„Der große Unterschied zu Medikamenten ist, dass derartige Sprays als Medizinprodukt verkauft werden. Zwar darf nichts Falsches beworben werden, man braucht aber deutlich weniger Nachweise, um eine Behauptung aufzustellen“, sagt Zeitlinger. Die Hersteller verweisen auf In-vitro-Studien, die zeigen, dass ihr Produkt auch SARS-CoV-2-Viren abwehren kann.
Vielversprechende Tests
Ein Mundspray der Firma Ökopur in Tirol etwa konnte im Laborversuch laut Hersteller innerhalb von einer Minute SARS-CoV-2-Viren zu 100 Prozent eliminieren. Erste Testreihen fanden an der MedUni Innsbruck am Modell eines Lungengewebes statt. Das Mundspray, das aus einer Mundspülung für Komapatienten entwickelt wurde, soll im Mund eine Schutzschicht bilden und zum Einsatz kommen, wenn Menschenmengen nicht vermeidbar sind, etwa bei einer Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, als zusätzlicher Schutz zur Maske. Auch beim Einkaufen oder bei Treffen mit anderen Personen wäre ein Einsatz möglich. Durch klinische Studien ist das noch nicht bestätigt.
Ähnlich verhält es sich mit dem Erkältungsspray ViruProtect, das in Österreich von der Firma Stada vertrieben wird. Eine In-vitro-Studie zeigt, dass das Spray SARS-CoV-2-Viren innerhalb von 20 Minuten zu 98 Prozent deaktiviert. Das Spray enthält Glyzerin und Trypsin, ein Verdauungsenzym, das aus Kabeljau gewonnen wird, und soll im Mund eine Barriere gegen Viren bilden. „Grundsätzlich kann man sagen, dass die In-vitro-Daten vielversprechend sind, ob aber wirklich eine Schutzwirkung gegeben ist, müssen klinische Studien zeigen“, sagt Zeitlinger. Ein erster Hersteller, der kürzlicheine solche Studie vorlegen konnte, ist die österreichische Firma Marinomed. Ihr Nasenspray Colda Maris enthält Carragelose, ein Stoff aus der Rotalge, der sich, in die Nase gesprüht, wie ein Schutzfilm auf die Schleimhaut legen und so eine Infektion verhindern soll.
In-vitro-Tests hatten dies laut Hersteller zuvor gezeigt. Die klinische Studie dazu fand mit knapp 400 Personen in Argentinien statt. Medizinisches Personal, das Covid-19-Patienten betreut, erhielt zusätzlich zu seinen üblichen Schutzmaßnahmen über 21 Tage entweder das Rotalgenspray oder ein Placebo-Spray. Beide sprühten das Mittel viermal täglich in die Nase.
Das Ergebnis: Die Rotalgenspray-Gruppe erkrankte signifikant weniger an Covid-19 als die Placebo-Gruppe. Sie hatten eine 80 Prozent geringere Infektionsrate. „Diese Studie ist vom Design her gut. Die entscheidende Frage ist allerdings, ob sich diese Ergebnisse auch auf eine andere Population übertragen lassen, also schützt mich z. B. das Spray, wenn ich es statt einer Maske in der U-bahn verwende? Das ist bisher nicht gezeigt“, so Zeitlinger. Eine ähnliche Studie läuft derzeit in Wien an den Kliniken Floridsdorf und Favoriten. Auch hier wird untersucht, ob das Nasenspray von Marinomed Krankenhauspersonal, das mit Covid-19-Patienten arbeitet, schützt. Die Teilnehmer sprühen dreimal täglich ein Spray in die Nase, auch in ihrer Freizeit.
Zusätzlich wird eine Inhalationslösung, ebenfalls auf Basis der Rotalge, in der Therapie von Covid-Patienten erforscht. „Ziel ist, bereits infizierte Patienten, die spitalspflichtig sind, früher heilen zu können. Diese Lösung, die über einen Vernebler verabreicht wird, setzen wir erstmals weltweit ein, die Ergebnisse erwarten wir im Herbst“, sagt Studienleiter Arschang Valipour, Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie in der Klinik Floridsdorf.
Valipour hält das Konzept der Sprays für einen interessanten Ansatz, auch weil kaum Nebenwirkungen zu erwarten sind. „Oberstes Gebot muss aber sein, Studien nach wissenschaftlichem Standard auch bei Betroffenen zu erbringen und nicht nur in der Petrischale im Labor“, so Valipour. Derzeit würden die Sprays nicht reichen, um eine Infektion zu verhindern. „Sie sind kein Ersatz für eine Impfung und kein Ersatz für eine FFP-2-Maske“, sagt auch Zeitlinger.
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