eiselsberg. Der KURIER hat deshalb häufige Fragen von noch Ungeimpften beantwortet.

Wurden die Impfstoffe zu schnell entwickelt und haben daher nur eine Notzulassung?

„Eine Notfallzulassung gab es nur in den USA, aber mittlerweile hat die US-Arzneimittelbehörde dem Impfstoff von Biontech/Pfizer eine vollständige Zulassung erteilt“, erklärt die Virologin Judith Aberle von der MedUni Wien. „In Europa haben die Impfstoffe keine Notfall-, sondern eine bedingte Marktzulassung: Das ist eine vollständige Zulassung, die sich von einem herkömmlichen Verfahren nicht unterscheidet, aber beschleunigt durchgeführt wurde. Die Impfstoffstudien zu Sicherheit und Wirksamkeit haben ganz regulär mehrere Zehntausend Probanden umfasst.“

Der EMA wurden schon kontinuierlich Daten übermittelt, bevor die Firmen die Zulassung beantragten, die einzelnen Phasen des Zulassungsprozesses sind nebeneinander und nicht hintereinander abgelaufen. „Und sowohl mit der Technologie der Vektor- als auch der mRNA-Impfstoffe gab es schon vor Corona über viele Jahre Erfahrungen, etwa aus Studien zu möglichen Krebsimpfstoffen.“

Aber die Impfungen gibt es erst kurz. Muss ich mir Sorgen wegen Langzeitfolgen machen?

„Impfnebenwirkungen zeigen sich wenige Stunden bis Tage nach der Impfung“, betont Aberle. Allerdings: Ganz seltene Nebenwirkungen, die etwa bei einem von 100.000 Geimpften auftreten, können in den Zulassungsstudien nicht erkannt werden – „das sind aber keine Langzeitfolgen, sie fallen nur erst zu einem späteren Zeitpunkt auf, wenn die Zahl der Geimpften noch deutlich größer ist. Mittlerweile sind weltweit aber bereits fast 5,5 Milliarden Dosen verimpft worden. Und damit hat man auch sehr seltene Nebenwirkungen – wie die zumeist milden Herzmuskelentzündungen – entdeckt.“

Es soll tausende gemeldete Todesfälle durch die Impfungen geben. Stimmt das?

„Nein, das ist eine Fehlinterpretation“, sagt Aberle. Ärzte melden Todesfälle „in zeitlicher Nähe“ zu einer Impfung, 144 bisher in Österreich. Nur bei einem Todesfall wird derzeit aber ein Zusammenhang gesehen. Auffällig wäre, wenn es z. B. bei 1000 Geimpften in einem bestimmten Zeitraum nach der Impfung mehr Todesfälle gäbe wie bei Ungeimpften.

„Der Public-Health-Experte Michael Kundi hat berechnet, dass in einer Woche bei 1000 Personen über 80 Jahre mit 3,5 Todesfällen zu rechnen ist – etwa durch Schlaganfälle, Herzinfarkte oder andere natürliche Ursachen. Das ist die normale Hintergrundinzidenz. Bei Geimpften ist diese Zahl in den Wochen nach der Impfung nicht höher, da gibt es also keine Auffälligkeit.“

Demgegenüber zeigen Berechnungen der Gesundheit Österreich GmbH, dass heuer nur zwischen Februar und Juli durch die Covid-Impfungen 5.790 Spitalsaufenthalte (2.278 auf Intensivstationen) und 2.177 Todesfälle vermieden wurden.

In Israel waren zeitweise bis zu 60 Prozent der schwer kranken Spitalspatienten geimpft, wirken also die Impfungen nicht?

„In Israel sind von der älteren Bevölkerung mehr als 90 Prozent geimpft“, sagt Aberle. Je höher aber die Impfquote, desto größer der Anteil der Geimpften unter den Patienten – weil es ja kaum Ungeimpfte mehr gibt. „Aber nur bei den Über-60-Jährigen sind mehr Geimpfte als Ungeimpfte im Spital.“ Diese wurden auch früh geimpft – wodurch die Impfwirkung bereits nachlässt. „Auch höheres Alter und Vorerkrankungen verringern die Impfwirkung und erhöhen das Risiko schwerer Verläufe.“

Statistiker haben gezeigt, dass die absoluten Zahlen der schweren Verläufe alleine einen falschen Eindruck erwecken. Sie setzten sie in Relation zur Gesamtanzahl Geimpfter und Ungeimpfter: Dann ist die Rate schwerer Fälle bei den Ungeimpften 3,1 x so hoch. „Schlüsselt man die Zahlen dann noch genau nach Altersgruppen, Impfquoten und Bevölkerungszahl auf, zeigt sich, dass die Impfung zu einem hohen Prozentsatz vor schweren Erkrankungen schützt.“

In Österreich sind 80 Prozent der Covid-Patienten auf Intensivstationen ungeimpft. Und einen Monat nach dem Start der dritten Impfung nimmt in Israel die Zahl der schwer kranken Spitalspatienten ab.

Ist Covid wirklich gefährlicher als Grippe?

„Bei der Influenza haben wir durch die jährlichen Wellen eine Grundimmunität in der Bevölkerung, beim Coronavirus nicht. Und unter jenen, die nicht geimpft sind und noch keinen Kontakt mit SARS-CoV-2 hatten, ist die Infektionssterblichkeit eindeutig höher als bei der Influenza.“ In der stärksten Influenza-Saison der vergangenen Jahre, 2016/2017, sei es zu 4.000 Influenza-Todesfällen gekommen – „ohne Lockdown, ohne Masken und andere Vorgaben. Bei Covid-19 haben wir mit den Schutzmaßnahmen bereits mehr als 10.000 Tote. Durch die immer noch vielen Ungeschützten steigen die Infektionszahlen viel rascher, das Gesundheitssystem ist noch stärker und länger belastet als bei einer Influenzawelle. „Wir hatten Patienten, die bis zu 80 Tage an der Herz-Lungen-Maschine hingen“, sagte kürzlich die ärztliche Direktorin des Wiener AKH, Gabriela Kornek.

Aber als jüngerem Menschen passiert mir doch nichts?

Laut Gesundheit Österreich GmbH wurden 2020 insgesamt 213 Covid-Patientinnen und -Patienten, die jünger als 40 Jahre alt waren, intensivmedizinisch betreut. In den ersten sieben Monaten des heurigen Jahres waren es schon 246, davon 60 zwischen 20 und 29. Sechs davon sind gestorben. Von Jänner bis Ende August 2020 hat hingegen von 17 schweren Fällen in dieser Altersgruppe nur einer nicht überlebt. „Unser jüngster Patient, der wegen Covid-19 lungentransplantiert werden musste, ist 21 Jahre alt“, berichtete Kornek kürzlich: „20 Patienten mussten wir mittlerweile nach einer Covid-Erkrankung die Lunge transplantierten.“

Besteht die Gefahr, dass die Impfung unfruchtbar macht?

„Studien mit vielen tausend geimpften Schwangeren haben keinerlei Probleme und keine Entwicklungsstörungen bei den Kindern gezeigt“, sagt Aberle. Im Gegensatz dazu haben ungeimpfte Schwangere bei Covid-19 „ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf mit einem Aufenthalt auf einer Intensivstation und auch ein höheres Frühgeburtenrisiko.“ Am Wiener AKH mussten bereits vier Schwangere mit Covid-19 an der Herz-Lungenmaschine versorgt werden.

Hintergrund der Sorge ist die Behauptung, dass es eine Ähnlichkeit geben soll zwischen dem durch die Impfstoffe gebildeten Spike-Protein des Virus und einem Protein der Plazenta. Und zwar bei der Abfolge von vier Aminosäuren, den Bausteinen von Proteinen. Daher würden die gegen das Virus gebildeten Antikörper auch dieses Plazenta-Protein erkennen und angreifen. „Solche Ähnlichkeiten sehen wir aber auch bei Rhinoviren, also Schnupfenviren. Auch die müssten dann eine Reaktion des Immunsystems gegen die Plazenta auslösen, was nicht der Fall ist.“

In einer Stellungnahme des Uni-Klinikums Jena heißt es: Träfe die Behauptung zu, „müsste auch oder erst recht eine Covid-19-Erkrankung zu einer Infertilität führen, da in diesem Fall die Antigen-Belastung der Patientin durch das Corona-Spike Protein und somit auch die potenzielle Antikörper-Bildung deutlich höher und unkalkulierbarer als im Falle einer Impfung wäre“.

Wozu impfen? Ich kann mich doch auch mit Nasen- und Rachensprays schützen?

Tatsächlich konnten mehrere solcher Sprays in Zellkulturen im Labor Viren deaktivieren. Eine Studie mit einem Produkt der österreichischen Firma Marinomed bei 394 Spitalsmitarbeitern in Argentinien zeigte zwar in der Spraygruppe nur zwei, in der Kontrollgruppe 12 Infektionen (Impfstoffe waren zu dem Zeitpunkt noch nicht zugelassen). Laut Plattform medizin-transparent könne aufgrund der kleinen Fallzahl aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen durch Zufall zustande gekommen sind – derzeit laufen Studien in Österreich.

„Solche Sprays können eine Impfung – oder auch Masken – nicht ersetzen“, betont Aberle. „Erstens ist die Wirkdauer begrenzt. Zweitens ist nicht auszuschließen, dass beim Einatmen Viruspartikel in die tiefen Atemwege gelangen. Und es sind auch Infektionen über die Mundschleimhaut und die Augenbindehaut möglich.“ Sollte sich ein gewisser Infektionsschutz bestätigen, könnten Sprays eine zusätzliche Maßnahme zur Impfung sein, etwa für Menschen, die schlecht auf eine Impfung angesprochen oder ein hohes Risiko – z. B. Spitalspersonal – haben.

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