Coronavirus: So wichtig ist die zweite Impfung wirklich
In den USA ist es ein großes Thema: Acht Prozent derjenigen, die eine erste Impfung erhalten haben (Biontech/Pfizer oder Moderna), nehmen den Termin für die zweite Impfung nicht wahr, berichtete kürzlich die New York Times. Das sind mehr als fünf Millionen Menschen.
„Es hat sich aber gezeigt, dass zwei Impfungen notwendig sind, um ausreichend hohe Antikörper-Spiegel zu produzieren“, sagt der Infektiologe Marton Széll, Mitglied im Nationalen Impfgremium und stv. Leiter der Notfallambulanz der Klinik Donaustadt (früher „SMZ Ost – Donauspital“). „Einerseits ist also der volle Impfschutz nicht gegeben. Und es ist anzunehmen, dass die Dauer des Schutzes kürzer ist.“
Kürzere Wirksamkeit?
Das sagt auch die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien: „Man muss davon ausgehen, dass mit nur einer Impfung die Wirksamkeit früher nachlässt, wenn das Impfschema aus zwei Impfungen besteht. Mit der zweiten Impfung setzt man einen Booster, einen Verstärker.“ Mit einer Ausnahme beruhen auch die Ergebnisse aller Zulassungsstudien auf zwei Impfungen. Nur Johnson & Johnson ging mit einer Einzelimpfung in das Zulassungsverfahren und konnte einen ausreichend hohen Impfschutz nachweisen. Széll: „Es kann aber sein, dass nach zehn oder zwölf Monaten eine neuerliche Impfung notwendig wird.“ Eine Auffrischung könnte aber bei allen Impfstoffen Thema werden: „Erstens wegen des nachlassenden Impfschutzes, zweitens wegen neuer Virusvarianten.“
Redlberger-Fritz: „Wir wissen im Moment, dass der Impfschutz mit zwei Impfdosen – bei Johnson & Johnson mit einer – sechs bis acht Monate, vielleicht auch länger, anhält. Wie das bei den anderen Herstellern mit nur einer Dosis ist, wissen wir hingegen nicht.“
Die US-Arzneimittelbehörde FDA gab im Dezember die Schutzwirkung nach einer Dosis von Biontech/Pfizer mit 52,4 Prozent an – für zwei Impfungen liegt sie bei 95 Prozent.
Redlberger-Fritz und Széll gehen auch davon aus, dass nach zwei Impfungen dass Risiko einer Weitergabe einer Infektion noch geringer als nur nach einer Impfung ist. Széll: „Da man nach der zweiten Impfung viel höhere Antikörpertiter hat, kann das Immunsystem eine angehende Infektion im Rachen wesentlich schneller eliminieren und dadurch verhindern, dass der Betroffene infektiös wird. Und wenn er infektiös wird, dann nur ganz kurz.“
Teilgeimpfte könnten auch der Verbreitung von Mutationen Vorschub leisten: „Diese Personen haben eine halbhohe Barriere gegen eine Infektion. Viren, die über diese Hürde springen könnten, könnten sich dann wesentlich leichter verbreiten und hätten einen Vorteil – das könnte die Entstehung von neuen Virusvarianten begünstigen.“
Möglichst viele vollständig geimpfte Personen werden aber auch notwendig sein, um in der Bevölkerung eine möglichst hohe Grundimmunität zu erreichen. Ob tatsächlich eine Herdenimmunität aus medizinischer Sicht erreichbar sein wird – wo also Infektionsketten sofort durch die hohe Zahl Geimpfter gestoppt werden, ohne Ungeimpfte zu infizieren – ist umstritten: „Ich fürchte, das wird nicht möglich sein“, sagt Redlberger-Fritz: „Bei Atemwegsviren ist es generell schwierig, von Herdenimmunität zu reden, weil sie sich rasch verändern und die Immunität über die Zeit abnimmt. Wenn man Herdenimmunität aber so versteht, wie das momentan die Politik und viele Medien tun, dass ich die Aktivität der Pandemie so im Zaum halten kann, dass für die meisten Menschen wieder ein normales Leben möglich ist, dann wird das wahrscheinlich möglich sein. Aber auslöschen kann ich das Virus damit letztlich nicht.“
Wann eine Dosis reicht
Eine Impfung reicht allerdings dann aus, wenn man eine Infektion mit SARS-CoV-2 durchgemacht hat – bestätigt durch einen PCR-Test oder durch den Nachweis neutralisierender Antikörper (verhindern die Virusvermehrung, Anm.). Dann verstärkt diese eine Impfung den bereits durch die Infektion ausgelösten Schutz. Nach einer Infektion ist eine Impfung gegen Covid-19 für sechs bis acht Monate nicht notwendig und sollte – solange noch Impfstoffknappheit herrscht – für diesen Zeitraum aufgeschoben werden. Laut den Zulassungsbestimmungen „und aus immunologischer Sicht“ spricht aber auch nichts gegen eine zweimalige Impfung, „wenngleich mit einer erhöhten Rate an Nebenwirkungen zu rechnen ist“.
Der Effekt der Impfungen zeigt sich bereits an einem Rückgang der Covid-19-Todesfälle, weisen jetzt Daten der AGES und der Statistik Austria nach. Während der Anteil der Corona-Todesfälle an der Gesamtzahl der Todesfälle in Österreich Anfang des Jahres noch bei 32 Prozent lag, ging dieser Wert bis Mitte April auf 18 Prozent zurück. Zwar bleibt die Zahl der Todesfälle pro Woche weiterhin leicht über dem Durchschnitt, doch im Vergleich sieht man, dass deutlich weniger Menschen im Zusammenhang mit einer Covid-19-Infektion sterben.
Das ganze Interview mit Marton Széll hören sie in unserem Daily Podcast unter www.kurier.at/daily
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